Politik

Katalonien ist auf der Strasse

Demonstranten mit Transparenten.

Die Katalanen sind gemeinsam auf der Straße

Text veröffentlicht: 05. Oktober 2017

Die Katalanen sind gemeinsam auf der Straße, haben aber kein gemeinsames Projekt. In Spanien dürfte schon vor den jüngsten Ereignissen allgemein klar gewesen sein, dass Ministerpräsident Mariano Rajoy, die rechtsliberalen »Ciudadanos« und die schlimmsten spanischen Nationalisten in der Lage sind, auch gegen friedliche Menschen brutal vorzugehen. Vielleicht nicht ganz so klar war, dass die Sozialdemokraten der PSOE der Repression ebenfalls zustimmen würden. Doch die »Sozialisten« haben eine entscheidende Rolle bei dem gespielt, was wir am vergangenen Wochenende in Barcelona erlebt haben. Der de facto verhängte Ausnahmezustand und die Belagerung Kataloniens sowie das rechtswidrige Vorgehen der Polizisten wurde von der PSOE unterstützt. Die Partei hat allem zugestimmt, was Rajoy angeordnet hat. Sogar der angeblich linke Flügel der PSOE um Pedro Sánchez beschränkte seine Kritik auf die Forderung, Katalonien bessere wirtschaftliche Konditionen anzubieten.

Doch auch das Linksbündnis Unidos Podemos – bestehend aus der Partei Podemos und der Vereinten Linken (IU) – hat es versäumt, die Unabhängigkeitsbestrebungen in Katalonien rechtzeitig zu begleiten und zu verstehen, sich einzumischen und für berechtigte Forderungen der Region einzutreten. Als im katalanischen Parlament das Referendumsgesetz eingebracht wurde, stellte sich die spanische Linke zunächst dagegen, weil sie es als einseitige Unabhängigkeitserklärung ohne rechtsstaatliche Garantien interpretierte. Erst als Reaktion auf das diktatorische Vorgehen von Rajoys PP setzte sie sich für die Menschenrechte ein und forderte, die Durchführung der Volksabstimmung zuzulassen. Eine Unabhängigkeitserklärung Kataloniens unterstützt Unidos Podemos allerdings nach wie vor nicht, ihr geht es um »Dialog und Verständnis«.

Dafür scheint es zu spät zu sein, denn inzwischen kocht der schlimmste spanische Nationalismus hoch – und in Katalonien ist der dortige auf dem Vormarsch. Während die Zentralregierung in Madrid auf die Macht des Staatsapparates zählt, haben die katalanischen Regierungsparteien ihrerseits bei ihrem Vorgehen mehr als die Hälfte der Wähler missachtet, die bei der Parlamentswahl 2015 nicht für die Parteien der Unabhängigkeitsbewegung gestimmt hatten.

Manche Linken hoffen, dass die aktuellen Entwicklungen in Katalonien eine Chance für die Beendigung der herrschenden Systems in Spanien sind. Angesichts einer schwachen Linken und einer im Aufschwung befindlichen Rechten gibt es dafür in Spanien jedoch wenig Anzeichen – oder nach dem Ende des Systems kommt etwas, das noch schlechter wäre.
Zugleich wird die Bewegung in Katalonien bis heute vom Antifaschismus und den Erfahrungen des Kampfes gegen die Franco-Diktatur geprägt. Die Menschen auf der Straße rufen »No Pasarán« und wollen ihre Freiheit. Aber die meisten wählen liberale Parteien, und in der Kampagne für das Referendum fehlten Aussagen darüber, was mit dem neuen, unabhängigen Land geschehen soll. Es gibt kein gemeinsames politisches Projekt der Unabhängigkeitsbewegung, sie eint ihre Identität, ihre Sprache, ihre Geschichte. Es ist ein Pulverfass, das viel zu groß ist, um es unvorsichtig zu behandeln.

Text und Foto: Carmela Negrete, Barcelona
Foto unten: kommunisten.de

 


PCPE zu den
Ereignissen in Katalonien

(PCPE Kommunistische Partei der Völker Spaniens)

Wir dokumentieren nachstehend in eigener Übersetzung Stellungnahmen des Generalsekretärs der Kommunistischen Partei der Völker Spaniens (PCPE), Carmelo Suárez, und des Generalsekretärs der KP des Volkes von Katalonien (PCPC), Sisca García i Llop, zu den heutigen Ereignissen in Katalonien.

Carmelo Suárez erklärte:

Was wir seit Anfang des Tages gesehen haben, also eine neue gewaltsame Intervention des Spanischen Staats in Katalonien, ist nichts anderes als der Ausdruck einer tiefgreifenden Krise des Spanischen Staates, der die an der Macht dominierende Klasse und ihre Legitimationsmechanismen bis an ihre Grundlagen beeinträchtigt.

Mehr noch, die Intervention der Guardia Civil und der Nationalpolizei ist eine erneute Verletzung des Autonomiestatuts durch den Staat.

Die PCPE ruft das Volk Kataloniens auf, gegen diese neue Aggression der despotischen Regierung von Mariano Rajoy vereint Widerstand zu leisten und aus der breiten und kämpferischen Massenbewegung eine solche zu machen, die in der Lage ist, die Gewaltmechanismen des bürgerlichen Staates zu zerschlagen.

Die PCPE ruft auch die Arbeiterklasse des gesamten Staats und die Volksschichten auf, an der Seite der Arbeiterklasse und des Volkes von Katalonien zu stehen, um alle Kräfte zum Sieg über den in Krise befindlichen bürgerlichen Staat und seine gewaltsame und antidemokratische Politik zu vereinen. Deshalb müssen die Forderung nach dem Rücktritt der Regierung von Mariano Rajoy und die Verteidigung des Selbstbestimmungsrechts die zentrale Achse eine neuen Etappe von Arbeiter- und Volksmobilisierungen sein, die umgehend koordiniert entwickelt werden müssen.

Sisca García i Llop unterstrich:

Heute hat das katalanische Volk verstehen können, was der berühmte Satz »Auf sie!« bedeuten sollte, mit dem die spanischen Faschisten eine Guardia Civil auf dem Weg nach Katalonien verabschiedeten. Heute hat das katalanische Volk am eigenen Leib die Repression erlitten, die von den Erben des spanischen Faschismus, der sich am 18. Juli 1936 gegen die 2. Republik erhoben hatte, angeordnet wurde.

Die Regierung von Mariano Rajoy ist der Hauptverantwortliche für Hunderte Verletzte, einschließlich Senioren, als Ergebnis des Vorgehens der Polizei mit Knüppeln, verbotenen Gummigeschossen usw. Die Regierung der PP hat ein erbarmungswürdiges Bild abgegeben, das die Grenzen überschritten hat und zusammen mit den anderen traurigen und blutigen Bildern in der Geschichte Spaniens verzeichnet bleiben wird. Es ist einfach schändlich, Millionen Wahlzettel, Urnen und Internetzugänge der Wahllokale zu beschlagnahmen und diese Unterdrückung im Namen der Spanischen Verfassung und der Demokratie zu unternehmen.

Die Kommunistische Partei des Volkes von Katalonien hat immer das Selbstbestimmungsrecht verteidigt. Zum Referendum haben wir zur massenhaften Beteiligung aufgerufen und die Abgabe ungültiger Stimmen mit den Losungen »Für eine Sozialistische Republik konföderalen Charakters, für eine Katalanische Republik außerhalb des Imperialismus (NATO, Euro und Europäische Union)« aufgerufen.

Heute ist eine breite Front in Katalonien und Spanien gegen die Repression notwendig, für die Verteidigung des Selbstbestimmungsrechts und für die Forderung nach Auflösung der PP-Regierung.

  • No Passaran!
  • Für die Selbstbestimmung!
  • Rajoy Rücktritt!

Sisco García i Llop.
Generalsekretär der Kommunistischen Partei des Volkes von Katalonien

Quelle: PCPC / Übersetzung: RedGlobe


 video aus Barcelona, Red Globe