Koalitionsvertrag NRW ein «Schurkenstück»

 Christian Lindner und Armin Laschet.

Kniefall
geschafft!

CDU und FDP haben im Trump-Dorf an der Düssel den Koalitionsvertrag der zukünftigen Landesregierung präsentiert. Was ist neu? Was ändert sich? Eine kleine Analogie gefällig? Der bisherige Vorstandsvorsitzende von REWE, Alain Caparros, wechselt nach der Eindampfung der Arbeitsplätze bei Kaiser’s von REWE zu C&A. Ein Spitzenarbeitsplatz wird neu besetzt. Das Ziel ist auch hier geblieben: Die Optimierung kapitalistischer Gewinnorientierungen.


In der Präambel des Koalitionsvertrages gibt es die Verallgemeinerung für diese Zielgruppen: «Unsere großen Unternehmen und unsere stark mittelständisch geprägte Wirtschaft in Handwerk, Industrie und freien Berufen sind untrennbar in Wertschöpfungsketten miteinander verbunden.» Das wird ideologisch verbrämt: «Christdemokraten und Freie Demokraten nehmen den Auftrag an, unser Land freier, sicherer und moderner zu gestalten.» Generell gilt für alle Politikfelder: Wenn es der Wirtschaft gut geht, dann geht es auch den anderen Bereichen – etwa den Armen, den Kindern, den Schulen … – gut: «Eine bessere Wirtschaftspolitik, die die Potenziale Nordrhein-Westfalens freisetzt und die von Armut bedrohten Familien in Lohn und Brot bringt.» Dazu ein Placebo: «Nicht die Familie muss wirtschaftsfreundlicher, sondern die Wirtschaft muss familienfreundlicher werden.» Damit das geglaubt wird, soll das Fach «Wirtschaft» wenigstens für die weiterführenden Schulen eingeführt werden. Und das gleich für 30 Eliteschulen. Von mehr mit Landesmitteln geförderten Schwimmhallen zur Absicherung des Schwimmunterrichts und zur Vermeidung tödlicher Badeunfälle von Nichtschwimmern ist nicht die Rede. Als Ausweg könnten im Sinne der Koalitionsstrategie auf öffentlich-private Konstruktionen gesetzt werden, also ÖPPs. Zur Linderung der kommunalen Finanznot könnte allerdings auch ein – z. B. von der DKP geforderter – Schuldenschnitt dienen. Davon steht nichts im Vertrag.

Aufholen mit Digitalisierung. Fünf Milliarden für die Infrastruktur, 100 Millionen für die Kommunen. 1 000 Euro pro Start-up-Unternehmen. Im Monat. Das Gesamtvolumen und die Dauer bleiben allerdings nebulös. Wann und wie die prognostizierten Gewinne für die Finanzierung aller Kindertagesplätze ankommen, bleibt ungenannt. Damit die Finanzströme schneller fließen können, muss «entschlackt» werden: Schnellere Genehmigungen in den Verwaltungen. Zum Beispiel kaum Kontrolle zur Einhaltung des Tariftreue- und Vergabegesetzes. Oder Verwaltung ganz raus: für acht Sonntagsöffnungen (gegen VerkäuferInnen, gegen ver.di, gegen bestehende Verwaltungsgerichtsurteile). Oder die Hygiene-Ampel, die die Sauberkeit eines Betriebes anzeigen sollte. Die wird ganz abgebaut. Das schützt die Schmutzfinken und hält die Kunden in der Ahnungslosigkeit. Das «Lex Bayer», das SPD und Grüne, CDU und FDP einstimmig für den Bau der hochgiftigen CO-Pipeline beschlossen hatten, wird im Koalitionsvertrag bestätigt: «Rohrfernleitungen sind … ein unverzichtbares Element». Dagegen wird ein anderes «Verbundsystem» gekappt: Alternative Energie wird nicht mehr privilegiert. Und Windkraftanlagen wird das Baugelände weitgehend entzogen. 1 500 Meter Abstand in Zukunft zur Wohnbebauung. Die «Alternative»: Bahn frei für Braunkohlebagger. Freie Bahn auch für die Lang-LKWs.

Wenn sich CDU und FDP so sehr um die Freiheit der Wirtschaft sorgen, dann ist es nur konsequent, wenn sie der inneren Sicherheit viel Platz einräumen. Mit Wolfgang Bosbach haben sie einen Vielsprecher als PR-Mann in dieser Angelegenheit engagiert. Bosbach war von Beruf Supermarktleiter. Jetzt ist er MdB und Rechtsanwalt. Er kennt alle Seiten. Auch die Schatten an seiner rechten Flanke, Einbürgerung wird von wirtschaftlichem Nutzen abhängig gemacht. Und umgekehrt: schnellere Abschiebung und Sachleistungskarten» statt Taschengeld. Algerien, Marokko und Tunesien sind sichere Länder, wissen Herr Laschet und Herr Lindner.

Ein Witz wurde auch in den Koalitionsvertrag eingebaut: «Jeder Mensch soll selbst bestimmen können, wo und wie er lebt. Das gilt auch für Menschen mit Pflegebedarf.» Diese Zuordnung betrachtet die DKP angesichts der zunehmenden Altersarmut als Ausdruck von blankem Zynismus. Mit dabei: Schleierfahndung aus gegebenem Anlass. Fahndung nach Clanzugehörigkeit. Fußfesseln für Gefährder. Vorbeugende Inhaftierung für sieben Tage. Aber kein Blitzmarathon gegen Autoraser. Als der Kabarettist Tobias Mann kürzlich den Prix Pantheon moderierte, setzte er die Pointe gegen den smarten FDP-Vorsitzenden: «Sieht von weitem gut aus, aber die Inhalte sind nicht zu genießen.» Lindner ist nur der kleinere Koalitionspartner in dem an Einwohnern größten deutschen Bundesland, aber passt genau auf seinen Herrn Laschet von der CDU.

Uwe Koopmann, UZ 30.06.2017
Foto: Olaf Kosinsky CC BY-SA 3.0 DE