Köln

Kalle zwangsgeräumt

Über­zeu­gungs­ge­walt

Fotozusammenstellung: 4 Fotos von der Zwangsräumung.

Mittwoch, 16. April 2014. Ei­ne De­mons­tra­ti­on von Staats­ge­walt. Die obs­zö­ne Ma­ni­fes­ta­ti­on der Macht der Rei­chen. Die Ar­men wer­den är­mer, die Rei­chen rei­cher und wer es sich nicht leis­ten kann, muss eben raus aus der Woh­nung. Das sind Ge­walt­ver­hält­nis­se und sie sol­len so blei­ben. Of­fen­bar glau­ben die Herr­schen­den mitt­ler­wei­le, auf Zu­stim­mung ver­zich­ten zu kön­nen.

Am 20. Fe­bru­ar konn­te noch ver­hin­dert wer­den, was heu­te mit mas­si­vem Po­li­zei­ein­satz durch­ge­setzt wur­de, die Zwangs­räu­mung von Kal­le Ge­rigk. Meh­re­re Hun­dert­schaf­ten hat­ten nachts das Agnes­vier­tel be­la­gert. Um 2.00 Uhr wird die Fon­ta­ne­stra­ße ab­ge­sperrt. Po­li­zis­ten ho­len die so­li­da­ri­schen Blo­ckie­re­rin­nen und Blo­ckie­rer aus dem Trep­pen­haus der Fon­ta­ne­stra­ße 5. Über­all hän­gen noch die so­li­da­ri­schen Trans­pa­ren­te an den Bal­kons und aus den Fens­tern. Die Nach­barn wol­len, dass Kal­le bleibt.

­Mor­gens um Sie­ben sam­meln sich die De­mons­tran­ten. Rol­li Brings singt ge­gen die Rei­chen an, Klaus der Gei­ger lässt grü­ßen, er ist er­käl­tet. Hup­ke, der grü­ne Be­zirks­bür­ger­meis­ter der In­nen­stadt ist da, eben­so Stadt­rä­te der Links­par­tei. Mat­thi­as Birk­wald, MdB, so­li­da­ri­siert sich. Die SPD fehlt. Ihr Frak­ti­ons­vor­sit­zen­der im Stadt­rat, Mar­tin Bör­schel, hat­te sich un­be­liebt ge­macht, weil er Kal­le über­re­den woll­te, frei­wil­lig aus­zu­zie­hen. In den Ta­gen vor der Ak­ti­on gab es vie­le So­li-Adres­sen, pro­mi­nent dar­un­ter: Jür­gen Be­cker, Gün­ter Wall­raf, Han­nes Wa­der, Wil­fried Schmick­ler und nicht zu­letzt der Pfar­rer der ka­tho­li­schen Pfarr­ge­mein­de St. Agnes, Frank Mül­ler. Mit gro­ßer Sor­ge be­ob­ach­te er die so­ge­nann­te Gen­tri­fi­zie­rung des Agnes­vier­tels. Er wün­sche sich ein aus­ge­gli­che­nes so­zia­les Mi­lieu, das zur­zeit durch sol­che Ak­tio­nen be­droht sei. Es ge­be da so man­che Op­fer, Kal­le Ge­rigk sei ein be­son­de­res Bei­spiel da­für. Er be­nö­ti­ge un­ser al­ler Un­ter­stüt­zung. Kal­le ste­he wirk­lich für al­le, die auf der Stre­cke blei­ben bei Im­mo­bi­li­en­spe­ku­la­tio­nen.

­Nor­bert Bau­er, Pas­to­ral­re­fe­rent der ka­tho­li­schen Pfarr­ge­mein­de St. Agnes: »Ich be­ob­ach­te mit Sor­ge, dass auch im Agnes­vier­tel Wohn­raum für vie­le nicht mehr be­zahl­bar ist.«

As­trid Glo­ria, Zau­ber­künst­le­rin und Ka­ba­ret­tis­tin: »Vor­ge­scho­be­ner Ei­gen­be­darf und ei­ne Recht­spre­chung, die ge­wach­se­ne Struk­tu­ren zer­stört und skru­pel­lo­se Ge­winn­ma­xi­mie­rung för­dert, ge­hö­ren in das Licht der Öf­fent­lich­keit. Der Pro­test da­ge­gen ist köl­sche Bür­ger­pflicht. Für Kal­le! Für Köl­le! Und für ei­ne le­bens­wer­te Stadt, die wir uns leis­ten kön­nen!«.

­Kon­stan­tin We­cker schreibt: »Lie­ber Kal­le, auch im fer­nen Bay­ern denkt man an Dich. Ois gua­de – wir Münch­ner wis­sen, was es hei­ßt, das Bett un­ter sei­nem Hin­tern weg­sa­niert zu be­kom­men. Kämpf wei­ter! Dein Kon­stan­tin«.

­Der Ka­ba­ret­tist Thi­lo Sei­bel: »Es ist ein fa­ta­les Si­gnal, wenn ein Ge­richt wie in die­sem Fall ei­nen of­fen­sicht­lich ge­lo­ge­nen Ei­gen­be­darfs-An­spruch über die In­ter­es­sen ei­nes Mie­ters stellt. Es ist ein fa­ta­les Si­gnal, wenn auch in Köln im kon­kre­ten Fall von Herrn Ge­rigk Ka­pi­tal­in­ter­es­sen über exis­ten­zi­el­le Men­schen­rech­te ge­stellt wer­den.«

­Der De­mons­tra­ti­on der Staats­ge­walt folgt ei­ne spon­ta­ne De­mons­tra­ti­on durch das Agnes­vier­tel bis zum Haupt­bahn­hof. Es wird nicht die letz­te blei­ben. Denn mit der Bo­den- und Grund­stückspe­ku­la­ti­on, die das Woh­nen un­be­zahl­bar macht, neh­men die An­läs­se zu. Und Kal­le will da­bei blei­ben. Sei­ne Hal­tung wird an­de­re er­mu­ti­gen, sich zu weh­ren.

Text und Fotos: Klaus Stein