Partei

Kommunalpolitik-Seminar des Bezirks Rheinland-Westfalen

 Grafik: Stehfahrzeuge in Sechserreihe, aus den Nebelschwaden ragen Colonius und Dom.

Standbein
und
Spielbein

Kommunalpolitik-Seminar des Bezirks Rheinland-Westfalen

16. November 2019
Köln-Mülheim

 

Jeden Tag sitzen abertausende geplagte Fahrer alleine in ihren tonnenschweren Automobilen und stehen auf dem Weg zur Arbeit herum. Desgleichen abertausende Fahrerinnen in ihren tonnenschweren Zweitwagen mit Kind auf dem Rücksitz. Sie werden überholt von hustenden Radfahrern, die ständig um ihr Leben bangen. Derweil stehen Abertausende genervt an den überlasteten Haltestellen einer unterfinanzierten Verkehrsgesellschaft und harren einer überteuerten Mitfahrgelegenheit im sogenannten Öffentlichen Personennahverkehr.

In Köln leben fast 1,1 Millionen Menschen mit rund 1 Million Stehfahrzeugen. Weit über ein Drittel der Stadtfläche wird derartigem Verkehr geopfert. Die Politik verharrt in den Rezepten des vorigen Jahrhunderts, abhängig von der Profitlogik einer totalitären, räuberischen Autoindustrie. Aber das Auto als Massentransportmittel – auch elektrisch betrieben – ist ein Auslaufmodell.

Hochgehalten: Tabelle Modalsplitting in Köln.

Im Interesse von Mensch, Tier und Klima, zum Wohle einer Stadt für alle und einer entwickelten ländlichen Infrastruktur bedarf es einer radikalen Verkehrswende – und zwar nicht auf den Knochen der arbeitenden Klassen. So leitete Walter Stehling sein Plädoyer für eine sofortige Verkehrswende ein. Es wurde etwas länger, blieb aber unterhaltsam.


Begonnen hatte das Seminar mit einem Referat des Genossen Michael Grüß, Mitglied des Sekretariats des PV und Leiter der kommunalpolitischen Kommission. Es konnte Erfahrungen aus Potsdam und Berlin zum Thema Privatisierungen und Rekommunalisierung beisteuern und warnte vor den Kosten für den Fall, dass das Volksbegehren «Deutsche Wohnen & Co enteignen» erfolgreich sei. Schon durch den Rückkauf der Berliner Wasserwerke vor einigen Jahren seien Monopolprofite durchgesetzt worden.

In der Tat sehen Artikel 14 und 15 des Grundgesetzes – das Berliner Volksbegehren beruft sich auf Art. 15 GG – Entschädigungen vor. Art und Ausmaß der Entschädigung sind dem Gesetzgeber überlassen. Die Antwort sei indes vom Kräfteverhältnis abhängig, bekräftigten die Kölner Genossen ihre Unterstützung des Volksbegehrens. Darauf gelte es Einfluss zu nehmen.

 Sitzend am Tisch mit Papieren, die Teilnehmer:innen.


Ein weiteres Thema des Seminars war «Bodenrecht und Grundstücksspekulation». Hans Jochen Vogel, seinerzeit Oberbürgermeister von München, schrieb im Jahr 1972 über die unerquicklichen Folgen des Privateigentums an Grund und Boden. Allerdings lehnte er eine Überführung des Bodens in Gemeineigentum ab. Stattdessen sollte die Öffentlichkeit in Gestalt der Städte und Gemeinden einen Anteil an der Steigerung des Bodenwerts erhalten. Solcherart Vermeidung der Eigentumsfrage, vor allem die Verweigerung der sozialistischen Antwort darauf beherrscht gegenwärtig die Stadtentwicklungsdiskussion, obwohl deutlich wird, dass mit Maßnahmen wie in München, wo es seit 20 Jahren das Konzept der Sozialgerechten Bodennutzung (SoBoN) gibt, Bauen und Wohnen nicht billiger werden. Welche Aktivitäten führen an die Kommunalisierung des Bodens heran? Wie kann gesichert werden, daß Boden in öffentlichem Eigentum und überhaupt öffentliche Liegenschaften nicht nach «kaufmännischen Gesichtspunkten» verwertet werden?


Unter dem Thema «Gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn» interessierte die Forderung nach einer Neuen Wohnungsgemeinnützigkeit. Klaus Stein erläuterte die Geschichte, aber auch die Aktualität dieser Forderung. Gemeinnützige Wohnungsunternehmen wurden bis 1988 steuerlich privilegiert, wenn sie bestimmten sozialen Bestimmungen genügten und auf Profite verzichteten. Aber seit der Abschaffung der Wohnungsgemeinnützigkeit im Jahr 1990 gibt es kein Halten mehr. Über eine Million Wohnungen aus öffentlichen Wohnungsbeständen, Werks- und Genossenschaftswohnungen wurden auf den Finanzmarkt geworfen. Vor diesem Hintergrund und angesichts der Überproduktionskrise fließt gegenwärtig viel Kapital in Immobilien, lässt Boden- und Hauspreise samt Mieten explodieren, verdrängt Mieter aus der Stadt in die Randgebiete oder gar auf die Straße. Wie organisiert sich der Protest? Wie bringen wir die Forderungen nach einer Neuen Gemeinnützigkeit ein? Wie die Forderung nach einem Mietendeckel? Wie nähern wir uns der Eigentumsfrage? Und schließlich: wie mobilisieren wir für die Mieter-Demonstrationen, die bundesweit und international für den 28. März 2020 verabredet sind?


Der Bezirksvorstand hatte in seiner Septembersitzung die Konzeption dieses Seminars beschlossen, das an einen im Mai vom Ruhrbezirk ausgerichteten Workshop anknüpfen sollte. «Während in dem Workshop vor allem praktische Dinge des Gruppenlebens erarbeitet wurden, soll es nun in dem Seminar darum gehen, diese praktischen Dinge auch theoretisch zu unterfüttern und in eine strategische Gesamtorientierung einzuordnen. Dabei sind die konkrete Kampffelder in der Kommunalpolitik zwar wichtig, spielen aber nicht die wesentliche Rolle. Dreh- und Angelpunkt der kommunalpolitischen Architektur ist dabei die finanzielle Ausstattung der Kommune und ihr Eigentum an Betrieben der Daseinsvorsorge etc. »

Unsere Kommunalpolitik stehe gemäß der Handlungsorientierung des 22. Parteitags grundsätzlich unter dem Motto: «Die Kommunalpolitik ist das zweite Standbein der Arbeiterpolitik der DKP.»

 

 Text und Fotos: Klaus Stein
Grafik: Walter Stehling