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Vor den Landtagswahlen – eine Bilanz

15. April 2012 | Rede der Vor­sit­zen­den des Bezirks Rhein­land-West­fa­len auf der Landes­mit­glie­der­kon­fe­renz der DKP in Bottrop


Bilanz der SPD/Grüne-Regierung seit 2010 und der Tätigkeit der Partei Die Linke im Landtag

Logo: DKP mit Stern.

 

Liebe Genossinnen und Genossen,

die Landes­regie­rung unter Hanne­lore Kraft hat keine zwei Jahre gehalten. Gestattet mir, dass ich mit einem Rück­blick etwas weiter aushole.

 

Am 21. April 1997, vor ziemlich genau 15 Jahren, hatte der franzö­sische Staats­präsi­dent Jacques Chirac die National­versamm­lung aufge­löst und Neu­wahlen ausgerufen. Über­raschend gewannen aber die Sozialis­ten die Wahl.

 

Chirac mußte am 2. Juni 1997 Jospin zum Premier­minister ernennen. Jospins Regie­rung gehör­ten auch zwei Kom­mu­nis­ten an. Vor allem aber: mit dem Gesetz zur 35-Stunden-Woche wurde ein wichtiges Wahl­ver­spre­chen eingelöst. Einige Monate darauf, im Oktober 1997, ent­zog die Rifon­da­zione Comu­nista der italieni­schen Regie­rung ihre Unter­stüt­zung. Es ging ihr um die Ver­hin­de­rung der Kür­zung von Ren­ten und Pensio­nen. Kurze Zeit schien es, als wenn die Kom­mu­nis­ten politi­schen Spiel­raum verlie­ren würden. Aber sie mobili­sier­ten überall im Lande, es gab Massen­demons­tra­tio­nen, und erst, nachdem im neuen Regierungs­programm die 35-Stunden-Woche verspro­chen worden war, konnte sich Prodi wieder auf eine Mehr­heit stützen. Nicht nur in diesen beiden Euro­päischen Ländern wurde der Protest gegen Arbeits­losig­keit mit der Forderung nach Arbeits­zeit­ver­kür­zung verknüpft.

 

Der eine oder andere wird sich erinnern, dass das Jahr 1998 in ganz Europa durch Arbeits­lo­sen­pro­tes­te geprägt war.

 

Die Proteste hatten eine hinrei­chen­de Wucht, um Helmut Kohl, der seit 1982 im Amt war, als Bundes­kanzler durch Gerhard Schröder abzu­lösen. Schröder gab in seiner Regie­rungs­erklä­rung zu: »Die Bundes­re­gie­rung ist sich völlig im klaren darüber, daß sie ihre Wahl wesent­lich der Erwar­tung verdankt, die Arbeits­losig­keit wirksam zurück­drän­gen zu können.«

 

Diese Arbeitslosigkeit war indes nicht einer konjunk­turel­len Delle zu verdanken. Denn im Jahre 1997 hatte es ein Wirt­schafts­wachs­tum von 2,3 Prozent gegeben. Aller­dings war auch die Arbeits­pro­duk­ti­vi­tät gestiegen, die sogar um 3,7 Prozent. Nicht zufällig war am Ende des Jahres die Zahl der Arbeits­losen um 1,4 Pro­zent höher als zu Beginn. Wenn die Produk­tion hinter der Produk­ti­vi­tät zurück­bleibt, wird entlas­sen, solange Profit der Maß­stab des Wirt­schaf­tens bleibt. Diesen Zusam­men­hang wollte die neue Regierung vertuschen, um den Druck auf die Arbeits­zeit abzu­wehren. Die durfte nämlich auf keinen Fall gekürzt werden. Im Gegenteil.

 

Im Juni 1999 entstand das Schröder-Blair-Papier. Das gab vor, ein Moder­ni­sie­rungs­kon­zept zu formu­lieren. Es ging aber in dem Papier um eine konzern­freund­lichere Ausrich­tung der Euro­pä­ischen Sozial­demo­kratie. Der Sozial­abbau wurde »Reform der Sozial­systeme« genannt, die Minderung der Löhne bekam den Namen »Flexi­bili­sie­rung der Arbeits­märkte« – im Kern wurde die Agenda 2010 vom Früh­jahr 2003 vor­weg­ge­nom­men, deren Grund­aus­sage Euch geläufig ist.

 

Im Schatten des Jugo­slawien­krie­ges, der damals große Auf­merk­sam­keit bean­spruch­te, folgte die rot-grüne Bundes­regie­rung bis in die Formu­lie­run­gen hinein dieser Linie. Folg­lich strich sie im Juni 1999 die Arbeits­lo­sen­hilfe für Jugend­liche, sorgte für die Min­de­rung der Bemes­sungs­grund­lage der Sozial­ver­siche­rungs­bei­träge bei Arbeits­losen sowie für weitere Ein­spa­run­gen bei Arbeits­losen­geld und Arbeits­losen­hilfe. Erlös dieses Manö­vers: 10,4 Mil­liar­den DM. Begründung in allen drei Fällen: Erhöhung des Anrei­zes zur Auf­nahme bezahl­ter Arbeit.

Auch Lafontaine tutete damals in dieses Horn, als er »Arbeits­losen­geld nur bei Bedürf­tig­keit« gewäh­ren wollte. Sein Rück­tritt als Finanz­minister im März zusam­men mit dem Schröder-Blair-Papier vom Juni 1999 markieren end­gültig den Kurs­wechsel der SPD.

 

Der 98er Sieg der SPD ist folgerichtig schon 1999 wieder ver­spielt gewesen. Was sie den arbei­ten­den Menschen, den Rent­nern und Arbeits­losen nahm, reichte die Regie­rung an die Reichen in Gestalt von Steuer­erleich­te­run­gen weiter. Allein unter Eichel, der im März 1999 Lafon­taine als Finanz­minis­ter ablöste, wurde den Konzer­nen im Jahr 2001 durch eine Kür­zung der Kör­per­schafts­steuer 25 Mil­liar­den DM pro Jahr geschenkt. Die drastische Um­ver­tei­lungs­poli­tik hielt seither an und hat die Zahl der SPD-Wähler, die 1998 bei über 20 Mil­lio­nen lag, innerhalb von 10 Jahren auf weniger als 10 Mil­lio­nen halbiert.

 

Im September 1999 verlor die SPD in NRW große Teile ihrer tradi­tio­nel­len Wähler­schaft bei den Kom­mu­nal­wah­len. Diese Nieder­lage hatte haupt­säch­lich die Wahl­ent­hal­tung vor­ma­liger SPD-Wäh­ler bewirkt. Die Wahl­betei­li­gung ging auf 58, in den kreis­freien Städten sogar auf 50,6 % zurück.

Die CDU kam 1999 landesweit auf 52,8 % (1994 43,6 %), gewann in fast allen Gemeinde­räten des Landes die Mehr­heit mitsamt den Bürger­meis­ter­pos­ten. Es war ein Erd­rutsch. Das stetige Schwin­den von Zu­stim­mung zur SPD hat sicher mit der De­indus­tria­li­sie­rung des Ruhr­ge­biets zu tun, dieser Ein­bruch von 1999 aber wurde durch den offe­nen und bruta­len Sozial­abbau der Bundes­re­gie­rung bewirkt. Schröder indes hielt an seiner Linie fest.

 

Neben den Arbeiter­haus­hal­ten belas­tete der Sozial­abbau insbeson­dere die Kom­munen. Die nahmen ihre finan­zielle Lage zum Anlass, das so genann­te Tafel­silber zu ver­kau­fen, zu priva­ti­sie­ren, was nicht niet- und nagel­fest war. Da gab es vieler­lei Formen. Eine heißt Leasing. Man ver­kauft und mie­tet die Ein­rich­tun­gen zurück. Kurz­fris­tig wird ein Plus im Haus­halt ausge­wie­sen, lang­fristig wird es teuer. Wenn dieses Leasing über die Grenze geht, heißt es Cross Border Leasing. Hier wurden zusätz­liche Erlöse auf der Grund­lage von Steuer­lücken nament­lich der USA erzielt, bis der Gesetz­geber dort diesem Betrugs­sys­tem ein Ende setzte. In vielen NRW-Gemein­den werden gegen­wärtig unter hohen Verlus­ten derar­tige Verträge still­schweigend rück­abge­wickelt. Aber immer noch lassen sich die Kom­munen zu so genannten PPP-Geschäften verführen, Private-Public-Partner­ship. Ein Investor bietet den Bau herrlicher Gebäude an. In Köln lockte der Oppen­heim-Esch-Fonds mit dem Neu­bau eines Rat­hauses, der Messe und anderer Schmuck­stücke. Er geht in Vor­kasse, will dann aber hohe Miete. Nur sehr wenige Menschen verdienen damit Geld, viel Geld. Die Stadt muss zahlen, im Falle der Messe waren es 300  Mil­lio­nen mehr, als wenn Köln sie in Eigen­regie gebaut hätte. In Düssel­dorf ist 1999 von der dama­li­gen VEBA, heute Eon, per PPP der Kunst­palast und das Kunst­mu­seum priva­ti­siert worden. In der Stiftung Museum Kunst Palast hat Eon das Sagen, aller­dings geht dem Konzern gegen­wärtig das Geld aus und nun ziert er sich, wenn es um Geld geht.

Alle diese Maß­nah­men haben selbst­ver­ständ­lich die Kom­mu­nen weiter in die Schul­den­falle getrieben.

 

Beispiel Mül­heim/Ruhr: auch hier bekam die CDU 1999 die Mehr­heit. Dr. Jens Baganz von der CDU gewann ganz knapp. Er machte sich so­gleich beherzt ans Priva­ti­sie­ren. Es wurde in Mül­heim nicht lange disku­tiert. Die Wasser­werke, die Trink­wasser­lei­tun­gen, die Müll­ent­sor­gung, die Ab­was­ser­ent­sor­gung, die Ver­sor­gung mit Gas und Fern­wärme, der städti­sche Nah­ver­kehr – alles weg und das meiste zu Freund­schafts­preisen an den Konzern RWE, in dessen Auf­sichts­rat der Mül­hei­mer OB einen Sitz hat und sich reich­lich mit etwa 100 000 DM/Jahr bezahlen ließ. In der Öffent­lich­keit wurden die Privati­sie­run­gen nicht disku­tiert, selten in der Lokal­presse. Zumal damals in allen anderen Städten NRWs ähn­liche Kon­zepte um­ge­setzt wurden.

Im Januar 2005 trat Hartz IV in Kraft, im Mai 2005 verloren SPD und Grüne die Land­tags­wahl im größ­ten Bundes?land. Die Schrö­der-Re­gie­rung musste Neu­wahlen im Herbst des Jahres anset­zen und wurde vor­zei­tig durch eine Große Koalition abgelöst.

 

Der Sieg von Rütt­gers war der Start­schuss für weitere Priva­ti­sie­rungs­re­ge­lun­gen. Dr. Baganz, der sich offen­kun­dig dafür in Mül­heim quali­fi­ziert hatte, wurde Staats­sekre­tär im Wirt­schafts­minis­te­rium und mit der jetzt fälligen Neu­fas­sung der Gemeinde­ord­nung befasst. Durch sie sollte die wirt­schaft­liche Tätig­keit der Städte und Gemein­den ein­ge­schränkt werden. Anders gesagt, es wurde ein gesetz­licher Zwang zur Privati­sie­rung geschaffen.

 

Die Landes­regie­rung schritt beim Priva­ti­sie­ren voran und verkaufte die landes­eigene LEG an eine Heu­schrecke, an Whitehall, ein Fonds, der zu Goldman Sachs gehört. Pro Wohnung wurden bei diesem Verkauf gerade mal 5000 Euro erlöst, bei einem Gesamtpaket von fast 100 000 Wohnun­gen. Das war ein Geschenk. Gegen­wärtig erfah­ren die Mieter, was pas­siert, wenn diese Woh­nun­gen nicht mehr nach sozia­len Maß­gaben, sondern allein nach Profit­gesichts­punk­ten bewirt­schaf­tet werden.

 

Merkwürdig ist nur, dass in den vergan­ge­nen beiden Jahren weder durch die SPD-Grüne-Landes­re­gie­rung die Rück­füh­rung der LEG-Wohnun­gen in Landes­eigen­tum beför­dert noch von der PDL gefor­dert worden ist.

 

Als eine ihrer ersten Amts­hand­lungen hat die Regie­rung unter Han­ne­lore Kraft eben diese Gemeinde­ordnung geän­dert. Diese Ände­run­gen charak­te­ri­sie­ren ganz tref­fend, was heute sozial­demo­kra­ti­sche Poli­tik heißt.

 

In die GO wurde zunächst ein neuer § 107 a ein­ge­führt. Er lautet:

»(1) Die wirt­schaft­liche Betä­ti­gung in den Berei­chen der Strom-, Gas- und Wärme­versor­gung dient einem öffent­li­chen Zweck und ist zulässig…«

Dieser Satz sagt nichts ande­res als die alte Fas­sung der Gemein­de­ord­nung, in der in § 107,3 den Gemein­den die energie­wirt­schaft­liche Betä­ti­gung als eine von drei Aus­nah­men zuge­stan­den wird. Er dehnt die wirt­schaft­liche Betä­tigung der Gemein­den nicht weiter aus, als schon in der alten Gemein­de­ord­nung vor­ge­se­hen. Eigent­lich überflüssig.

 

SPD und Grüne behaup­te­ten bei der Vor­lage der Novelle der GO, dass sie das Gemeinde­wirt­schafts­recht wieder in den Stand vor der Gesetzes­än­de­rung im Jahr 2007 bringe.

Liebe Genossinnen und Genossen, eine Priva­ti­sie­rungs­bremse ist aber daraus nicht geworden. Nach wie vor legt die Gemeinde­ord­nung Priva­ti­sie­run­gen nahe und regelt sie. Der gegen­wär­tige Zustand des Landes verlangt zusam­men mit der Landes­verfas­sung aber etwas ganz anderes, nament­lich ein Sozia­li­sie­rungs­ge­setz nach Artikel 27, das regelt, wie Groß­betriebe der Grund­stoff­indus­trie und Unter­neh­men, die wegen ihrer mono­pol­arti­gen Stel­lung beson­dere Bedeu­tung haben, in Gemein­eigen­tum zu über­füh­ren sind. Es sind nicht zuletzt die Energie­kon­zerne, unter ihnen nament­lich RWE in Essen und Eon in Düssel­dorf, die sich durch über­höhte Preise für Strom, Gas, Kraft­stoffe die ent­gange­nen Lauf­zeit­verlän­gerungs­gewinne ent­gelten lassen!

 

Auf Landesebene arbeitet ein weiterer geset­zes­för­mi­ger Privati­sie­rungs­mecha­nis­mus. Er stammt aus der Zeit, als SPD und Grüne mit Wolf­gang Clement als Minis­ter­prä­si­den­ten die Regierung stellten. (Vielleicht erinnert sich noch jemand an Wolfgang Clement. Er wurde später als Lobbyist bekannt unter anderem für RWE und die Zeit­arbeits­firma Adecco.)

 

Ich spreche vom Bau- und Liegen­schafts­betrieb (BLB) NRW.

Nach dem Bau- und Liegen­schafts­betriebs­gesetz – BLBG – vom 12. Dezem­ber 2000 hat der BLB »die Aufgabe, Grund­stücke und grund­stücks­glei­che Rechte für Zwecke des Landes nach kauf­män­ni­schen Grund­sätzen zu erwer­ben, zu bewirt­schaf­ten, zu ent­wickeln und zu verwer­ten und dabei die bau­poli­ti­schen Ziele des Lan­des zu beach­ten.« (§ 2,1 BLBG). Die Floskel von der »Beach­tung der bau­poli­tischen Ziele des Landes« dient dabei als Feigen­blatt für die betriebs­wirt­schaft­liche Orga­ni­sie­rung und Vorbe­rei­tung von Privati­sierungen.

 

NRW-Finanz­minister Norbert Walter-Borjans mußsste vor einem Jahr, am 8. April 2011, im Haushalts- und Finanz­aus­schuss mit­tei­len: »dass für die Vergan­gen­heit mas­si­ve Verstöße gegen die Landes­haus­halts­ord­nung, nament­lich gegen das Wirt­schaft­lich­keits- und Spar­sam­keits­gebot durch den BLB NRW begrün­det und hin­rei­chend zu besor­gen sind.«

Offenbar waren einige Manager der BLB zu hektisch bei der Priva­ti­sie­rung vor­ge­gan­gen. An ihnen haftet jetzt der Ver­dacht der Bestech­lich­keit. Von denen, die sie besto­chen haben, wird aber nicht gere­det. Hier wäre drin­gend in Erwä­gung zu ziehen, ob nicht end­lich nach Arti­kel 27,2 der Lan­des­ver­fas­sung Zusam­men­schlüs­se, die ihre wirt­schaft­liche Macht miss­brau­chen, zu verbie­ten sind, nament­lich solche, die sich mit­tels Beste­chung Vor­teile verschaf­fen.

 

Der im Mai 2010 neu gewählte Landtag bequem­te sich nach den merk­würdigen Geschäf­ten des BLB endlich im Mai 2011 – ein Jahr später, aber so lange dauert sowas eben – zur Einrich­tung eines Unter­su­chungs­aus­schus­ses. Erst­mals zusam­men­ge­treten ist dieser Aus­schuss im Okto­ber ver­gan­ge­nen Jahres.

 

Die Wupper­taler Staats­anwalt­schaft ermit­telt gegen führen­de BLB-Mitar­beiter wegen des Verdachts der Bestech­lich­keit und Untreue. Es ist von einem mindes­tens drei­stel­li­gen Mil­lio­nen-Scha­den für das Land aus­zu­ge­hen. Bekannt gewor­den sind die merk­wür­di­gen Kosten­stei­ge­rungen beim Duis­burger Landes­archiv, anläss­lich des Kaufs von Schloss Kellen­berg, des Erwei­te­rungs­baus Poli­zei­prä­si­dium Köln-Kalk und der Geschäfte mit dem Kölner ehe­ma­li­gen Dom­brauerei­ge­lände im Früh­jahr 2009. Hier hatte die Firma Bouwens des Ade­nauer-Enkels und Kölner IHK-Vor­sit­zen­den Bouwens-Ade­nauer inner­halb von 8 Wochen durch den Handel allein mit einem Teil­stück einen schönen Gewinn von 10,5 Mil­lio­nen Euro gemacht.

 

Nachdem der BLB-Unter­su­chungs­aus­schuss schließ­lich im Okto­ber 2011 seine Arbeit auf­neh­men konnte, liegen heute noch keine Ergeb­nis­se vor. Mit der Auf­lö­sung des Land­tags am 14. März ist er eben­falls auf­ge­löst und wir müssen ab­war­ten, ob der neue Land­tag noch einen Unter­su­chungs­bedarf sieht. Ein Schuft, der Schlechtes dabei denkt.

 

Genossinnen und Genossen,

die beiden NRW-Bezirke haben in ihrer Erklärung vom 21. März eine wirk­same Ent­schul­dung der Kom­mu­nen ange­mahnt. Von den 396 NRW Gemein­den verfü­gen nur 11 über einen ausge­gliche­nen Haus­halt. 177 Kom­munen muss­ten ein Haus­halts­siche­rungs­kon­zept auf­stel­len. Davon befin­den sich 144 Gemein­den in einem Not­haus­halt. Aber die Kom­mu­nen werden nicht ent­las­tet. Viel­mehr verord­net die Landes­regie­rung mit dem »Stärkungs­pakt Stadt­finan­zen« 34 Städten, darun­ter Duis­burg, Wupper­tal, Ober­hau­sen und Hagen, ein Spar­diktat. Dieses Spar­diktat wird den Druck erhö­hen, weite­res öffent­liches Eigen­tum in priva­tes zu ver­wandeln.

In der gegen­wärti­gen Krise verliert das Kapital aus Angst vor Ent­wer­tung sicht­lich jede Hem­mung, verzwei­felt sucht es nach neuen Anlage­mög­lich­keiten. In einer solchen Situa­tion mit­lei­dend bot die dama­lige Rütt­gers-Regie­rung kom­mu­na­les und Lan­des­eigen­tum zur Verwer­tung an, aber die Politik von Han­ne­lore Kraft ist nicht anders. Von Politik­wechsel kann ohne­hin nicht die Rede sein. Ohne zusätz­liche öffent­liche Gelder wird die in vielen Jahr­zehn­ten geschaf­fene kom­mu­na­le Infra­struk­tur im Sozial-, Kultur- und Bildungs­bereich ver­kommen.

 

Enttäuschend ist die Bildungs­politik der Landes­regie­rung. Nach wie vor übt die Bertels­mann-Stif­tung den ent­schei­den­den Ein­fluss aus. Sie hat dafür gesorgt, dass Banken und Kon­zerne in den vom Einfluss des Lan­des befrei­ten Hoch­schul­rä­ten Forschung und Lehre kontrol­lie­ren. Der Ganz­tags­be­reich der Schulen ebenso wie die Kitas sind unter­ver­sorgt. Zwar wurden mit der Abschaf­fung von Kopf­noten und Studien­gebüh­ren zwei bil­dungs­poli­ti­sche Fehler der vorigen Regie­rung revi­diert. Aber nach wie vor hängt der Schul­erfolg vom sozia­len Status der Eltern ab. Statt mit der »Schule für alle« die Mehr­glied­rig­keit des Schul­sys­tems abzu­schaf­fen, haben wir in NRW seit dem Schul­kon­sens mit der CDU eine weite­re Schul­form: die Sekun­dar­schule, die in der Regel einge­rich­tet wird, sobald Haupt- und Real­schule zu viele Schüler verlieren.

Bildung wird abge­baut und privati­siert. Auch künftig wird die Schul­zeit für Abi­tu­rien­ten auf 12 Jahre redu­ziert. Die Landes­re­gie­rung hält das Koope­ra­tions­ab­kom­men mit der Bundes­wehr auf­recht. Es öffnet Jugend­offi­zie­ren und Kriegs­propa­gan­da einen privi­le­gier­ten Zugang zu den Schulen.

 

Im Januar 2011 zog die CDU die Not­brem­se, um zu verhin­dern, dass der Nach­trags­haus­halt für das Jahr 2010 verab­schie­det wird. Der Verfas­sungs­gerichts­hof in Münster stoppte ihn in einer Einst­wei­li­gen Anord­nung. Damals wurde schon einmal von Neu­wah­len gespro­chen. Der Nach­trags­haus­halt des Finanz­minis­ters hatte eine Erhö­hung der Neu­ver­schul­dung von 6,6 auf 8,4 Mil­liar­den Euro vor­ge­se­hen. Vor allem gegen die Auf­stockung einer Rück­lage für die WestLB in Höhe von 1,3 Mil­liar­den Euro hatten CDU und FDP Verfas­sungs­klage einge­reicht. Zwei Monate später war es in der Tat so weit. Der Verfas­sungs­gerichts­hof verbot die vorge­sehe­ne Kredit­aufnah­me, weil sie nicht aus­reichend begrün­det sei.

 

Bezüglich der Größen­ordnung konnte die strittige Neu­verschul­dung übrigens mit den mehre­ren hun­dert Mil­lio­nen Euro Kor­rup­tions­verlus­ten des BLB durchaus mithalten.

 

Aber zu diesem Zeit­punkt, vor genau einem Jahr, kündigte sich schon an, dass die Minder­heits­re­gie­rung an Haus­halts- und Finanz­fragen würde scheitern können. Und so kam es. Aktuell wollte die FDP bei der Entschei­dung über den Landes­haus­halt weitere Ein­spa­run­gen durch­set­zen. Sie hatte nur das Pech, dass SPD und Grüne angesichts der Umfrage­werte auf einen für sie günsti­gen Ausgang von Land­tags­wahlen hoffen konn­ten und trick­reich dafür sorg­ten, dass die Ableh­nung eines Einzel­haus­halts zur Auflö­sung des Land­tags führte. Auch mit der PDL mochte die Regie­rung nicht mehr reden, geschweige denn Zuge­ständ­nisse machen. Die Partei Die Linke wollte ein landes­weites Sozial­ticket für 15 Euro, sie bean­spru­chen mehr Geld für die Kom­mu­nen, für Kitas und den Woh­nungs­bau.

Aber SPD und Grüne wollen die lästige PDL aus dem Land­tag drängen. Sie kalku­lieren, dass sie nach der Wahl am 13. Mai die Mehr­heit bekom­men und durch­regie­ren können. So kann der geschei­terte Landes­haus­halt noch durch­gesetzt werden. Ohne Rück­sicht auf die Lage der Menschen, die auf Lohn, Rente oder Hartz VI ange­wie­sen sind. Er liegt auf der Linie der in Bund, Ländern und Gemein­den herr­schen­den Politik: mehr Geld für die Reichen, weniger für die Armen! Bei den kom­mu­na­len Finan­zen, der Bildung und sozia­len Vor­sor­ge wird bis zum Anschlag auf die Schulden­brem­se getre­ten, während die Banken anläss­lich und mittels der Schulden­krise an öffent­lichen Haus­halten sich dusselig verdienen.

 

Mit dem Einzug von 11 Abgeord­ne­ten der Partei Die Linke in den Land­tag im Mai 2010 waren sicher einige Illu­sio­nen verbun­den. Etwa die, dass sie als Züng­lein an der Waage fungie­ren und damit revolu­tio­när andere Entschei­dun­gen in diesem Land­tag durch­set­zen könne. Tat­säch­lich haben sich SPD und Grüne dies­bezüg­lich besorgt gezeigt. Aber es kommt auf den außer­parla­men­ta­ri­schen Druck an, und das sagt die Frak­tion selbst: »Unsere parla­men­ta­ri­sche Oppo­si­tion kann letzt­lich nur so stark sein wie der gesell­schaft­liche Druck der sozia­len Bewe­gungen.« Manch­mal wird das verges­sen, wenn gesagt wird, ohne PDL wäre Kopf­no­ten und Studien­gebüh­ren nicht abge­schafft worden. In Wahr­heit sind es selbst­verständ­lich die Bildungs­streiks der letzten Jahre gewesen, die das be­wirkt haben.

Die PDL-Land­tags­frak­tion hat aber gleich dafür gesorgt, dass das Landes­per­so­nal­ver­tre­tungs­ge­setz (LPVG), das unter Rütt­gers erheb­liche Ver­schlech­te­run­gen erfah­ren hatte, in Abspra­che mit dem DGB novel­liert wurde. Die PDL-Frak­tion macht ein Tarif­treue- und Vergabe­gesetz zum Thema, steht in vielen Fragen konse­quent an der Seite der Gewerk­schaf­ten. Nicht alles kommt an die große Glocke, was sie tun. Unter anderem deshalb lehnen sie den Verkauf beziehungs­weise Börsen­gang von rund 130 000 Evonik/THS Woh­nun­gen ab.

Wir finden die PDL-Frak­tions­mit­glie­der bei den Aktionen gegen Neo­nazis. Konse­quent war, dass sie ihren Frak­tions­raum nach Jupp Angen­fort benannt haben. Bärbel Beuer­mann schreibt in ihrem State­ment in einer Broschüre der Frak­tion: »Das wich­tigste Ereig­nis bei meiner Arbeit im Land­tag war die Umbe­nen­nung des Frak­tions­vor­stands­raums in ›Jupp-Angen­fort-Raum‹. Ich werde auch weiter für die Rehabi­li­tie­rung der Opfer des so genann­ten Kalten Krie­ges kämp­fen. Zumal Angen­fort, der 1951 als jüngs­ter Abge­ord­neter für die Kom­munis­ti­sche Partei Deutsch­land (KPD) in den nord­rhein-west­fäli­schen Land­tag ein­zog, sein gan­zes Leben dem Kampf gegen Faschis­mus und Krieg widme­te und beide Themen auch meine Herzens­angele­gen­heit sind.« Weder ihr, die auch am Grab von Jupp Angenfort gespro­chen hat, noch den ande­ren Abge­ord­ne­ten der PDL sollten wir den Respekt für die Arbeit in den vergan­ge­nen beiden Jahren ver­sagen.

Bei der Frage des außer­par­la­men­ta­ri­schen Drucks sollten wir uns vor allem an die eigene Nase fassen.

Die PDL hat dem von Hanne­lore Kraft vor­geleg­ten Landes­haus­halt die Zustim­mung verwei­gert. Das beweist immer­hin, dass sie bis­lang den Versu­chun­gen des parla­men­ta­ri­schen Sys­tems mit seinen Pöst­chen und Pfrün­den stand halten konnte. Die beiden DKP-Bezir­ke sagen in ihre Erklä­rung vom 21. März: »Offen­kundig muss für soziale Fort­schritte in NRW mehr außer­parla­men­ta­ri­scher Druck ent­wickelt werden. Die DKP ist dazu bereit. Wir wollen nied­ri­ge­re Energie­preise, bil­lige Mieten und güns­tige Tari­fe im öffent­li­chen Nah­verkehr. Zur Durch­setzung eines Sozial­tickets für 15 Euro sind wir bereit, gemein­sam mit der PDL und ande­ren Kräften Aktio­nen zu planen und Druck zu machen.«

 

Bis zum 13. Mai haben wir nicht mehr viel Zeit. Mit oder ohne PDL im Land­tag, für derarti­ge Kampag­nen wird unsere Partei auch noch danach gefordert sein.

 

Ich danke Euch für Eure Aufmerk­sam­keit

Anne Frohnweiler

 

15. April 2012 | Rede der Vor­sit­zen­den des Bezirks Rhein­land-West­fa­len auf der Landes­mit­glie­der­kon­fe­renz der DKP in Bottrop