Frieden

Legt den Leo an die Kette

Protestaktion vor Rheinmetall

Stoppt den Verkauf von Leopard-Panzern nach Saudi-Arabien

Demonstranten mit Transparenten und Friedensfahnen vor Rheinmetall.

Düsseldorf, 13.05.2013 [update] | Ein Aktions­bündnis aus dem Rhein­land rief zu einer Protest­aktion gegen Rhein­metall, die Waffen­schmiede, die ihren Haupt­sitz immer noch in Düssel­dorf-Deren­dorf hat, auf – am Montag Nach­mittag vor dem Verwaltungs­sitz und am Dienstag in Berlin, wo die Haupt­aktio­närs­versamm­lung statt fand.

Die Aktionäre sollten ihre Aktien, an denen so viel Blut klebt, zurück geben.

Am Montag standen ca. 60 Demons­tranten vor dem Gebäude auf der Eingangs­treppe. Wir doku­men­tieren den Rede­beitrag von Peter Bürger[1]

 

Das Geschäft mit dem Tod

Solange Rüstungskonzerne ihre Blutprofite einfahren, haben Recht und Menschlich­keit keine Chance auf unserem Planeten

Deutschland ist drittgrößter Mordwaffen­exporteur auf dem Globus und liefert im Zuge von Milliar­den­geschäften modernste Kriegs­tech­no­lo­gie an arabische Dikta­toren, die den Islam zu einem Herr­schafts­ins­trument der Reichen umge­bogen haben.[2] Es geht um Wirt­schafts­inter­essen und Profite. Deshalb geben die Mächtigen in unserem Land grünes Licht. Sie schämen sich nicht, für eine verfas­sungs­feind­liche und krimi­nelle Politik unser Grund­gesetz zu zitieren. Die gigan­tischen Kriegs­güter­exporte, so heißt es, dienten »dem Frieden in der Welt«. Im gleichen Atemzug bekennen sich bürger­liche Politiker – ganz im Einklang mit der »neuen NATO« – zu einer Militär­doktrin, in der nationale Wirt­schafts­inter­essen den eigent­lichen, höchsten »Wert« anzeigen. Eine Ladung vor das Bundes­verfas­sungs­gericht brauchen sie nicht zu fürchten.

 

Bürgertum und Kirchen üben sich in höflicher Zurückhaltung oder assistieren

Doch die Kriegs­konzerne haben für ihr bluti­ges Geschäft nicht nur die Politik eingekauft. Die Medien vermel­den inzwi­schen neue Kauf­abschlüs­se mit men­schen­rechts­feind­lichen Regimen, bei denen es um gigan­ti­sche Rüs­tungs­ge­win­ne geht, wie ganz normale Tages­nach­rich­ten. Die Düs­sel­dor­fer »Rheini­sche Post« könnte kaum noch freund­licher als schon jetzt berich­ten, wenn sie ein Tochter­unter­neh­men von Rhein­metall wäre.[3] Die Gewerk­schaf­ten, die verbe­am­te­ten Theo­lo­gie­pro­fes­so­ren und die monat­lich mit 8.000 bis 12.000 Steuer-Euros dotier­ten Staats­bischöfe beider Kon­fes­sio­nen üben sich in höflicher Zu­rück­hal­tung. Es sollte sich keiner selbst belügen: Wer schweigt oder seine Kritik in sanfte Neben­sätze verpackt, die keiner als Wider­spruch versteht, assis­tiert der Todes­maschi­nerie. Geld macht hörig. Man kann sich nicht vom System­appa­rat des Profits bezahlen lassen und gleich­zeitig dem Frieden dienen. Bezogen auf den Komplex »Geld regiert die Welt« bleibt eine »Ent­welt­li­chung« der beiden deut­schen Groß­kir­chen nur drin­gend zu wünschen!

 

Demonstranten mit Transparenten und Friedensfahnen vor Rheinmetall.Die Lüge, mit der sich die zahl­losen bür­ger­li­chen Hand­langer der Kriegs­indus­trie selbst beru­higen, ist trotz ihrer Wohl­klänge nicht weniger zynisch als die Werbe­paro­len der Rüs­tungs­kon­zerne. Zu­nächst betet man gehor­sam das Dogma nach, eine Welt­ord­nung ohne Waffen­gewalt könne es nicht geben. So­dann faselt man – wie schon in zwei Welt­krie­gen – von einer recht­mäßigen Obrig­keit, der wo­mög­lich Gott selbst das Schwert in die Hand gelegt habe. Damit das Ganze noch einen etwas christ­li­chen Anstrich bekommt, unter­scheidet man zwischen guten und bösen Waffen­produk­tio­nen, zwischen ethisch vertret­baren und un­mo­ra­li­schen Waf­fen­ex­por­ten, zwischen gerecht­fertig­ten und un­ge­recht­fer­tig­ten Militär­einsät­zen. Irgend­welche schmerz­haf­ten Konse­quen­zen oder Verwei­ge­run­gen zieht man aus diesen Unter­schei­dun­gen aber nicht. Der Tod als ein Meister aus Deutsch­land tut sein Werk ja weit ent­fernt von unseren Landes­gren­zen. Der Afgha­nis­tan­krieg hat zwar »alles nur noch schlim­mer« gemacht, aber »gute Absich­ten« will man den Ver­ant­wort­li­chen doch nicht ab­spre­chen. Vor Ort gilt es derweil, den privi­le­gier­ten Wohl­stand zu wahren. Da muss ein Export­welt­meis­ter schon viele Kompro­mis­se machen – z.B. bei den Waf­fen­ge­schäf­ten, so traurig das auch ist.

 

Für Leute, die sich auf diese Weise – ohne jede Moral – die Welt schön malen, steht auf deut­schen Kirchen­tagen noch immer eine Bühne bereit. Für die Verant­wort­lichen in der Regie­rung auch. Als Schlum­mer­lied für das christ­liche Gewis­sen sollte man passend dazu einen Chor aus der Mat­thäus-Pas­sion von Johann Sebas­tian Bach aufspielen:

 

Wir setzen uns mit Tränen nieder
Und rufen dir im Grabe zu:
Ruhe sanfte, sanfte ruh!
Ruht, ihr ausgesognen Glieder!
Euer Grab und Leichenstein
Soll dem ängstlichen Gewissen
Ein bequemes Ruhekissen
Und der Seelen Ruhstatt sein.
Höchst vergnügt schlummern da
die Augen ein.

 

Ethisch kann nur die Fundamental-Opposition gegen Kriegsprofite sein

Gegen dieses verlogene Rumgehampel, das sich allen Ernstes als Christen­tum oder bürger­liche Anstän­dig­keit verkauft, wird jeder, der sich noch ein mensch­liches Herz und einen intakten Verstand bewahrt hat, eine Funda­men­tal-Op­po­si­tion anmel­den: Das Geschäft mit dem Tod kann nie und nim­mer ein ethisch verant­wort­ba­res Geschäft sein. Solange Rüs­tungs­kon­zer­ne ihre Blut­pro­fi­te ein­fah­ren, haben Recht und Mensch­lich­keit keine Chance auf unserem Planeten:

 

(1) Die Erfindung der Waffe hat in der Zivilisations­geschichte erst jene Grau­sam­keit von Mensch zu Mensch ent­fes­selt, die mit bloßen Händen und unter einem Blick in die Augen des Gegen­übers so gar nicht mög­lich wäre. Die Barba­rei von »Pfeil und Bogen« kommt in der modernen digi­talen Kriegs­tech­no­lo­gie an ihr End­ziel. Ein saube­rer Knopf­druck bringt fern­ge­lenkt den Tod. Die Bot­schaft der Rüs­tungs­kon­zerne: »Krieg ist nur noch ein Computerspiel.«

 

(2) Erfindung und Durchbruch der Feuer­waffen­tech­no­lo­gie im Spät­mit­tel­alter haben zuerst auf unse­rem Konti­nent das Poli­ti­sche den Kano­nen über­geben. Im Hand­um­dre­hen wurde daraus jedoch der Griff nach Welt­herr­schaft. Ohne die neue Waffen­re­vo­lu­tion hätten die euro­pä­ischen Erobe­rer sich nicht den ganzen Globus und seine Reich­tümer Unter­tan machen können. Das Abend­land gab vor, Menschen­seelen retten zu wollen, doch sein Programm hieß: Welt­be­herr­schung durch Men­schen­zer­fet­zung. Nie und nimmer werden Kriegs­tech­no­lo­gien und Kriegs­pro­fi­teu­re einem anderen Zweck huldigen als der Herr­schaft von Menschen über Menschen.

 

(3) Die Feuerwaffe ist jedoch zugleich als maß­geb­licher Geburts­helfer des Kapi­ta­lis­mus zu ent­lar­ven.[4] Das betrifft keines­wegs nur die explo­­­sive Entwick­lung der Metall­verar­bei­tung[5] und der für die neuen Waffen­käufe not­wen­di­gen Geld­ge­schäf­te. Kanonen kann man nicht essen oder bewoh­nen. Sie wärmen nicht, sie heilen nicht, sie machen uns nicht klüger oder gebil­deter, sie nützen dem leib­haf­tigen Menschen rein gar nichts, da sie keines seiner wirk­lichen Lebens­bedürf­nis­se erfüllen. Doch die Kanone ist für die Herr­schen­den ein Fetisch der Macht. Dieses Wahn­gebil­de der Macht wird zum Motor der abstrakten Geld­ver­meh­rungs­ma­schine. Denn in die Rüs­tungs­güter muss man, einmal dem Wahn verfallen, end­los inves­tieren. Die von leib­haf­tigen Lebens­erfor­der­nissen abstra­hie­rende Rüs­tungs­pro­duk­tion und die abs­trakte Geld­ver­meh­rungs­ma­schine haben auf Grund dieser Zusam­men­hän­ge grund­le­gen­de Gemein­sam­keiten: Beide gehen über Leichen, ohne sich verant­worten zu müssen. Beide bringen etwas hervor, das mit den Bedürf­nis­sen von Menschen nichts zu tun hat und also nichtig ist. Beide saugen wie Vampire die Fähig­keiten der Menschen zum Lebens­erhalt auf, um die kranken Hirn­gespins­te und Inter­essen einer winzigen Minder­heit zu bedienen. Beide zerstören sowohl den Einzelnen als auch die Gemein­schaft­lich­keit der Menschen.

 

(4) Aufgrund der historischen Symbiose von Rüstungsproduktion und Geldkapitalismus sind technologische Revolutionen in unserer Zivilisation im Wesentlichen immer Aufrüstungen von Herrschaftstechnologie.[6] Der Weg eines lebensdienlichen und menschenfreundlichen wissenschaftlichen Fortschritts ist hier schon im Keim unmöglich gemacht. Entwickelt und produziert wird nicht, was die Menschen brauchen, sondern was die Geldmaschine in Schwung bringt und was als Beherrschungsinstrument nützlich ist.

 

(5) Dies trifft nun leider gerade auch auf die modernen Tech­no­lo­gien für Daten­ver­ar­bei­tung und Kom­mu­ni­ka­tion zu. Sie kommen im Wesent­lichen aus mili­tä­ri­schen For­schungs­zusam­men­hängen. Sie wurden entwickelt, um Kontrolle, Über­wa­chung und Kriegs­macht auf tota­litä­re Weise zu per­fek­tio­nie­ren. An sich hätten die neuen Kom­mu­ni­ka­tions­tech­no­lo­gien zu einer demo­kra­ti­sche­ren Medien­land­schaft, zu selbst­bestimm­ten Lebens­räu­men und zu einer dialo­gi­schen Welt­gesell­schaft beitra­gen können. In Wirk­lich­keit haben sie eine mentale Gleich­schal­tung sonder­gleichen und ein globa­les Kriegs­system hervor­ge­bracht. Es handelt sich um Tech­no­lo­gien, ohne die die Auf­rüs­tung der virtuellen Geld­ver­meh­rungs­ma­schine in drei neo­libe­ra­lis­ti­schen Jahr­zehn­ten nicht möglich gewesen wäre. Die digitale Barbarei im Finanz­kapi­ta­lis­mus und die digitale Bar­ba­rei des moder­nen Krieges sind Zwillings­brüder. Beide führen uns mit Sieben­mei­len­stie­feln hinein in eine autori­täre, unfreie Gesell­schaft. (Die tota­li­tä­ren Dimen­sio­nen der ganzen Entwick­lung beleuchtet derzeit am eindrucks­volls­ten der Konser­vative Frank Schirr­macher in seinem Buch »Ego«.) Vorder­grün­dig gesehen stellte die neo­libe­rale Kon­kur­renz­reli­gion das Indivi­duum auf einen Kult­altar, doch nichts war ihr gleich­gültiger als das Indivi­duum. Der Einzelne sollte vielmehr isoliert und von sozialen Ermu­ti­gungs- und Lebens­ener­gien abge­schnit­ten werden. Hernach konnte man ihn via Brain­washing zum gefügigen Objekt des Geld- und Kriegs­appa­rates machen. Wann endlich werden wir verstehen, dass im Schatten von Rüs­tungs­kon­zer­nen Indi­vi­du­ali­tät, Lebendig­keit und Mensch­lich­keit niemals gedeihen können?

 

(6) Ein anderer Konservativer, US-Präsident Dwight D. Eisenhower, erkannte schon 1961 weitsichtig, dass der militärisch-industrielle Komplex[7] eine tödliche Bedrohung für die Demokratie darstellt und am Ende nur noch eine Fassade mit demokratischem Anstrich übrig lässt. In den USA haben die Rüstungskonzerne inzwischen nahezu alle Parlamente eingekauft. Deshalb werden US-Angriffskriege geführt, die den Menschen in anderen Ländern Tod, vielen Menschen im eigenen Land Elend und zukünftigen Generationen eine immerwährende Verschuldung bringen. Wir haben inzwischen auch in Deutschland – gerade angesichts der Rüstungsexportpolitik – mehr als genug Belege dafür, dass mit Rüstungskonzernen keine Demokratie, kein friedenskonformer Staat zu machen ist. Bei Kriegsprofiten gibt es keine Mitbestimmung der Menschen und ebenso wenig eine parlamentarische Kontrolle der Herrschenden.

 

(7) Der »Ego-Shooter« ist sichtbares Symbol einer aggressiven Gesellschaftsideologie, die der Mehrheit aller Menschen nichts Gutes verheißt. (Doch das dürfte kaum einem Konsumenten bewusst sein.) Im Zentrum des Neoliberalismus steht der Kult der Waffe. In seinem Gefolge ist es zu einer so noch nicht dagewesenen Militarisierung der Massenkultur gekommen. Die unterhaltungsindustrielle Produktion ist – oftmals in direkter Kooperation mit dem Militär – zu einem regelrechten Rüstungssektor an der Seite der Kriegskonzerne geworden, denn: »Kein Produkt erfordert ein so geschicktes Marketing wie eines, das gewaltige Mengen an Ressourcen verschwendet und dabei eine große Anzahl von Menschen abschlachtet.« (Norman Solomon und Reese Erlich) Man lässt die Menschen, nachdem man sie schwach, dumm und lebensuntüchtig gemacht hat, täglich stundenlange Kriegsspiele an Bildschirmen absolvieren – solange, bis sie sich einbilden, dass das ganze Universum Krieg ist und Freiheit in unbegrenztem Konsum von Militainment besteht. Nie werden die Rüstungskonzerne und andere Systemgewinner so viele Profite einfahren, dass sie angemessene Entschädigungszahlungen für diese geistig-seelischen Beschädigungen von Gesellschaft und Kultur leisten könnten.

 

(8) Die Realutopie der UN-Charta von 1945 ist so aktuell und Not-wendig wie nie zuvor. Doch sie ist in Alltag und Alltagsbewusstsein nirgendwo verankert. Erstmalig wäre heute unter der Voraussetzung globaler Kommunikationsnetzwerke wirklich so etwas wie eine Weltgesellschaft unterschiedlichster Kulturräume möglich. Aber die Idee der Vereinten Nationen ist – was ihre Verwirklichung betrifft – in den ersten Gehschritten stecken geblieben. Jüngst sprach ein Kirchenvertreter von einem »polizeilichen« Gewaltmonopol der UNO, das wohl auch zukünftig Rüstungsproduktion erfordere. So etwas gibt es aber gar nicht. Im Wesentlichen gibt es nur den Missbrauch der UNO zur Absegnung von Militäreinsätzen, die vorzugsweise etwa die NATO als selektives Interessenssicherungsbündnis einer Reihe von Staaten unter US-Direktion ausführt. Nach Ende des Kalten Krieges wäre der Zeitpunkt da gewesen, durch enorme Investitionen in eine neue Friedensforschung und regelrechte Friedensindustrien den Vorsatz der UN-Charta umzusetzen, die Menschheit von der Geißel des Krieges zu befreien. Nicht einmal ansatzweise ist etwas in dieser Richtung geschehen.[8] Stattdessen ist es den Lobbyisten des Programms Krieg und den Rüstungskonzernen gelungen, weiterhin die rechtmäßig dem Frieden zustehenden Mittel in ihre Kassen zu spülen. Wir können auf andere Planeten fliegen und den eigenen mehrfach zersprengen. Aber wir haben keine Wissenschaften, keine bereitgestellten Budgets und keine Infrastrukturen, um die erwiesene Fähigkeit der Menschen zu einer gewaltfreien Konfliktlösung und zu einem friedlichen Miteinander im Dienst der Weltgemeinschaft systematisch zu erkunden, zu stärken und auszubauen. Wir haben keinerlei hochentwickelte Instrumentarien der Gewaltprävention, die nicht der militärischen »Logik« folgen. Alle »Intelligenz« und alle Reichtümer fließen dem Krieg zu. Und so würde es in einer Welt der Rüstungskonzerne auch immer bleiben.

 

(9) Die Hochrüstung der Industrienationen, so wusste schon Papst Paul VI., ist nichts anderes als ein Mord an den Armen der Erde. Gleiches gilt für Waffenexporte an arme Länder. Auch unter diesen Gesichtspunkten sind die Rüstungsproduzenten Massenmörder. 30 oder 40 Millionen Menschen sterben – trotz des globalen Überflusses – jährlich an gemachter Unterversorgung – das ist aktuell der größte Kriegsschauplatz. Der weltweite Kriegshaushalt ist inzwischen auf 1,75 Billionen Dollar angewachsen. Daneben nehmen sich die Budgets für rein zivile Hilfe und Entwicklung wie eine Portokasse aus. Für »humanitäre Interventionen« ohne jegliche Militäraktivität gäbe es auf dem Globus unzählige Elendsschauplätze. Doch niemand denkt daran, diese Herausforderungen ernsthaft anzugehen. Hier warten ja weder Rüstungsprofite noch Machtzuwachs. Bezogen auf die Erklärung der sozialen Menschenrechte, zuvorderst das Recht auf überlebensnotwendige Nahrung und Gesundheitssorge, macht niemand bei der UNO eine »Responsibility to Protect« (Schutzverantwortung) geltend. Die den Rüstungskonzernen zuarbeitende Propaganda für angeblich »menschenfreundliche Kriegseinsätze« ist angesichts der realen Verhältnisse kinderleicht zu widerlegen. Doch in vielen Redaktionen sitzen überwiegend Schreiberlinge mit weichgespültem oder käuflichem Hirn.

 

(10) Aus allen Kriegen gehen allein die Rüstungskonzerne, die von ihnen geschmierten Politikdienstleister und ihre Aktionäre als »Gewinner« hervor. Die Drahtzieher und Mitläufer des militärisch-industriellen Komplexes nennen sich selbst Realisten und uns Utopisten. Doch sie rauben der Menschheit alle materiellen und geistigen Ressourcen, die wir brauchen, um zukünftigen Generationen ein Leben auf dieser Erde zu ermöglichen. Auch deshalb gehört ein Verbot aller Rüstungsexporte in die Verfassung hinein. Geboten ist dieses – im Verein mit einer Konversion der Waffenproduktion in Produktionen für das Leben – schon aufgrund der Präambel unseres Grundgesetzes.

 

Um nichts weniger geht es bei unserem Friedensprotest als um die Liebe zum Leben. Wir wissen, dass die digitale Geldvermehrungsmaschine und ihre prominente Erscheinungsform in den Rüstungskonzernen die menschliche Gesellschaft bis in die Seelen hinein beschädigt hat. Doch die mögliche Schönheit des Menschen kann wieder freigelegt werden. Wenn die Kriegstechnologie ihnen nicht länger das Trommelfell zerfetzt, lernen die Menschen das Zuhören. Wenn der Terror der Maschinengewehre aufhört, entdecken sie die Langsamkeit. Die Wahrheit ist: Menschen können sich begegnen, einander verstehen, Kompromisse eingehen, eigene Fehler erkennen, kooperieren und im guten Sinn konspirieren. Sie können sich zärtlich berühren und das Leben anderer achten wie das eigene. Sympathie und Liebe sind attraktiver als Hass. Zeiträume zum Atemholen sind attraktiver als die herrschenden Beschleunigungsmaschinen des Krieges. Aufbauen ist spannender als Zerstören, Teilen viel verführerischer als Rauben. Nur Frieden ist sexy! Ein Eros des Friedens und der Gewaltfreiheit, in den nahen Lebensräumen und auch in der globalen Völkerwelt, ist möglich. Jeder Realist weiß: Es gibt zu dieser anspruchsvollsten kulturellen Vision um des Lebens und Überlebens willen keine Alternative.

 

Die Agenten des Todes demaskieren

Mit Antikriegsprotesten oder Antikriegsfilmen ist die Herausforderung einer »Kultur des Friedens« freilich noch gar nicht angesprochen. Wir wissen, dass erst dann wirksamer Widerstand möglich wird, wenn die erotische Leidenschaft für das Leben in der Breite gewaltfreie Gegenbewegungen freisetzt. Heute jedoch geht es uns an diesem Ort um eine Demaskierung der Agenten des Todes, zu denen der Kriegskonzern Rheinmetall gehört. Diese anonymen Profitgebilde ohne personale Verantwortung sind Feinde der einen Menschenfamilie und Verderber der menschlichen Gesellschaft. Sie allein ziehen Vorteile aus jenem Wahn, der die Weltgesellschaft krank macht. Ihre Apparatur zu hassen, ist der einzige Hass, der uns geboten ist. Sie der Lächerlichkeit preis zu geben, ist die einzige Verächtlichmachung, die uns selbst nicht hässlich macht.

Wer aber nach schreckenerregenden Ungeheuern Ausschau hält, sucht am falschen Ende. Ganz sauber und freundlich ist das Erscheinungsbild der Agenten des Todes. Schon vor über dreißig Jahren stellte die Christin Dorothee Sölle mit einem Gedicht die richtige Frage:

Und wie sieht der Menschenfresser eigentlich aus?


Auf einem Foto aus dem Hause Rheinmetall
zähle ich fünf Lebewesen und fünf Geschosse
Die Lebewesen sind mit Anzug, weißem Hemd und Schlips bekleidet
daraus entnehme ich, dass es Männer sind
Ihr Haarwuchs rangiert zwischen noch voll, gelichtet und dünn
daraus entnehme ich, dass sie zwischen Ende Dreißig und Mitte Fünfzig sind

Alle bis auf einen haben die oberen Schneidezähne entblößt
daraus entnehme ich dass sie ein gutes Geschäft abgeschlossen haben
Alle halten mit der Rechten oder mit beiden Händen
die von ihnen produzierten Waffen innig stolz oder kumpelhaft fest
daraus entnehme ich, dass sie Waffen lieben
Der innigen stolzen oder kumpelhaften Bewegung entnehme ich außerdem

dass sie gern einen bombenhaften Penis hätten
Alle hier sichtbaren Repräsentanten des Rüstungskonzerns
(mit Ausnahme des nicht Lächelnden der den Mund dümmlich offen hält)
wirken dynamisch, genau und entschlossen auf mich
Daraus entnehme ich dass sie mein deutsches Schicksal lenken werden
wie bereits zweimal in diesem Jahrhundert
sofern wir sie nicht entmachten.

Dorothee Sölle (Im Haus des Menschenfressers. rororo 1981, S. 28-29.)

 

Peter Bürger
Fotos von Irène Lang
aus ihrer Fotogalerie


[1] Peter Bürger ist röm.-kath. Theologe, freier Publizist, Mitglied in der Internationalen katholischen Friedensbewegung Pax Christi, im Versöhnungsbund und in der DFG-VK. [zurück]

[2] Hier zeigt sich besonders deutlich, wie der Begriff »Fundamentalismus« selektiv bestimmte Interessen bedient. Bei sogenannten »Antiterrorkriegen« auf rohstoffreichen Erdgebieten mit vorwiegend muslimischer Bevölkerung ist er von großem Nutzen. Keine Anwendung findet er hingegen auf faschistoide Todesstrafen-Christentümer – z.B. in den USA – oder eben auf willfährige wahabitische »Stabilitätsgaranten«. [zurück]

[3] Vgl. Peter Bürger: Im Hause Rheinmetall: Kriegsprofite statt Utopie. Gastkommentar: Der Düsseldorfer Rüstungskonzern betrachtet Transparenz als Problem. Eine pazifistische Nachlese zum Protest gegen die Panzer-Exporte nach Saudi-Arabien. In: Telepolis, 3.11.2012. http://www.heise.de/tp/artikel/37/37932/1.html [zurück]

[4] Vgl. Robert Kurz: Vater Staat und Mutter Krieg: Die Geburt des Geldes. In: Blätter für deutsche und internationale Politik. Heft 9/2012, S. 101-110. [zurück]

[5] Lapidar heißt es zum wichtigsten Kriegsmetall noch beim hl. Kirchenvater Cyprian von Karthago († 258): »Eisen ist nach Gottes Willen zur Bebauung der Erde da, ohne dass deshalb Mordtaten damit verübt werden dürften.« [zurück]

[6] Das gilt selbstredend auch für staatskapitalistische Systeme, die sich als Etikett anmaßend den schönen und ehrwürdigen Namen »Sozialismus« umhängen. [zurück]

[7] Der aktuelle Wikipedia-Eintrag zum Stichwort »militärisch-industrielle Komplex« ist zweifellos maßgeblich von Dienstleistern eben des militärisch-industriellen Komplexes verfasst worden. Es wäre an der Zeit, endlich eine Paxpedia anzubieten, in der nicht in ungezählten Lexikoneinträgen Militärs, Kriegswissenschaftler und Rüstungskonzerne ihre Handschrift einbringen. [zurück]

[8] Einschlägige Alibi-Projekte kann man im Weltmaßstab bestenfalls nur als große »Pfadfinder-Initiativen« betrachten. Von den Kriegsdienstleistungen vieler sogenannter Friedensforscher wollen wir ganz schweigen. [zurück]

 

Fotogalerie von Irène Lang