Politik

Griechenland: Die Lage nach der Wahl vom 25. Januar 2015

Link auf Youtube-Video »Macht ohne Kontrolle - Die Troika«. 

Der Kreis Düsseldorf diskutiert im März mit der KKE – und fordert von der DKP praktische Solidarität mit dem griechischen Volk

Auf der Kreis­mit­glie­der­ver­samm­lung im März war Ma­no­lis Ko­ra­kis als Ver­tre­ter der KKE zu Gast in Düs­sel­dorf. Er in­for­mier­te die zahl­rei­chen Teil­neh­mer in ei­nem sehr aus­führ­li­chen Vor­trag über die Hal­tung sei­ner Par­tei zu den ak­tu­el­len Ent­wick­lun­gen in Grie­chen­land. Die ver­füg­ba­re Zeit der MV reich­te nicht aus, um die Fra­gen -und auch Ein­wän­de- der Düs­sel­dor­fer Ge­nos­sIn­nen zu be­ant­wor­ten und zu dis­ku­tie­ren. Ma­no­lis´ Po­si­ti­on ist schon auf die­ser Web­sei­te pu­bli­ziert wor­den*. Der hier vor­lie­gen­de Text gibt die Sicht der gro­ßen Mehr­heit der Düs­sel­dor­fer Ge­nos­sIn­nen wie­der.

Es geht um die Frage, welche Haltung wir zu der von Syriza geführten Regierung einnehmen sollen.

Syriza hat nach den sozialen und politischen Kämpfen des Jahres 2014, nach zahllosen Demonstrationen und Streiks, bei den Wahlen im Januar die parlamentarische Mehrheit erlangt. Im Wahlkampf hatte Syriza Forderungen und Ziele formuliert, die einen deutlichen Richtungswechsel gegenüber der Vorgängerregierung und zu den Dogmen der Troika bei der bisherigen »Krisenbewältigung« versprachen.

In der Berichterstattung der UZ überwiegen mit dem Regierungswechsel in Athen die Bedenken. Es wird wöchentlich auf die »Gefahren« aufmerksam gemacht, auf unerfüllbare »Hoffnungen« und »trügerischen Illusionen«. Und die Ziele seien parlamentarisch nicht zu erreichen.

Tatsächlich wagt die Regierung Ungeheuerliches: sie will sich nicht der Tradition der »Krisenbewältigung« unterwerfen, wie sie von den Machtzentralen IWF, EZB und EU-Kommission stets praktiziert und gefordert wird. Sie will ihre Ziele politisch durchsetzen und ist sich der Unterstützung des Volkes sicher. Es geht darum, massenhafte Verarmung und den weiteren Ausverkauf des Landes zu verhindern bzw. möglichst weitgehend zu beschränken. Wir wissen, dass notwendige und weit gesteckte Ziele im Kampf vielleicht kaum zu erreichen sind, aber wir nennen sie nicht warnend illusionär.

Schäuble und Merkel wollen die »Wahlversprechen« von Syriza brechen

Mit den ersten internationalen Schritten versucht die Regierung Verbündete in der EU zu finden, Länder, die ebenfalls vom Spardiktat bedroht sind. Aber aus Frankreich, Italien, Spanien und Portugal kommen Absagen; die Regierungen beugen sich der Führungsmacht BRD. Und als klar wird, dass Athen weiterhin die Ziele aus dem Wahljahr verfolgen will, schaltet Berlin auf stur, der Geldhahn wird zugedreht. Das Erpressungsprogramm »Kredit gegen Reformen«, maßgeblich angeheizt in Berlin, soll kompromisslos durchgesetzt werden. Reformen heißt, ohne Zeitverzug das Volksvermögen zu verschleudern, zu privatisieren und Löhne und medizinische Versorgung vielfach auch über die Grenze der Überlebensfähigkeit hinaus zu reduzieren.

Bürgerliche Medien betonen die ständigen »Tricksereien« der Regierung und ihre unklaren Aussagen, auf die man sich nicht verlassen könne. Nachdem eine Unterstützung seitens der EU-Länder nicht erreicht werden konnte, sucht Syriza tatsächlich ausdauernd nach einer Lücke in der Abwehrmauer der EU. Sie sucht nach Möglichkeiten und Mitteln, die soziale Katastrophe im Land zu bekämpfen und damit dem Wählerauftrag zu entsprechen. Der Klassenauftrag von Merkel und Schäuble lautet anders: genau dieses zu verhindern, keine Abweichung von der Austeritätspolitik zulassen! Dem griechischen Volk und allen anderen Völkern muss klar gemacht werden, dass die Wahl einer linken Regierung, die ernsthaft etwas ändern will, keine Aussicht auf Erfolg hat. Syriza muss demonstrativ scheitern, das Diktat des Kapitals soll demonstrativ gelten!

Syriza ist an der Regierung, nicht an der Macht

Erste Erfolge dieser Strategie werden sichtbar. Nach wachsender Zustimmung und Demonstrationen für die Regierung gibt es Wut über die ausbleibende Verbesserung der Lebenslage. Es ist unklar, ob der notwendige Protest den richtigen Adressaten findet, das Kapital oder nur die Regierung.

Der neuen Regierung wurde nicht die »Schonfrist von 100 Tagen« zugestanden, wie sie zum Brauchtum des bürgerlichen Parlamentarismus gehört. Schon am Tag nach der Wahl erhielt sie die Order, die Bedingungen der europäischen Instanzen zu akzeptieren, sonst würden den griechischen Banken die Mittel entzogen. Die Regierung konnte keine Luft holen, um politische Lösungen zu entwickeln und Geldquellen zu erschließen; genau dieser Druck gehört zur Strategie der EU. Und wenige Tage nach der Wahl veröffentlichen PAME und KKE ihre Forderungen, die sofort umgesetzt werden sollten: alle Verschlechterungen seit 2010, die Kürzungen von Löhnen und Renten, Entlassungen und Reformen des Spardiktates, müssen für alle Teile der Bevölkerung zurückgenommen werden. Eine berechtigte Forderung, nur bleiben die nötigen Finanzmittel verborgen.

Es gibt keinen Weg, den die griechische Regierung aus eigener Kraft erfolgreich gehen kann, keinen genialen Schachzug, keinen Trick um die politischen Ziele zu erreichen. Alle einseitigen wirtschaftlichen Maßnahmen würden seitens der EU Reaktionen auslösen, die zur wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Katastrophe führen müssten. Die Gegenseite ist uneinsichtig, allein die Machtfrage entscheidet über Kampferfolge. Wie viel Kraft, wie viele Menschen sind, national und international, hinter die Abwehr von Verarmung zu bringen, damit z.B ein Schuldenschnitt erreicht werden kann?

Unter den gegebenen Bedingungen ist es »revolutionär«, die Logik der Austeritätspolitik in Frage zu stellen. Das Signal weist auf einen alternativen Weg und kann international weitere oppositionelle Kräfte mobilisieren.

Wenn jetzt in Griechenland kein Erfolg zu erreichen ist, in welchem anderen europäischen Land, einschließlich BRD, soll er dann noch möglich sein? Dann sind doch alle Alternativen »ausdiskutiert«. Die Erfolge oder Misserfolge in Griechenland werden zum Berufungsfall. Dies wissend, wollen Merkel und Schäuble keinen Millimeter von ihrem Konzept abweichen.

Wir Kommunisten warnen nicht nur vor Illusionen, wir warnen auch davor, dass in dieser Situation die Kräfte des Widerstands nicht wirkungsvoll unterstützt und gebündelt werden. Entschiedene Parteinahme und breiteste Bündnisse sind nötig, um Erfolge zu erzielen. Unsere Mitwirkung in den Bündnissen stärkt die antikapitalistischen Kräfte und qualifiziert sie politisch.

Unerlässlich ist eine aktive Solidarität, mit der die Ursachen der Krise und die Ziele und Vorschläge von Syriza erläutert werden. Die Rolle der Beteiligten, insbesondere der Bundesregierung, ist darzustellen. Wir brauchen genau diese Debatte jetzt für unsere Auseinandersetzungen in der BRD, wenn es hier um Krisenbewältigung, Schuldenabbau, Lohnsenkungen, Privatisierungen, Fiskalpakt, Schuldenbremse usw. geht. Wir brauchen diese Debatte allerdings nicht ohne konkrete solidarische Bezugnahmen auf die Lage des griechischen Volkes, nicht ohne die Forderung an unsere Regierung, die Forderungen des griechischen Volkes und seiner Regierung zu erfüllen!

Es ist unklar, wofür die DKP steht. Sie scheint sich zur weitgehenden Teilnahmslosigkeit verpflichtet zu haben, damit keine unerwünschte Nähe zu Syriza sichtbar wird. Syriza ist schließlich nur »links«, nicht kommunistisch. Und wenn in Madrid Hunderttausende für einen grundlegenden Politikwechsel auf die Straße gehen, angespornt vom Wahlsieg Syrizas (und Syriza damit unterstützend), dann muss wieder vor Illusionen gewarnt werden. Es wird noch länger dauern, bis die Massenbewegungen in Europa aus unserer Sicht ideologisch korrekt verlaufen – vorher wird die DKP ein Konzept finden müssen für eine Politik mit linken Kräften.

Der Weg zum Sozialismus führt über den Kampf um Reformen in breiten gesellschaftlichen Bündnissen

Antikapitalistische Umwälzungen werden nicht mit Parlamentsmehrheit erreicht. Darauf müssen Kommunisten immer und überall hinweisen. Aber das unter den Bedingungen in Griechenland gewählte Parlament kann fortschrittliche gesellschaftliche Kräfte repräsentieren und unterstützen. Die KKE sieht den einzig möglichen Ausweg in den Kämpfen der Bevölkerung um kleine Verbesserungen und um eine sozialistischen Gesellschaft. Zu Syriza geht sie auch in die parlamentarische Opposition.

Wir gehen programmatisch davon aus, dass unter den gegebenen Kräfteverhältnissen in der BRD und in Europa Abwehrkämpfe gegen die neoliberale Politik im Zentrum einer ganzen Kampfetappe stehen werden. In den Kämpfen zur Absicherung der unmittelbaren Bedürfnisse und um die Verteidigung des Erreichten müssen die gesellschaftlichen Kräfte gesammelt werden für fortschrittliche Reformen, für eine Wende zu demokratischem und sozialem Fortschritt. Zu diesen Kräften gehören notwendigerweise auch nichtkommunistische, bürgerliche Schichten. Ohne diesen breiten, alle oppositionellen Kräfte umfassenden Widerstand bleiben alle progressiven Entwicklungen reine Illusion. Kommunisten orientieren in diesen Kämpfen auf die Eigentumsfrage und grundsätzliche gesellschaftliche Alternativen. Die Zurückdrängung der Allmacht des Kapitals, die erweiterte Einflussnahme der Arbeiterklasse und ihrer Verbündeten können dazu beitragen, den Weg für den weiteren Kampf um den Sozialismus freizumachen.

Diesen Weg ist die DKP mit allen programmatischen Aussagen seit ihrer Neukonstituierung 1968 gegangen. Sie knüpft damit an die Politik der KPD an. Diese orientierte schon unmittelbar nach dem Krieg, aber auch noch im Frühjahr 1968 auf grundlegende demokratische, antimonopolistische Reformen, die die Macht des Großkapitals einschränken sollen. Lenin hatte bereits in den 1920er Jahren darauf hingewiesen, die Kommunisten müssten ihre ganze Aufmerksamkeit darauf konzentrieren, die Form des Übergangs zur proletarischen Revolution oder des Herankommens an sie ausfindig zu machen. Dimitroff sah 1935 in der Einheitsfrontpolitik, die schon in den 1920er Jahren formuliert worden war, die entscheidende Kraft gegen den Faschismus. Die schmerzvollen Erfahrungen der deutschen Arbeiterklasse bestätigen seine Analyse. Und der Widerstandskampf des griechischen Volkes gegen die Nazi-Besatzung und die Obristen-Diktatur wurde mit Einschluss sozialdemokratischer Kräfte erfolgreich geführt.

Auf dieser programmatischen Grundlage beurteilen wir auch die Entwicklungen in Griechenland nach der Wahl von Syriza.

Gisela Blomberg, Tim Engels, Heide Ferber,
Klaus Hübinger, Hermann Kopp, Irène Lang,
Jürgen Schuh, Inge Trambowski, Peter Wilke
Foto: aus arte-Video