Partei

War die DDR ein Unrechtsstaat?

Wir do­ku­men­tie­ren das Re­fe­rat von Klaus Stein, ge­hal­ten auf der Mit­glie­der­­ver­samm­lung der DKP Köln-Mül­heim:

Vor 65 Jah­re wur­de die DDR ge­grün­det. War sie ein Un­rechts­staat?

Frau: Wir haben gehört, der Kom­mu­nis­mus ist ein Ver­brechen.

Pelagea Wlassowa: Das ist nicht wahr, der Kom­mu­nis­mus ist gut für uns. Was spricht gegen den Kom­mu­nis­mus?

Sie singt:

Lob des Kom­mu­nis­mus

Er ist vernünftig, jeder versteht ihn. Er ist leicht.
Du bist doch kein Aus­beuter, Du kannst ihn begreifen.
Er ist gut für dich, erkun­dige dich nach ihm.
Die Dumm­köpfe nennen ihn dumm, und die Schmut­zigen
nennen ihn schmutzig.
Er ist gegen den Schmutz und gegen die Dummheit.
Die Aus­beuter nennen ihn ein Verbrechen.
Wir aber wissen:
Er ist das Ende der Verbrechen.
Er ist keine Tollheit, sondern
das Ende der Tollheit.
Er ist nicht das Rätsel
sondern die Lösung.
Er ist das Einfache
Das schwer zu machen ist.

Dieses Lied stammt aus dem Drama »Die Mutter« von Bertolt Brecht (1931), dem der gleichnamige Roman von Maxim Gorki von 1907 als Grundlage diente.

Hier wird gewissermaßen die prinzipielle Frage beantwortet. Für die Klasse der Ausbeuterinnen und Ausbeuter kann der Sozialismus selbstverständlich nichts anderes als ein Verbrechen sein. Mehr noch. Aus Ausbeutersicht ist der Kommunismus schon gar nicht das Ende der Verbrechen, sondern der Anfang, weil die Verhinderung des Sozialismus alle anderen Verbrechen von kapitalistischer Seite rechtfertigt: Die Hinrichtung des Frühkommunisten Babeuf – »Die Natur hat jedem Menschen ein gleiches Recht auf den Genuss aller Güter gegeben« – und seiner Genossen im Jahre 1797 ist ein erster Hinweis auf die noch folgende Kriminalisierung sozialistischer Politik. Ich zähle die blutige Niederschlagung der Aufstände von Lyon Anfang der dreißiger Jahre des 19. Jahrhunderts dazu, die Massaker vom Juni 1848 an Tausenden Arbeitern der Pariser Nationalwerkstätten, die gegen ihre Entlassung auf die Barrikaden gegangen waren, die blutrünstige Niederschlagung der Pariser Kommune mit 30 000 Toten, der Mord an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht und vieler anderer Arbeiter durch die Freikorps während der Novemberrevolution, den Kapp-Putsch, den Faschismus und die Kriege gegen die Sowjetunion mit Millionen von Toten, der Justizmord an Ethel und Julius Rosenberg am 19. Juni 1953, die Massaker an einer halben Million indonesischer Kommunisten 1964, den US-amerikanischen Krieg, der 3 Millionen Vietnamesen das Leben kostete, das Wirken von US-amerikanischen Militärs und Geheimdiensten in Süd- und Mittelamerika, die Militärdiktaturen in Brasilien, Argentinien, Paraguay, der Putsch in Guatemala 1954, der von der United Fruits Company veranlasst worden ist, und den in Chile 1973, die Bombardierung Jugoslawiens 1999. Selbstverständlich ist diese Aufzählung nicht vollständig. Der Blutdurst des Kapitalismus ist gewaltig, allemal, wenn es um die Wahrung des Privateigentums an Produktionsmitteln und gegen den Sozialismus geht. Die Liste seiner Verbrechen ist lang und das Ende erst, wenn wir Brecht folgen wollen, mit dem Kommunismus abzusehen. Und selbstverständlich hätten die Verantwortlichen für die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki keine Hemmungen gehabt, den Sozialismus, nicht nur den der DDR, mit allen militärischen Mitteln zurückzurollen, wenn sie die Chance dazu bekommen hätten.

Denn die DDR war aus dem Blickwinkel der Eigentümerinnen und Eigentümer von Produktionsmitteln von Beginn an ein Verbrechen. Diese Damen und Herren samt ihrer Presseorgane und journalistischen Lakaien ernennen sie zum Unrechtsstaat und erwarten, dass wir das nachbeten.

Ergebnisse einer Umfrage

Diese Erwartung erfüllte sich in den vergangenen 25 Jahren unterschiedlich.

Nachdem es »erhebliche Defizite in der Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit« gegeben habe, konnte die FAZ (19. November 2014, Titel »das Ende der ›Mauer in den Köpfen‹«) nach einer Allensbachumfrage ihr Publikum etwas beruhigen. Auf die Frage: »Würden Sie sagen, die DDR war ein Rechtsstaat, oder würden sie das nicht sagen?« antworteten 37 % der Ostdeutschen im November 2009 mit »Nein, kein Rechtsstaat«, 13 % widersprachen, 50 % waren unentschieden. Heute sagen 60 % Nein, 8 % Ja und 32 % sind unentschieden. Die Hetze wirkt also.

Allensbach hat diese Fragen mit solchen nach der Akzeptanz der Linkspartei verbunden. Ob die PdL eine normale demokratische Partei sei, wurde 2005 im Westen von 34% der Befragten mit ja beantwortet, heute nur noch von 24%. Im Osten dagegen war es vor 10 Jahren praktisch die gleiche Menge wie heute, nämlich 54%. Aber immer weniger Menschen nehmen die PdL noch als Nachfolgerin der SED wahr, sagt Allensbach.

Errungenschaften

Immer noch lebt die Erinnerung an die sozialistischen Errungenschaften der DDR. Wir im Westen haben sie als dritten Tarifpartner nutzen können. Und 1956, als wenige Monate nach dem KPD-Verbot die dynamische Rente eingeführt wurde, wollte Adenauer »mit der Rentenreform beweisen, dass die Soziale Marktwirtschaft den sozialistischen Systemen hinter dem Eisernen Vorhang in der Fürsorge für die Bürger überlegen« ist. Die gesetzlichen Renten wurden »seinerzeit im Schnitt zwischen 65 und 72 Prozent angehoben. Zugleich wurden sie an die jährliche Einkommensentwicklung gebunden, um die Alten dauerhaft am Wohlstandszuwachs teilhaben zu lassen«. (FAZ vom 21. Januar 2007) Erst seit dem Ende der DDR reicht die Rente immer weniger zum Leben und wir bekommen es mit wachsender und mittlerweile massenhafter Altersarmut zu tun.

Aber die Wut der Herrschenden über den seinerzeitigen Zwang zu Zugeständnissen währt noch lange.

Sie gilt einem Staat, der, wie es das Sekretariat unseres PV in einer Erklärung zum 7. Oktober, dem 65 Jahrestag der Gründung der DDR, sagt, »sich von den Vorstellungen von Marx und Engels, von den Erfahrungen des Kampfes der internationalen kommunistischen und Arbeiterbewegung und von dem Ziel des Aufbaus einer antikapitalistischen und antifaschistischen Alternative zur Herrschaft der Monopole und Banken, der Rüstungsbosse und Kriegsgewinnler orientierte. Letztere hatten die Hitlerpartei schon vor 1933 finanziert. Diesen Staat versuchten die Vertreter der alten kapitalistischen und imperialistischen Ordnung zu sabotieren und von der Landkarte auszuradieren. ›Alle Mächte‹ des alten kapitalistischen Europas verschworen sich gegen diesen Ausbruch. Sie versuchten das wirtschaftlich schwächere antifaschistische und sozialistische Deutschland ökonomisch zu boykottieren, politisch zu isolieren und schließlich auch zu strangulieren. 40 Jahre gelang es ihnen nicht. [...]

Das Ziel der deutschen und der sowjetischen Sozialisten und Kommunisten war ursprünglich, Deutschland als Ganzes zu erhalten und einen demokratischen Neubeginn und Wandel in ganz Deutschland ohne Faschisten, Kriegsgewinnler und Kapitalisten zu beginnen und ein wirkliches neues demokratisches und friedliches Deutschland zu erbauen. So sah es auch das »Potsdamer Abkommen« der vier Siegermächte von 1945 vor. Doch es kam anders: ›Lieber das halbe Deutschland ganz, als das ganze halb‹ – nach dieser Adenauer-Devise wurde Deutschland gespalten.

Das [wiederholte] sowjetische Angebot über einen Friedensvertrag mit einem demokratischen und antifaschistischen Deutschland wurde zu Gunsten der ›Integration‹ in den kapitalistischen Westen und sein aggressives Militärbündnis, die NATO, abgeschmettert. Westdeutschland wurde vor allem unter der Regie der USA zum ›Bollwerk‹ des Antisowjetismus und Antikommunismus ausgebaut.«

DDR ursprünglich nicht vorgesehen

Grafik: Nachkriegsdeutschland in Besatzungszonen.

Die Erklärung des Sekretariats des PV lenkt unter anderem unsere Aufmerksamkeit auf die Tatsache, dass die DDR ursprünglich nicht vorgesehen war. Die Kommunisten hatten für Deutschland ein anderes Konzept. Im Aufruf des ZK der KPD vom 11. Juni 1945 heißt es:

»Mit der Vernichtung des Hitlerismus gilt es gleichzeitig, die Sache der Demokratisierung Deutschlands, die Sache der bürgerlich-demokratischen Umbildung, die 1848 begonnen wurde, zu Ende zu führen, die feudalen Überreste völlig zu beseitigen und den reaktionären altpreußischen Militarismus mit allen seinen ökonomischen und politischen Ablegern zu vernichten.

Wir sind der Auffassung, dass der Weg, Deutschland das Sowjetsystem aufzuzwingen, falsch wäre, denn dieser Weg entspricht nicht den gegenwärtigen Entwicklungsbedingungen in Deutschland.

Wir sind vielmehr der Auffassung, dass die entscheidenden Interessen des deutschen Volkes in der gegenwärtigen Lage für Deutschland einen anderen Weg vorschreiben, und zwar den Weg der Aufrichtung eines antifaschistischen, demokratischen Regimes, einer parlamentarisch-demokratischen Republik mit allen demokratischen Rechten und Freiheiten für das Volk.

An der gegenwärtigen historischen Wende rufen wir Kommunisten alle Werktätigen, alle demokratischen und fortschrittlichen Kräfte des Volkes zu diesem großen Kampf für die demokratische Erneuerung Deutschlands, für die Wiedergeburt unseres Landes auf! Die unmittelbarsten und dringendsten Aufgaben auf diesem Wege sind gegenwärtig vor allem:

  • Vollständige Liquidierung der Überreste des Hitlerregimes und der Hitlerpartei. [...]
  • Kampf gegen Hunger, Arbeitslosigkeit und Obdachlosigkeit.
  • Allseitige aktive Unterstützung der Selbstverwaltungsorgane in ihrem Bestreben, rasch ein normales Leben zu sichern und die Erzeugung wieder in Gang zu bringen.
  • Völlig ungehinderte Entfaltung des freien Handels und der privaten Unternehmerinitiative auf der Grundlage des Privateigentums.
  • Wirkungsvolle Maßnahmen zum Wiederaufbau der zerstörten Schulen, Wohn- und Arbeitsstätten.
  • Strenge Sparsamkeit in der Verwaltung und bei allen öffentlichen Ausgaben.
  • Umbau des Steuerwesens nach dem Grundsatz der progressiven Steigerung.
  • Sicherung der restlosen Ernteeinbringung auf dem Wege breiter Arbeitshilfe für die Bauern.
  • Gerechte Verteilung der Lebensmittel und der wichtigsten Verbrauchsgegenstände; energischer Kampf gegen die Spekulation.
  • Herstellung der demokratischen Rechte und Freiheiten des Volkes.
  • Wiederherstellung der Legalität freier Gewerkschaften der Arbeiter, Angestellten und Beamten sowie der antifaschistischen demokratischen Parteien.
  • Umbau des Gerichtswesens gemäß den neuen demokratischen Lebensformen des Volkes. Gleichheit aller Bürger ohne Unterschied der Rasse vor dem Gesetz und strengste Bestrafung aller Äußerungen des Rassenhasses.
  • Säuberung des gesamten Erziehungs- und Bildungswesens von dem faschistischen und reaktionären Unrat. Pflege eines wahrhaft demokratischen, fortschrittlichen und freiheitlichen Geistes in allen Schulen und Lehranstalten.
  • Systematische Aufklärung über den barbarischen Charakter der Nazi-Rassentheorie, über die Verlogenheit der »Lehre vom Lebensraum«, über die katastrophalen Folgen der Hitlerpolitik für das deutsche Volk.
  • Freiheit der wissenschaftlichen Forschung und künstlerischen Gestaltung.
  • Wiederaufrichtung der [...] Selbstverwaltungsorgane
  • Schutz der Werktätigen gegen Unternehmerwillkür und unbotmäßige Ausbeutung. [...]
  • Enteignung des gesamten Vermögens der Nazibonzen und Kriegsverbrecher [...]
  • Liquidierung des Großgrundbesitzes, der großen Güter der Junker, Grafen und Fürsten [...]
  • Übergabe aller jener Betriebe, die lebenswichtigen öffentlichen Bedürfnissen dienen (Verkehrsbetriebe, Wasser-, Gas- und Elektrizitätswerke usw.) sowie jener Betriebe, die von ihren Besitzern verlassen wurden, in die Hände der Selbstverwaltungsorgane der Gemeinden oder Provinzen bzw. Länder.
  • Friedliches und gutnachbarliches Zusammenleben mit den anderen Völkern. [...]
  • Anerkennung der Pflicht zur Wiedergutmachung [...]
  • Notwendig ist die Schaffung einer festen Einheit der Demokratie für die endgültige Liquidierung des Nazismus und zum Aufbau eines neuen demokratischen Deutschlands!

Das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Deutschlands ist der Auffassung, dass das vorstehende Aktionsprogramm als Grundlage zur Schaffung eines Blocks der antifaschistischen, demokratischen Parteien (der Kommunistischen Partei, der Sozialdemokratischen Partei, der Zentrumspartei und anderer) dienen kann.

Wir sind der Auffassung, dass ein solcher Block die feste Grundlage im Kampf für die völlige Liquidierung der Überreste des Hitlerregimes und für die Aufrichtung eines demokratischen Regimes bilden kann.«

Dieses Programm, liebe Genossinnen und Genossen, war keineswegs abgehoben und weltfremd, wie es heute erscheinen mag, sondern knüpfte in der Tat an der politischen Stimmung im Lande an. Allerdings vermochte es der Imperialismus, den antifaschistischen Konsens schon in wenigen Jahren in einen antikommunistischen zu verwandeln.

Deutschland wurde im Widerspruch zu den Bestimmungen des Potsdamer Abkommens geteilt.

Potsdamer Abkommen

Es hieß am 2. August 1945 in der Mitteilung über die Dreimächtekonferenz von Berlin, dem Text der gemeinhin als das »Potsdamer Abkommen« bezeichnet wird:

  • »Auf der Konferenz wurde eine Übereinkunft erzielt über die politischen und wirtschaftlichen Grundsätze der gleichgeschalteten Politik der Alliierten in Bezug auf das besiegte Deutschland in der Periode der alliierten Kontrolle.«
  • »Bis auf weiteres wird keine zentrale deutsche Regierung errichtet werden. Jedoch werden einige wichtige zentrale deutsche Verwaltungsabteilungen errichtet werden, an deren Spitze Staatssekretäre stehen, und zwar auf den Gebieten des Finanzwesens, des Transportwesens, des Verkehrswesens, des Außenhandels und der Industrie. Diese Abteilungen werden unter der Leitung des Kontrollrates tätig sein.«
  • »Während der Besatzungszeit ist Deutschland als eine wirtschaftliche Einheit zu betrachten.«

Schon früh war zu erkennen, dass die Westmächte die Spaltung Deutschlands betrieben.

Am 2. Dezember 1946 unterzeichneten der britische Außenminister und sein US-Kollege in New York die wirtschaftliche Vereinigung der amerikanischen und britischen Zone mit Wirkung vom 1. Januar 1947, die Bizone. Im März 1948 wurde die französische Besatzungszone angegliedert, so dass aus der Bizone Trizonesien wurde.

Der Vorsitzende der KPD, Max Reimann, hatte am 20. September 1946 in einer Rede vor Parteifunktionären in Wuppertal Anlass zu folgenden Bemerkungen: »Das nationale Interesse des deutschen Volkers verlangt die Sicherung des unteilbaren Friedens [...] Nach wie vor steht die Verwirklichung der Einheit Deutschlands auf der Grundlage der fortschrittlichen Demokratie auf der Tagesordnung. Die Bestrebungen der Kräfte der Reaktion im Westen und Süden Deutschlands sind gegenwärtig darauf gerichtet, die Herstellung der politischen und wirtschaftlichen Einheit Deutschlands so lange zu verzögern, bis es ihnen gelungen ist, ihre Macht wieder herzustellen und ihren Einfluss erneut zu festigen. [...] Diese Kräfte [...] scheuen nicht davor zurück, eine Teilung Deutschlands ins Auge zu fassen [...] Der Kampf um die Einheit Deutschlands ist seinem Inhalt nach der Kampf gegen die Reaktion, für die Demokratie in allen Teilen Deutschland.«

Die Teilung

Die Währungsreform vom 20. Juni 1948, mit der die D-Mark und ihre Anbindung an den Dollar eingeführt wurde, verknüpfte die westdeutsche Wirtschaft eng mit der westlichen, insbesondere des US-amerikanischen und machte sie empfänglich für Investitionen von Dollarmilliarden, die auf der Grundlage des Kriegsbooms nach neuen Anlagemöglichkeiten suchten. Die Währungsreform hob die westdeutsche Wirtschaft in kurzer Frist auf das westliche Konsumgüterniveau. Schlagartig füllten sich die Läden mit Waren, die lange entbehrt worden waren und in der SBZ noch entbehrt wurden. Bald sprach man vom Wirtschaftswunder. Aber auch vom Schaufenster des Westens. Die Gründung der BRD am 23. Mai 1949 garantierte für diese Investitionen. Bekanntlich haben Heinz Renner und Max Reimann für die KPD im Parlamentarischen Rat die Unterschrift unter das Grundgesetz verweigert. Sie wollten die Spaltung Deutschlands nicht unterschreiben, fügten aber an: »die Gesetzgeber werden im Verlauf ihrer volksfeindlichen Politik ihr eigenes Gesetz brechen. Wir Kommunisten werden die im Grundgesetz verankerten demokratischen Rechte gegen die Verfasser des Grundgesetzes selbst verteidigen.«

Notenblatt mit Text.

Um nicht mittels der zu Ramsch gewordenen Reichsmark leer gekauft zu werden, musste sich die SBZ unmittelbar nach der Währungsreform in den Westzonen auch auf ihrem Gebiet mit kurzfristigen Sicherungsmaßnahmen behelfen und im Gegenzug schließlich eine neue Währung einführen. Und bald wurde auch die Gründung eines eigenen Staates unausweichlich. Er entstand am 7. Oktober 1949 und hatte von Anfang an gegen geheimdienstliche Provokationen sowie gegen wirtschaftliche, politische und militärische Aggressionen zu kämpfen.

Die DDR wurde, heißt es in der Erklärung des Sekretariats, obwohl sie am Ende [trotz mangelhafter Rohstoffbasis] das zehntstärkste Industrieland auf der Welt war, »kein Land, in dem ›Milch und Honig flossen‹. Aber sie war der Beweis, dass die Werktätigen auch ohne die Kapitalisten zu Großem fähig sind. Sie bauten ein Land auf, in dem nicht nur die wichtigsten und elementaren Lebensbedingungen für die breiten Massen gesichert waren. Sie schufen ein international hochstehendes Bildungs-, Kultur- und Gesundheitssystem, das bis heute seinesgleichen sucht. Die DDR wurde ein Land, das für die werktätigen Frauen und Mütter eine Gleichberechtigung verwirklichte, die bis heute Vorbild ist. Sie schufen einen Staat, in dem niemand Angst um eine warme und bezahlbare Wohnung und um seine berufliche und familiäre Zukunft haben musste. Die DDR wurde ein Land, in dem nicht die Interessen der Millionäre, sondern der Millionen den Maßstab für die Politik der Regierung setzten. Ein Land, das sich nicht an Kriegen gegen seine Nachbarn oder in fernen neokolonialistischen Kriegen beteiligte, wie das nach 1990 das ›neue‹ Deutschland tut.«

Kampfbegriff Unrechtsstaat

Gesine Lötzsch, PdL-MdB, hatte am 7. Oktober 2008 die Bundesregierung gefragt, ob China aus der Sicht der Bundesregierung ein Unrechtsstaat sei. Diese Frage stellte sich ihr damals nach der gruseligen Berichterstattung von ARD und ZDF über die Olympiade. Antwort: »Aus Sicht der Bundesregierung bemüht sich die chinesische Regierung im Rahmen ihrer Reform- und Öffnungspolitik um den Aufbau rechtsstaatlicher Strukturen.«

Gesine Lötzsch ließ nicht locker. Sie fragte sodann, welche Staaten aus der Sicht der Bundesregierung Unrechtsstaaten seien. Es kam aber keine Liste, sondern als Antwort: »Den Begriff Unrechtsstaat gibt es im Völkerrecht nicht.«

Nun bat Lötzsch den wissenschaftlichen Dienst des Bundestags um eine Definition des Begriffs »Unrechtsstaat« in der wissenschaftlichen Literatur. Die Antwort ist aufschlussreich. Aufmerksam geworden bin ich auf diesen Text, als ich in der jW las, dass es der Abgeordneten verboten werden sollte, die Antwort auf die Anfrage öffentlich zu verwenden.

Es heißt darin:

»Eine wissenschaftlich haltbare Definition des Begriffs ›Unrechtsstaat‹ gibt es weder in der Rechtswissenschaft noch in den Sozial- und Geisteswissenschaften. Gleichwohl wird in

politischen Diskussionen oft das Gegensatzpaar ›Rechtsstaat – Unrechtsstaat‹ verwendet.

Dabei geht es zumeist darum, die politische Ordnung eines Staates, der als Unrechtsstaat

gebrandmarkt wird, von einem rechtsstaatlich strukturierten System abzugrenzen und moralisch zu diskreditieren.«

Weiter heißt es in der Kurzfassung der Antwort: »Eine allgemeingültige Definition des Begriffs des Rechtsstaates ist trotz der umfangreichen wissenschaftlichen Diskussion über diesen Begriff bis heute noch nicht verfügbar. Der Rechtsstaat ist nämlich ein vielseitiges, ganz unterschiedliche verfassungsrechtliche Aspekte zusammenfassendes Rechtsprinzip, in dem zahlreiche heterogene Unterprinzipien zusammengefasst werden. Der mit dem Grundgesetz konstituierte Rechtsstaat impliziert im Wesentlichen folgende Grundelemente: die Grundrechte (Art. 1-19 GG), die Gewaltenteilung (Art. 20 Absatz 2 Satz 2 GG), die Rechtsbindung der staatlichen Organe (Art. 20 Absatz 3, Art. 1 Absatz 3 und Art. 97 Absatz 1 GG), den Grundsatz des Gesetzesvorbehalts und der Rechtsweggarantie (Art. 19 Absatz 4 Satz 1 GG), die Staatshaftung, die rechtlichen Straf- und Strafprozessrechtgrundsätze, das Prinzip der Rechtssicherheit und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Diese Aufzählung ist nicht abschließend und genießt keineswegs Universalitätsanspruch. [...] Angesichts der Schwierigkeiten, den Begriff des Rechtsstaats allgemeingültig zu definieren, verwundert es nicht, dass es auch keine haltbaren Definitionen des Begriffs ›Unrechtsstaat‹ gibt. In der Regel wird er zur Charakterisierung von Systemen verwendet, die wesentliche Prinzipien des Rechtsstaats nicht verwirklichen. Die Frage, welche Prinzipien in welchem Umfang in einer realen politischen Ordnung konkret verwirklicht sein müssen, um diese als Rechtsstaat bzw. Unrechtsstaat zu bezeichnen, dürfte in Wissenschaft und Politik je nach Standpunkt höchst unterschiedlich beantwortet werden.«

Entwicklung des Rechts

Der wissenschaftliche Dienst des Bundestags kommt dann (in der Kurzfassung seines Gutachtens) auf die historische Entwicklung des Rechts, das sich seit dem Mittelalter als eigenes Medium zur Lösung sozialer, wirtschaftlicher und politischer Konflikte etabliert habe, auch als Kraft, die den jeweiligen politischen Machthabern Grenzen setze. »Von der Vernunftrechtslehre des Niederländers Hugo Grotius [1583-1645] ging ein weiterer Entwicklungsschub aus, der die vormoderne prinzipielle Verklammerung von Recht und Moral aufgebrochen habe. An die Stelle von Gerechtigkeit sei seitdem die Erzwingbarkeit des Rechts als maßgebliches Kriterium staatlichen Handeins getreten. Die Naturrechtslehre, wie sie unter anderem von Kant, Locke und Rousseau entwickelt worden ist, gehöre zu den Bestandteilen der [widersprüchlichen] Entwicklung des Rechtsstaatsbegriffes, der durch die Revolution der englischen Kolonien in Amerika und die französische Revolution mit der Kodifizierung von Menschenrechten und Gewaltenteilung Geltung erlangte.

Nach der gescheiterten bürgerlichen Revolution von 1848 setzte sich in Deutschland eine Formalisierung des Rechtsstaatsbegriffs durch, der sich gegen den vernunftrechtlichen und individualistischen Ansatz richtete. Der Gehalt des Rechtsstaatsbegriffs wurde im Kern auf das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung samt verwaltungsrechtlichem Rechtsschutz reduziert. Der Rechtsstaatsbegriff wurde zu einem formellen gesetzespositivistischen Begriff (›Gesetzesstaat‹). Durch die Herrschaft allgemeiner und bestimmter Rechtssätze sollte erreicht werden, dass das staatliche Handeln vorhersehbar, berechenbar und durch unabhängige Gerichte kontrollierbar war.«

Damit spielt der wissenschaftliche Dienst des Bundestages sehr verhalten auf die Zeit des Faschismus an, als jedem staatlichen Verbrechen wie selbstverständlich ein Gesetz zugrunde lag, so dass im Regelfall der Anschein von Rechtsstaatlichkeit im rechtspositivistischen Sinne gewahrt blieb.

Tatsächlich spiegelt die Geschichte des Rechts den Ablauf der historischen Gewalt- und Herrschaftsverhältnisse und festigt sie. Das Recht ist gewissermaßen geronnene Gewalt, es reguliert, gestaltet und schützt in Form von Gesetzen als Teil der Überbaus die bestehenden Produktionsverhältnisse, also im Kapitalismus die Klassenherrschaft der Eigentümer von Produktionsmitteln, im Sozialismus die Herrschaft der Arbeiterklasse und der mit ihr verbundenen Schichten.

Der politische Kampfbegriff »Unrechtsstaat« gegenüber der DDR bezieht sich dabei weniger auf eine womöglich willkürliche Anwendung von Gesetzen, sondern im Kern auf die Rechtsordnung selbst als Mittel der Durchsetzung und Wahrung der Herrschaft der verhassten Arbeiterklasse.

Das heilige Eigentum

Bekanntlich betreffen die wesentlichen Unterschiede zwischen der kapitalistischen und sozialistischen Rechtsordnung insbesondere das Verhältnis zum Privateigentum an Produktionsmitteln, das sowohl in der BRD wie in der DDR Verfassungsrang hat bzw. hatte.

Wir glauben zu wissen, dass seit der Deklaration der Menschen- und Bürgerrechte durch die französische Nationalversammlung am 26. August 1789 das Recht auf Eigentum zum Kernbestand bürgerlicher Rechtsordnungen gehört.

Artikel 17 bestimmte: »Da das Eigentum ein unverletzliches und geheiligtes Recht ist, kann es niemandem genommen werden, es sei denn, dass die gesetzlich festgestellte öffentliche Notwendigkeit dies eindeutig erfordert und vorher eine gerechte Entschädigung festgelegt wird.«

Aber Ihr seht, dass selbst in seiner Geburtsstunde das scheinbar heilige und unantastbare Recht auf Eigentum, wie es die französische Revolution in die Welt gesetzt haben soll, von Anfang an nur eingeschränkt Geltung beanspruchen konnte. Die Einschränkung besteht schon damals in der »nécessité publique«, der »öffentlichen Notwendigkeit«.

Auch der Artikel 17 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, wie ihn die UNO-Vollversammlung am 10. Dezember 1948 beschlossen hat, enthält eine derartige Einschränkung:

»(1) Jeder hat das Recht, sowohl allein als auch in Gemeinschaft mit anderen Eigentum innezuhaben. (2) Niemand darf willkürlich seines Eigentums beraubt werden.«

Der Art. 14 des GG geht sogar noch strenger damit um. Es heißt dort:

»(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.«

Artikel 15 GG lautet gar: »Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden. Für die Entschädigung gilt Artikel 14 Abs. 3 Satz 3 und 4 entsprechend.«

Das GG verarbeitet hier nicht zuletzt Erfahrungen mit dem Faschismus, wenn es das Privateigentum nur unter dem Vorbehalt des Allgemeinwohls als rechtmäßig gelten lassen will.

Überrascht dürfen wir feststellen, dass just das GG keineswegs eine sozialistische Perspektive ausschließt. Das erklärt sich durch die politischen Kräfteverhältnisse in der Zeit der Konstituierung der BRD, als der antikommunistischen Grundkonsens noch nicht vollständig gegenüber dem antifaschistischen der unmittelbaren Nachkriegszeit durchgesetzt war. Die älteren Landesverfassungen sind bezüglich der Einschränkung des Privateigentums noch deutlicher.

Die Verfassung der sozialistischen DDR schließlich schränkte das Privateigentum an Produktionsmitteln und an Grund und Boden entscheidend ein:

  • »Art. 22. Das Eigentum wird von der Verfassung gewährleistet. Sein Inhalt und seine Schranken ergeben sich aus den Gesetzen und den sozialen Pflichten gegenüber der Gemeinschaft. [...]
  • Art. 23. Beschränkungen des Eigentums und Enteignungen können nur zum Wohle der Allgemeinheit und auf gesetzlicher Grundlage vorgenommen werden. Sie erfolgen gegen angemessene Entschädigung, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt. Wegen der Höhe der Entschädigung ist im Streitfall der Rechtsweg bei den ordentlichen Gerichten offen zu halten, soweit ein Gesetz nichts anderes bestimmt.
  • Art. 24. Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch darf dem Gemeinwohl nicht zuwiderlaufen. Der Missbrauch des Eigentums durch Begründung wirtschaftlicher Machtstellung zum Schaden des Gemeinwohls hat die entschädigungslose Enteignung und Überführung in das Eigentum des Volkes zur Folge.
    Die Betriebe der Kriegsverbrecher und aktiven Nationalsozialisten sind enteignet und gehen in Volkseigentum über. Das gleiche gilt für private Unternehmungen, die sich in den Dienst einer Kriegspolitik stellen.
    Alle privaten Monopolorganisationen, wie Kartelle, Syndikate, Konzerne, Trusts und ähnliche auf Gewinnsteigerung durch Produktions-, Preis- und Absatzregelung gerichtete private Organisationen sind aufgehoben und verboten. Der private Großgrundbesitz, der mehr als 100 ha umfasst, ist aufgelöst und wird ohne Entschädigung aufgeteilt. Nach Durchführung dieser Bodenreform wird den Bauern das Privateigentum an ihrem Boden gewährleistet.
  • Art. 25. Alle Bodenschätze, alle wirtschaftlich nutzbaren Naturkräfte sowie die zu ihrer Nutzbarmachung bestimmten Betriebe des Bergbaues, der Eisen- und Stahlerzeugung und der Energiewirtschaft sind in Volkseigentum zu überführen.
  • Art. 26. Die Verteilung und Nutzung des Bodens wird überwacht und jeder Missbrauch verhütet. Die Wertsteigerung des Bodens, die ohne Arbeits- und Kapitalaufwendung für das Grundstück entsteht, ist für die Gesamtheit nutzbar zu machen. Jedem Bürger und jeder Familie ist eine gesunde und ihren Bedürfnissen entsprechende Wohnung zu sichern. [...]«

Soziale Menschenrechte

Tatsächlich konnte die DDR nur auf der Grundlage des gesellschaftlichen Eigentums an Produktionsmitteln sowie an Grund und Boden die Voraussetzungen für die Verwirklichung der sozialen Menschenrechte schaffen.

Zwar verpflichteten sich am 4. November 1950 mit der Menschenrechtskonvention auch die westlichen Staaten Europas, Menschenrechte als innerstaatliches Recht zu übernehmen. Am 7. August 1952 ist die Bundesrepublik Deutschland dieser Konvention beigetreten. Allerdings weist die europäische Menschenrechtskonvention bis heute eine für kapitalistische Länder charakteristische Lücke auf. Es fehlen die sozialen Menschenrechte (Artikel 22 bis 26) der UNO-Deklaration, namentlich:

  • das Recht auf soziale Sicherheit
  • Recht auf Arbeit, auf freie Berufswahl, auf gerechte und befriedigende Arbeitsbedingungen sowie auf Schutz vor Arbeitslosigkeit
  • das Recht auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit
  • das Recht auf Nahrung, Kleidung, Wohnung, ärztliche Versorgung
  • das Recht auf Bildung

Nur im angeblichen Unrechtsstaat DDR gab es keine Arbeitslosigkeit, keine Angst um eine bezahlbare Wohnung, es gab die kostenlose Betreuung der Kinder in Kinderkrippe und Kindergarten, gute Bildungsmöglichkeit, ein gut funktionierendes Gesundheitswesen ohne Zweiklassenmedizin. Und zwar als Rechtsanspruch.

Mauer, Stacheldraht, Stasi

Im Zuge der Konterrevolution 1990 sind diese Errungenschaften abgebaut worden und sollen dem Vergessen anheim fallen. Dazu gehört der Auftrag des damaligen Justizministers Kinkel an die bundesdeutsche Justiz, die Rechtsverhältnisse der DDR zu »delegitimieren«. Vordergründig gehört zu dieser Delegitimation der Komplex: Mauer, Stacheldraht, Stasi.

Es wurde eine spezielle »Zentrale Ermittlungsstelle Regierungskriminalität« geschaffen, geleitet von dem Berliner Generalstaatsanwalt Schaefgen.

Dann folgten 62.000 Ermittlungsverfahren gegen über 100.000 DDR-Bürger. Diese führten zu 1.212 Anklagen, das sind 1,2 %, und schließlich zu 300 Verurteilungen, davon 27 gegen Staatsanwälte und Richter wegen Rechtsbeugung und 20 gegen Angehörige des MfS. Von den 20 Verfahren gegen Angehörige des MfS endeten 12 mit einer Geldstrafe und 7 mit einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung.

Diese Zahlen stammen von Dr. Ernst August aus Dormagen, ein Jurist aus der DDR, der zu diesem Thema im DKP-Kreis Neuß am 15. Oktober referierte, er hat sie der Statistik des eben genannten Generalstaatsanwalts Schaefgen entnommen und dem Buch des Rechtsanwalts Friedrich Wolff.: »Einigkeit und Recht. Die DDR und die deutsche Justiz«.

Unser Freund Dr. Ernst August räumt ein, dass ungerechte Urteile überall vorkommen, wo Menschen über andere urteilen. Und ich kenne in der Tat einige schlimme Maßnahmen vor dem Hintergrund des Kalten Krieges, deren juristische Qualität heutiger Bewertung nicht stand halten würden.

Unrecht in der DDR

Ein Bespiel, das uns besonders berührt: Fritz Sperling (1911-1958) war ab 1950 stellvertretender Vorsitzender der KPD. Er wurde von Max Reimann im Januar 1951 ins Krankenhaus nach Berlin beurlaubt und am Abend des 26. Februar 1951 festgenommen. Er kam in das Gefängnis des MfS. Offenkundig erfolgte seine Verhaftung im Zusammenhang mit der Affäre um Noel Field. Damals waren Slansky, Rajk, Kostov, Gomulka und weitere Genossen Opfer hysterischer Verdächtigungen in den Volksdemokratien. Sie endeten zum Teil mit Todesurteilen. In der DDR konnte diese Zuspitzung vermieden werden. Die Verdächtigungen betrafen vor allem Genossen, die in der westlichen Emigration gewesen waren.

Am 18. März 1954 wurde Fritz Sperling vom Obersten Gericht der DDR zu sieben Jahren Zuchthaus als »Agent der Amerikaner« und wegen »Verbrechens gegen den Frieden« verurteilt. Er hätte in der Emigration »planmäßige Zersetzungsarbeit« geleistet, die »Spaltung Deutschlands« begünstigt und die »Entlarvung von Agenten in der KPD« verhindert. Im Mai 1954 kam er ins Zuchthaus Brandenburg, Anfang 1956 in das MfS-Gefängnis nach Berlin-Lichtenberg. Er bleibt weiterhin von der Außenwelt isoliert. Seine Frau Lydia, mit der er seit 1947 verheiratet ist, wusste fünf Jahre lang nicht, ob er noch lebt. Im November 1955 darf er ihr erstmals einen Brief schreiben. Mitte Februar 1956 wird ihm mitgeteilt, dass sie in einem Pflegeheim sei. Unmittelbar nach dem XX. Parteitag der KPdSU im Frühjahr 1956 kommt er frei. Am 8. März 1956 wird er als Begnadigter, nicht aber als Rehabilitierter entlassen.

Einer eingesetzten Kommission der KPD gibt er am 14. Mai 1956 die Geschehnisse ausführlich zu Protokoll. Am 8. Juni 1956 kommt die Kommission zum Ergebnis, dass Fritz Sperling völlig unschuldig ist.

Rechtssicherheit

Dr. Ernst August bestreitet indes, dass Menschen in der DDR unschuldig hingerichtet wurden, wie das in der langjährigen Justizpraxis der USA immer wieder geschieht. Die Todesstrafe wurde per Gesetz im Jahr 1987 abgeschafft, war aber im Jahr 1981 letztmalig vollstreckt worden. Sie wurde vor allem in Prozessen Anfang der 1950er Jahre gegen Nazi- und Kriegs-Verbrecher verhängt.

Ihm sei auch nicht in einem einzigen Fall von einer Parteileitung oder einem höheren Parteifunktionär eine Weisung oder auch nur eine Anregung gegeben worden, was er zu tun oder zu unterlassen hatte, und ihm seit da auch keine Einflussnahme auf ein Gericht bekannt.

Die DDR verfügte über eine gut ausgearbeitete Rechtsordnung und eine Rechtsprechung, die um Gerechtigkeit bemüht war. Jedes Urteil eines Kreis- oder Bezirksgerichts in Strafsachen wurde durch speziell dafür eingesetzte Richter des Obersten Gerichts innerhalb eines Jahres überprüft und konnte, wenn falsch entschieden war, kassiert werden. Eine Veränderung zum Nachteil des Verurteilten war ausgeschlossen.

Die DDR war kein Unrechtsstaat. Ihr Rechtssystem basierte auf einer Verfassung, die durch Volksentscheid bestätigt wurde. Das ist ein Vorzug, den das Grundgesetz, das immerhin beansprucht, dass alle Staatsgewalt vom Volke ausgehe (Art. 20,2), bis auf den heutigen Tag entbehren muss.

Grundgesetz und Gründung der BRD

Im Frühjahr 1948 hatte eine Konferenz von sechs Mächten, USA, GB, Frankreich und den drei Benelux-Ländern, in London getagt und Empfehlungen bezüglich Deutschlands beschlossen. Im Kommuniqué dieser »Sechsmächtekonferenz« vom März 1948 heißt es unter anderem: »Man war sich einig, dass im Interesse des politischen Gleichgewichts und wirtschaftlichen Wohlergehens der westeuropäischen Länder und eines demokratischen Deutschlands eine enge Verbindung ihres Wirtschaftslebens vorhanden sein muss. Da es sich als unmöglich erwiesen hat, die wirtschaftliche Einheit Deutschlands zustande zu bringen, und die Ostzone gehindert worden ist, ihre Rolle im europäischen Wiederaufbauprogramm zu spielen, sind die drei Westmächte übereingekommen, zwischen ihnen und den Besatzungsbehörden in Westdeutschland eine enge Zusammenarbeit in allen Angelegenheiten herbeizuführen, die sich aus dem europäischen Wiederaufbauprogramm in Bezug auf Westdeutschland ergeben. Eine derartige Zusammenarbeit ist unerlässlich, wenn Westdeutschland seinen vollen Beitrag zur Erholung Europas leisten soll.«

Auf der Grundlage dieser Empfehlungen verlangten am 1. Juli 1948 die drei westlichen Militärgouverneure von den Ministerpräsidenten der westdeutschen Länder eine verfassunggebende Versammlung und setzen einen Termin: 1. September 1948. Allerdings waren die Ministerpräsidenten zur offenkundigen Teilung Deutschlands nicht bereit. Die Lösung lag für Adenauer in der Idee eines »parlamentarischen Rates«, in den die Länder ihre Vertreter schicken sollten. Adenauer führte als Ältester ohne weitere Legitimation den Vorsitz. Für diesen Parlamentarischen Rat gab es keinerlei Rechtsgrundlage, weder in der Weimarer Verfassung noch im Potsdamer Abkommen. Aber er nahm am 23. Mai 1949 das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland an. Es ist weder von einem auf dieser Grundlage gewählten Bundestag beschlossen und schon gar nicht der Bevölkerung zur Abstimmung vorgelegt worden. Artikel 146 GG bestimmt es als vorläufig: »Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.« Auf diese Entscheidung warten wir noch.

Unrecht in BRD und USA

Ich habe heute mit Bedacht vermieden, über bundesdeutsches Unrecht zu sprechen, über ungerechte Urteile, über das Rechtssystem der Bundesrepublik. Das ergäbe ein weiteres Referat, das die Übernahme nicht nur von Richtern der NS-Zeit, sondern überhaupt der Beamten bei Polizei, Geheimdiensten und überhaupt von Regierungspersonal zum Thema machen müsste. Es würde vom politischen Strafrecht der BRD seit 1951, vom das KPD-Verbot und seinen Folgen, von Berufsverboten und von der Unterdrückung der Friedensbewegung der fünfziger und sechziger Jahre handeln, von der Abschaffung des Asylrechts und der Misshandlung der Flüchtlinge.

In diesen Tagen schreckt uns der Blick auf die Rechtszustände in den USA. Gestern zitierte die KR anlässlich des Justizskandals in Ferguson den Politologen Dr. Jason Johnson aus Ohio: ›Noch nie hat in diesem Land eine mehrheitlich weiße Jury einen weißen Polizisten verurteilt, der einen schwarzen Jugendlichen getötet hat.‹«

Köln-Mülheim
Klaus Stein, 27. November 2014

Bild: »Nachkriegsdeutschland in den heutigen Grenzen,
unterteilt in Besatzungszonen.« Quelle: Wikipedia
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Bild: »Nationalhymne der DDR«
Quelle: Wikipedia | gemeinfrei