Kultur

ausgerechnet den?

Freiheitsstatue weint.

Nein, das folgende Gedicht ist selbstverständlich auf einen anderen gemünzt. Zwar wurde der auch unterschätzt. Aber wir hüten uns, die beiden gleichzusetzen, auch wenn wir sie vergleichen. Erst recht verbietet es das Versmaß, in der zweiten Zeile an die Stelle Deutschlands das Wort Amerika zu setzen.

ausgerechnet den?

Manch gekrönter Abenteurer
Hat in Deutschland schon regiert,
Manche polternden Erneurer
Haben uns schon angeführt.
Viel war nie davon zu halten;
Doch man konnt es noch verstehn:
Diese, auch als Staatsgewalten,
Waren immerhin Gestalten –
Aber ausgerechnet den?

Wär nun in der Zeit der Krise
Irgendeiner aufgetaucht,
ein Prophet, ein Kerl, ein Riese,
Wie die rauhe Zeit ihn braucht,
Gleich als Tempelstürmer kenntlich,
Ein Rebell, ein Phänomen,
Wo die Menge ruft: na endlich,
Alles wäre noch verständlich –
Aber ausgerechnet den?

Diesen …umschwänzler,
Diesen tristen Hampelmann,
Diesen faden Temperenzler,
Der’s nicht mal mit … kann,
Diesen Selterwassergötzen,
Dies Frisörmodell auf schön,
Davon lasst ihr euch beschwätzen?
Und man fragt sich mit Entsetzen:
Aber ausgerechnet den?

Später einmal unsre Kinder
Sehn ihn im Panoptikum.
Um den ausgestopften Schinder
Stehn sie dann verwundert rum.
Und sie werden von euch sagen:
Alles könnte man verstehn,
Was das Volk in frühern Tagen
An Gestalten schon ertragen…
Aber ausgerechnet den?

Erich Weinert – Der Führer, 1933


youtube: Ernst Busch «ausgerechnet den»