Aus Kreisen & Gruppen

Düsseldorf plant Leuchtturmprojekt

Containerhafen in Emmerich.

BI «Hafenalarm» will Ausbau zum Containerhafen verhindern!

Industrie und Politik – mit Ausnahme der Linkspartei – sind fest entschlossen, an dem gigantischen Bauvorhaben festzuhalten, den kleinsten Industriehafen der Region in Düsseldorf-Holthausen zum modernsten trimodalen Containerterminal der EU auszubauen für den internationalen Hub (Drehkreuz) nach Osteuropa. Zumindest schwebte dies den Projektplanern ursprünglich vor, und vieles deutet darauf hin, dass sie diese Option auch weiterhin in der Hinterhand halten. Im Frühjahr haben die Stadträte Düsseldorf und Neuss gegen die Stimmen der Linksfraktion die Gründung der Projektgesellschaft «Hafen Düsseldorf-Reisholz Entwicklungsgesellschaft mbH» beschlossen, bestehend aus der städtischen Aktiengesellschaft Industrieterrain Düsseldorf-Reisholz (IDR) sowie der kommunalen Töchtergesellschaft Neuss-Düsseldorfer Häfen GmbH & Co. KG (NDH).

Letzte Woche wurde das Verfahren für die Änderung des Flächennutzungsplans sowie Aufstellung des Bebauungsplans «D.Port / Reisholzer Hafen» im Rahmen der nach «Stuttgart 21» verwaltungs-, aber auch baurechtlich vorgesehenen sog. «frühen Öffentlichkeitsbeteiligung» eingeleitet. Rund 200 Bürgerinnen und Bürger taten dort ihren Unmut kund hinsichtlich der Kurzfristigkeit der amtlichen Bekanntmachung (eine Woche) sowie der Auslage der Pläne (vier Tage), der mangelhaften Information (veraltetes Zahlenmaterial aus Gefälligkeitsgutachten) und der fehlenden Alternative eines Planes B bei schwerwiegenden Eingriffen in ökologisch geschützte Gebiete.

Auf den Weg gebracht hatten dies bereits im Rahmen des sog. «Masterplans Industrie», um den Standort zu entwickeln, im Jahr 2011 die IDR, IHK, sowie der Industriekreis –, allerdings auch unter Beteiligung des DGB!

Im Sommer 2012 lädt eine Projektgruppe «Ausbau des Hafens Reisholz», hinter der sich die NDH verbirgt, zu einem ersten so genannten «Bürgerdialog» ein – die Geburtsstunde der Bürgerinitiative Reisholzer Hafen, später mit dem Zusatz «Hafenalarm». Bereits früh beteiligt sich neben den Anwohner_inne_n, den NaturFreunden und der Linkspartei auch die DKP an den Aktivitäten der BI. Dem vorausgegangen war eine von der «Linken Süd» initiierte Podiumsdiskussion u. a. mit dem DGB, der sich auch dort, trotz aller nachvollziehbaren Kritik der anderen Teilnehmer, offen für das Projekt zeigte, und dies sogar auch künftig zu unterstützen gedenkt, wie er erst kürzlich in einer Presseerklärung bekräftigt hat: «Der Reisholzer Hafen ist wichtig für die Sicherung von industriellen Arbeitsplätzen», so der örtliche DGB-Vorsitzende Klaus Churt.

Der containerorientierte Hafenausbau sicherte aber keine Arbeitsplätze, erst recht schaffte er kaum neue. Selbst die Projektgruppe sprach von Arbeitsplätzen im lediglich zweistelligen Bereich, d. h. zehn bis 99. Die BI stellt dem gegenüber, dass die Ansiedlung von hafenaffinen Gewerbebetrieben auf der 35 bis 56 ha großen Planfläche (Ausbau in zwei Stufen; insgesamt stünden 108 ha zur Verfügung) mindestens ein 15faches Mehr an Arbeitsplätzen schaffte (im Vergleich zu dem an das Hafengebiet angrenzenden Segro-Gewerbepark, in dem 29,5 Arbeitsplätze auf 0,1 ha entfallen; nach dem im Juni d. J. nun endlich nach vierjähriger Verzögerung veröffentlichten Verkehrsgutachten, das wesentliche Problemstellen – Albrecht-Dürer-Berufskolleg, DHL-Zentrum, Schienenkreuzung Bonner-, Münchner-/ Niederheiderstraße – außer Acht lässt, entfielen 3,5 Arbeitsplätze auf 01 ha).

Aus gewerkschaftlicher Sicht kommt erschwerend hinzu, dass die «Leute, die in den digitalisierten Containerterminals anfangen, […] keinen Hafenarbeiterhintergrund [haben], das sind IT-Spezialisten. Es fließt sozusagen kein Gewerkschaftsblut in ihren Adern», so der nationale Sekretär der Hafenarbeitersektion der niederländischen Gewerkschaft FNV Bondgenoten, Niek Stam (Interview in jW v. 6.7.16).

Ein Problem von Anfang an: Legitimiert werden soll der Ausbau aufgrund eines vorgeblich lokalen Bedarfs der ortsansässigen Betriebe BASF, Henkel und Terex u. a. Gestützt wird dies auf die sog. «Bedarfsanalyse», ein von der Projektgruppe in Auftrag gegebenes Privatgutachten der einschlägig bekannten Firma Planco, in dem ein Warenumschlag von über 300 bis 450 Tausend TEU (internationale Einheit, entspricht 20 Fuß, ca. sechs Meter Länge) prognostiziert wird, ohne die Zahlengrundlagen offen zu legen; wie jetzt bekannt wurde, weil sich die Auftraggeber gegenüber den Unternehmen angeblich zur Geheimhaltung verpflichtet hätten. Alle anderen seriösen Zahlen zur Entwicklung im weltweiten Containerumschlag jedenfalls sprechen dieser «Analyse» Hohn; der Hamburger Hafen weiß davon ein Lied zu singen (vgl. FAZ v. 31.03.2016: «Der Hamburger Hafen setzt immer mehr auf die Bahn – Das Geschäft mit Schiffscontainern bietet nicht mehr genug Wachstum» v. C. Germis) oder nicht zuletzt das Milliardengrab «Jade Weser Port» (Burkard Ilschner, in: jW v. 16.2.16: «Schöngeredete Bilanz») –; dass das Ausbauprojekt Reisholzer Hafen dabei mittlerweile auch unter «D.Port» firmiert, ist nur eine traurige Analogie. Entsprechend sinnvoller wie umweltfreundlicher wäre der längst geplante und in den Niederlanden bereits fertig gestellte Ausbau der sog. Betuwe-Linie (Oberhausen – Zevenaar) bzw. des «Eisernen Rheins» (Duisburg – Antwerpen). Von lokalem Bedarf kann indes keine Rede sein: BASF verschifft Flüssiggut, Terex Stückgut und Henkel hat erst kürzlich ein Hochregallager errichten lassen, weil der LKW-Transport rentabler für das Großunternehmen ist.

Den LKW-Verkehr auf das Wasser zu verlagern, bedeutete doppelte Feinstaub- und Stickstoffbelastung für die Wohnbevölkerung entlang des Rheins. Deren ungefilterter Ausstoß ist bei Binnenschiffen ungleich höher als bei LKW; zudem nähme der Verkehr erheblich zu. Dass er dabei gleichzeitig auf den Zubringern Münchner Schnellstraße und A 59 abnähme, vermochten NDH auch nach Vorlage des Verkehrsgutachtens nicht plausibel darzulegen.

Tatsächlich geht es um die Hinterlandanbindung der ZARA-Seehäfen (Zeebrügge, Antwerpen, Rotterdam und Amsterdam); dabei soll der kleine Reisholzer Hafen nicht nur als landesbedeutsam, sondern gleich als Hafen im «EU-Kernnetz» (!) aufgewertet werden – trotz nach wie vor zurückgehenden Wachstums.

Ganz zu schweigen von den anderen schwerwiegenden ökologischen Belastungen: Mit dem Hafenausbau einher geht die geplante Rheinvertiefung.

Die Landesregierung will um eine Aushebung des Flusses auf 2,80 m kämpfen, wie NRW-Verkehrminister Groschek bei der Vorstellung des Landeshafenkonzepts in den Düsseldorfer Rheinterrassen im Frühjahr unlängst verkündete; dies bedeutete die Trockenlegung, mithin Vernichtung der zusammenhängenden Naturschutzgebiete: Himmelgeister und Uedesheimer Rheinbogen, Benrather Schloßpark, Urdenbacher Kämpe sowie Zonser Grind als ausgewiesene Naturschutz- bzw. Flora-Fauna-Habitat-Gebiet der EU (Natura 2000), insbesondere wegen der sich dort befindenden Fischlaichgründe von geschützten und zum Teil wieder angesiedelten Arten wie Lachs, Flussneunauge, Maifisch, Rhein- oder Nordseeschnäpel!. Gerade die Urdenbacher Kämpe wurden erst kürzlich aus EU-Mitteln in einem Millionenprojekt renaturiert.

Die Flussvertiefung verstieße zudem eklatant gegen die EU-Wasserrahmenrichtlinie, die nicht nur ein Verschlechterungsverbot der Wasserqualität, sondern darüber hinaus sogar ein Verbesserungsgebot vorsieht, was mit der Vertiefung nicht zu erreichen sein wird. Deutliche Hinweise gehen insoweit von den jüngsten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur geplante Elb- und Weservertiefung aus, die – wenn überhaupt – nur unter strengen Auflagen möglich wären.

Der Landesentwicklungsplan habe laut Groschek auch Schutzschirmfunktion gegenüber dem Bund und den Kommunen sowie «anderem Ungemach» – wie einer Bürger_inneninitiative? Damit ist deutlich geworden, dass das Problem weit über ein kommunalpolitisches hinaus reicht. Der Bezirk Rheinland-Westfalen war deshalb gut beraten, den Widerstand gegen den geplanten Hafenausbau in seinen aktuellen Arbeitsplan aufzunehmen. Duisburg hat als landeseigener Hafen Überkapazitäten; dort schadet die privatwirtschaftliche Konkurrenz. Die Situation enormer «Überkapazitäten vor allem beim Containerumschlag» wird laut dem Gewerkschaftssekretär Stam (jW v. 6.7.16) noch «mindestens zehn Jahre anhalten». In einem vernünftigen System zumindest landesweiter wirtschaftlicher Planung ließe sich das Problem leicht lösen. Dagegen haben Düsseldorf und Neuss ihren Haupthafen bzw. das Hafenbecken eins zu Vergnügungsmeilen, Medienhafen und Uferpark, umgebaut. Nach dem Profitprinzip muss wohl auch in Düsseldorf ein Millionengrab geschaufelt werden. Leidtragende wird ausschließlich die arbeitende Bevölkerung sein, profitieren werden alleine die Investoren.

Mittlerweise hat auch der BUND für Umwelt und Naturschutz das Problem in den Fokus genommen, zusammen mit der Bürgerinitiative «Hafenalarm» vor den Düsseldorfer Rheinterrassen demonstriert und in einer gemeinsamen Presseerklärung verlautbart: BI und BUND befürchten «zudem eine weitere Verschärfung der Luft- und Lärmsituation im Düsseldorfer Süden. Bei bis zu 1.200 zusätzlichen LKW-Fahrten würden die Anwohner durch zusätzliche Immissionen gefährdet». Die Belastung durch einen 24-Stunden-Betrieb, nächtliches Flutlicht und den Impulslärm wäre nach den Ergebnissen des «Medizinischen Instituts für Umwelthygiene» der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf in einem Umkreis von bis zu 1,8 km unzumutbar. Unmittelbar davon betroffen wären Wohngebiete in Himmelgeist Holthausen, Itter, Reisholz, Wersten, im Benrather Norden, einschließlich Schlosspark, Urdenbach sowie der Zonser Grind, nebst Campingplätzen, Fährhaus Pitt-Jupp –, von den Naherholungsgebieten für die dort arbeitende und lebende Bevölkerung ganz zu schweigen. Für sie bedeutete Düsseldorfs Leuchtturmprojekt nur Nachteile.

Für einen Erfolg der BI wäre allerdings ein Zusammenschluss mit den Belegschaften der lokalen Betriebe und Vereine wie in Köln, Meerbusch und Krefeld (vgl. RP v. 18.5.16) erforderlich.

In Köln hat sich die Schwarz-Grüne-Koalition nach 30jährigem Kampf der Aktionsgemeinschaft contra Erweiterung Godorfer Hafen zur Rettung der Sürther Aue nunmehr auf eine Beendigung des 70-Millionen-Projekts verständigt, nachdem das Oberverwaltungsgericht Münster 2010 den Baustopp verfügt und das Bundesverwaltungsgericht im letzten Jahr das Planfeststellungsverfahren aufgehoben hat.

Keine Partei ist so verkommen wie die Bündnisgrünen. Aber wer Krieg führt, dem ist auch alles andere zuzutrauen. Ausgerechnet die verweisen nun auf die Planungen des Hafenausbaus in Düsseldorf-Holthausen. Die Grünen vor Ort begnügen sich damit, den Ausbau «kritisch begleiten» zu wollen.

Text: Tim Engels
gekürzte Fassung in UZ vom 22.07.2016
Foto: I.Lang


Weitere Informationen: http://www.hafenalarm.de/