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Button: 15. UZ-Pressefest - Volksfest der DKP

Ja, wir feiern ein neues Fest, obwohl die Forderung des alten noch nicht erfüllt wurde.
[Hier gibt's noch Fotos vom Pressefest 2005]



Gewerkschaft

Sach und Lachgeschichten! Heute:

Eine schöne Geschichte
über Herrn Müller

Das hier, das ist der Herr Müller. Der Herr Müller kommt aus
Aretsried, das liegt in Bayern, also ganz im Süden.
Der Herr Müller ist ein Unternehmer und das, was in den Fabriken von
Herrn Müller hergestellt wird, habt ihr sicher alle schon mal gesehen,
wenn ihr im Supermarkt wart. Der Herr Müller stellt nämlich lauter
Sachen her, die aus Milch gemacht werden. Naja, eigentlich stellen die
Kühe die Milch her, aber der Herr Müller verpackt sie schön und sorgt
dafür, daß sie in den Supermarkt kommen, wo ihr sie dann kaufen könnt.

Die Sachen, die der Herr Müller herstellt sind so gut, daß sogar der
Herr Bohlen dafür Werbung gemacht hat. Weil der Herr Müller ein
Unternehmer ist, hat er sich gedacht, er unternimmt mal was und
baut eine neue Fabrik. Und zwar baut er sie in Sachsen, das ist ganz im
Osten.

Eigentlich braucht niemand eine neue Milchfabrik, weil es schon
viel zu viele davon gibt, und diese viel zu viele Milchprodukte
produzieren, aber der Herr Müller hat sie trotzdem gebaut.

Und weil die Leute in Sachsen ganz arm sind und keine Arbeitsplätze
haben, unterstützt der Staat den Bau neuer Fabriken mit Geld.
Arbeitsplätze hat man nämlich im Gegensatz zu Milchprodukten nie
genug. Also hat der Herr Müller einen Antrag ausgefüllt, ihn zur
Post gebracht und abgeschickt.

Ein paar Tage später haben ihm dann das Land Sachsen und die Herren
von der Europäischen Union in Brüssel einen Scheck über 70 Millionen
Euro geschickt.

70 Millionen, das ist eine Zahl mit sieben Nullen, also ganz viel
Geld. Viel mehr, als in euer Sparschwein passt.

Der Herr Müller hat also seine neue Fabrik gebaut und 158 Leute
eingestellt. Hurra, Herr Müller. Nachdem die neue Fabrik von Herrn
Müller nun ganz viele Milchprodukte hergestellt hat, hat er
gemerkt, daß er sie gar nicht verkaufen kann, denn es gibt ja viel
zu viele Fabriken und Milchprodukte.

Naja, eigentlich hat er das schon vorher gewußt, auch die Herren
vom Land Sachsen und der Europäischen Union haben das gewußt, es ist
nämlich kein Geheimnis. Das Geld haben sie ihm trotzdem gegeben.

Ist ja nicht ihr Geld, sondern eures. Klingt komisch, ist aber so.
Also was hat er gemacht, der Herr Müller? In Niedersachsen, das ist
ziemlich weit im Norden, hat der Herr Müller auch eine Fabrik. Die
steht da schon seit 85 Jahren und irgendwann hatte der Herr Müller
sie gekauft. Weil er jetzt die schöne neue Fabrik in Sachsen hatte, hat
der Herr Müller die alte Fabrik in Niedersachsen nicht mehr gebraucht,
er hat sie geschlossen und 175 Menschen haben ihre Arbeit verloren.

Wenn ihr in der Schule gut aufgepasst habt, dann habt ihr sicher
schon gemerkt, daß der Herr Müller 17 Arbeitsplätze weniger geschaffen
habt, als er abgebaut hat. Dafür hat er 70 Millionen Euro bekommen.

Wenn ihr jetzt die 70 Millionen durch 17 teilt, dafür könnt ihr ruhig
einen Taschenrechner nehmen, dann wißt ihr, daß der Herr Müller für
jeden vernichteten Arbeitsplatz über 4 Millionen Euro bekommen hat.

Da lacht er, der Herr Müller. Natürlich nur, wenn niemand hinsieht.

Ansonsten guckt er ganz traurig und erzählt jedem, wie schlecht es
ihm geht.

Aber der Herr Müller sitzt nicht nur rum, sondern er sorgt auch
dafür, daß es ihm besser geht. Er ist nämlich sparsam, der Herr Müller.

Sicher kennt ihr die Becher, in denen früher die Milch von Herrn
Müller verkauft wurden. Die schmeckt gut und es passten 500 ml
rein, das ist ein halber Liter. Seit einiger Zeit verkauft der Herr
Müller seine Milch aber in lustigen Flaschen, nicht mehr in Bechern. Die
sind praktisch, weil man sie wieder verschließen kann und sehen hübsch
aus. Allerdings sind nur noch 400 ml drin, sie kosten aber dasselbe. Da
spart er was, der Herr Müller. Und sparen ist eine Tugend, das
wissen wir alle.

Wenn ihr jetzt fragt, warum solche ekelhaften Schmarotzer wie der
Herr Müller nicht einfach an den nächsten Baum gehängt werden, dann muß
ich euch sagen, daß man so etwas einfach nicht tut.

Wenn ihr aber das nächste mal im Supermarkt seid, dann laßt doch
einfach die Sachen vom Herrn Müller im Regal stehen und kauft die
Sachen, die daneben stehen. Die schmecken genauso gut, sind
meistens billiger und werden vielleicht von einem Unternehmer hergestellt,
für den der Begriff "soziale Verantwortung" noch eine Bedeutung hat.

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Tarifabschluss chemische Industrie

Entgelterhöhung um 2,7 Prozent plus 1,2 Prozent Einmalzahlung

•  Verbindliche tarifliche Altersvorsorge

•  Mehr Ausbildungsplätze

•  Unterstützungsfonds neu geregelt

•  Mantelvertrag verlängert / Arbeitszeitregelung festgeschrieben

•  Weitere Gespräche zum Thema Besserstellung von Gewerkschaftsmitgliedern

Lahnstein. Die Entgelte der 550 000 Beschäftigten in der chemischen Industrie steigen um 2,7 Prozent. Zudem erhalten die Arbeitnehmer eine Einmalzahlung in Höhe von 1,2 Prozent eines Monatsentgelts multipliziert mit 19. Darauf haben sich IG BCE und Chemie-Arbeitgeber am Donnerstag (16. Juni) in Lahnstein geeinigt. Außerdem haben die Sozialpartner einen Vertrag über eine verbindliche tarifliche Altersvorsorge geschlossen, es ist der erste Tarifvertrag dieser Art in Deutschland. IG BCE und Chemie-Arbeitgeber setzen ihre gemeinsame Initiative zur Schaffung von mehr Ausbildungsplätzen fort. Die Zahl der Lehrstellen wird im Jahr 2006 und 2007 erneut deutlich angehoben. Weiter sind die Statuten des von IG BCE und Arbeitgebern gemeinsam getragenen "Unterstützungsvereins der chemischen Industrie" (UCI) den neuen gesetzlichen Bedingungen angepasst und verbessert. Schließlich haben sich die Tarifvertragsparteien darauf verständigt, das Thema Besserstellung von Gewerkschaftsmitgliedern in einer gesonderten Runde weiter zu verhandeln. Das Thema bleibt auf der tarifpolitischen Tagesordnung. Werner Bischoff, Verhandlungsführer der IG BCE: "Das Paket kann sich sehen lassen, insgesamt ist das Abkommen für beide Seiten akzeptabel. Hart gerungen haben wir um die Einkommenserhöhung. Die gefundene Lösung entspricht der Lage in der chemischen Industrie. In Sachen Altersvorsorge und Ausbildungsplätze sind wir erneut voran gegangen. Die Chemie-Sozialpartner sind gestaltungsfähig; wir brauchen keine gesetzlichen Vorgaben, um unserer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden."

Das Tarifergebnis im Einzelnen:

Einkommen Die Entgelte werden um 2,7 Prozente angehoben, außerdem erhalten die Beschäftigten eine Einmalzahlung in Höhe von 1,2 Prozent eine Monatsentgelts multipliziert mit 19. Die Einkommensverbesserung gelten bundesweit einheitlich, regional unterschiedlich ist der Zeitpunkt der Anhebung. In den Tarifbezirken Rheinland-Pfalz, Nordrhein und Hessen werden die Entgelte zum 1. Juni erhöht. Es folgen Westfalen, Bayern, Baden-Württemberg, Niedersachsen/Bremen, Schleswig-Holstein/Hamburg und Berlin zum 1. Juli und das Saarland zum 1. August. Die Verträge gelten je nach Region bis zum 31. Dezember 2006, 31. Januar 2007 bzw. 28. Februar 2007. Im Tarifbezirk Nordost erfolgt die Erhöhung zum 1. August. Um weitere 2,5 Prozent steigen die Entgelte zum 1. Oktober. In einem 2002 abgeschlossenen Vertrag ist vereinbart, dass bis 2009 die Angleichung auf 100 Prozent des Westniveaus verwirklicht ist. Die Einmalzahlung wird spätestens im Februar 2006 wirksam, der Auszahlungstermin kann jedoch auch vorgezogen werden. Es gilt eine Öffnungsklausel. Unternehmen in einer wirtschaftlich schwierigen Lage können den Betrag senken oder den Auszahlungszeitpunkt neu festlegen. Voraussetzung ist das Einverständnis der Betriebsräte.

Tarifvertrag "Zukunft durch Ausbildung" IG BCE und Chemie-Arbeitgeber setzen ihre gemeinsame Initiative zur Schaffung von mehr Ausbildungsplätzen fort. Die Zahl der Lehrstellen wird im Jahr 2006 um 1,6 Prozent und 2007 um weitere 1,7 Prozent erhöht. Basis ist der 2003 geschlossene und 2004 erweiterte Tarifvertrag "Zukunft durch Ausbildung". Im Jahr 2007 wird es 7 Prozent mehr Ausbildungsplätze als 2003 geben. Hintergrund des Vertrags ist eine Prognose der Kultusministerkonferenz. Danach steigt die Zahl der Schulabgänger von 2003 bis 2007 um 6,8 Prozent. IG BCE und Chemie-Arbeitgeber wollen dazu beitragen, diese demografische Welle aufzufangen. Die konkreten Zahlen für das Folgejahr legen die Sozialpartner jeweils im Zusammenhang mit den Entgeltverhandlungen fest. Für das Jahr 2004 war eine Steigerung um 1,7 Prozent vereinbart. Dieses Ziel wurde weit übertroffen, tatsächlich ist die Zahl der Ausbildungsplätze um rund 4 Prozent gestiegen. 2005 erfolgt eine Ausweitung des Angebots um weitere 2 Prozent. Das Abkommen "Zukunft durch Ausbildung" ist ein voller Erfolg, mit dem ersten Tarifvertrag dieser Art wird eine Erfolgsstory geschrieben.

Verbindliche tarifliche Altersvorsorge Den 1998 abgeschlossenen und 2001 erweiterten Vertrag über eine tarifliche Altersvorsorge haben die Sozialpartner jetzt fortgeschrieben und modernisiert. Macht ein Arbeitnehmer von seinem tariflichen Anspruch auf vermögenswirksame Leistungen (936 DM / 478,57 Euro) Gebrauch, wird dieses Geld verbindlich für die Altersvorsorge eingesetzt. Der Arbeitgeber stockt diesen Betrag noch einmal (um 264 DM / 134,98 Euro) auf. Über den erreichten Betrag (1200 DM / 613,55 Euro) hinaus gibt es eine besondere Förderung. Für jede 100 Euro, die ein Arbeitnehmer zusätzlich für seine Altersvorsorge aufbringt, erhält er vom Arbeitgeber weitere 13 Euro. Die Chemie-Altersvorsorge ist damit besonders lukrativ. Vergleichbare Flächentarifverträge gibt es bislang nicht. Die neue Regelung tritt zum 1. Januar 2006 in Kraft. Damit gehen die vermögenswirksamen Leistungen voll und verbindlich in die tarifliche Altersvorsorge ein. IG BCE und Chemiearbeitgeber werden auch auf diesem Feld ihrer sozialpolitischen Verantwortung gerecht.

Unterstützungsverein der chemischen Industrie (UCI)

1975 haben die Chemie-Sozialpartner den "Unterstützungsverein der chemischen Industrie" (UCI) gegründet. Arbeitslos gewordene Chemie-Beschäftigte werden unter bestimmten Voraussetzungen zusätzlich zum staatlichen Arbeitslosengeld mit Mitteln aus dem UCI-Fonds unterstützt. In den vergangenen 30 Jahren erhielten 46 700 Menschen einen solchen Zuschuss. Insgesamt schüttete der UCI 55 725 000 Euro aus, das sind durchschnittlich 1193 Euro pro Kopf. Die maximale Zuschusszeit orientiert sich an der Bezugsdauer des Arbeitslosengelds. Statt wie bisher 15 Prozent des Arbeitslosengeldes gibt es künftig einen monatlichen Festbetrag in Höhe von 180 Euro aus dem UCI-Fonds. Im Jahr 2000 haben IG BCE und Chemie-Arbeitgeber das Programm "Start in den Beruf" aufgelegt. Der UCI hat dafür bislang 1,6 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, 533 Jugendliche wurden gefördert. "Start" wird auch künftig aus dem UCI-Fonds finanziert.

Manteltarifvertrag

IG BCE und Chemie-Arbeitgeber haben den bestehenden Manteltarifvertrag redaktionell überarbeitet und um zwei Jahre bis Ende 2007 verlängert. Die wöchentliche Regelarbeitszeit beträgt weiter 37,5 Stunden. Davon kann unter bestimmten Voraussetzungen mit Zustimmung der Betriebsparteien und der Tarifparteien um 2,5 Stunden nach oben oder unten abgewichen werden.

Besserstellung von Gewerkschaftsmitgliedern Der IG BCE ist es gelungen, das Thema "Besserstellung von Gewerkschaftsmitgliedern" tariffähig zu machen - der Fuß ist in der Tür. Zu einer konkreten Vereinbarung ist es noch nicht gekommen. IG BCE und Chemie-Arbeitgeber werden die Gespräche fortsetzen. Der Besserstellung bleibt also auf der tarifpolitischen Agenda, die IG BCE wird auch hier nicht nachlassen.

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Gewerkschaftliche Situation und
Aufgaben aus marxistischer Sicht

Ein Entwurf zur Diskussion und Überarbeitung

1. Aktuelle Situation 6. Innergewerkschaftliche Demokratie
2. Gewerkschaftliche Gegenwehr nötig 7. Gewerkschaftliche Bildungsarbeit
3. Veränderte ökonomische Bedingungen 8. Gewerkschaftliche Aufgaben
4. Es gibt kein zurück zum Sozialstaat 9. Gewerkschaften und die soziale
    Bewegung
5. SPD und Gewerkschaften 10. Wende in der Gewerkschaftspolitik

Die Gewerkschaften stecken in einer tiefen Krise. In der Gesellschafts-, Tarif- und Organisationspolitik befinden sie sich gegenüber dem Kapital in der Defensive. Die gewerkschaftliche Linke kritisiert seit längerem die zunehmende Handlungsunfähigkeit, die wachsende organisatorische Schwäche und die nach wie vor überwiegend auf Sozialpartnerschaft ausgerichtete Politik der Mehrheit der Gewerkschaftsführungen. Die Zeit ist mehr als reif für eine Wende in der Gewerkschaftspolitik. Als einen Beitrag zur Diskussion in und außerhalb der DKP veröffentlichen wir an dieser Stelle einen Entwurf zur gewerkschaftlichen Situation und Aufgaben aus marxistischer Sicht von Wolfgang Teuber, Mitglied des Parteivorstandes der DKP. Wir wollen mit diesem Beitrag einen breiten Diskussionsprozess beginnen, der nach Überarbeitung und Beschlussfassung dieses Entwurfs im Parteivorstand der DKP seinen Abschluss finden soll.

1. Aktuelle Situation

Die gesellschaftspolitischen Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland verändern sich dramatisch. Von Armut sind nach offiziellen Angaben inzwischen 12,6 Prozent der Bevölkerung betroffen. Jährlich werden Hunderttausende Arbeitsplätze und Standorte vernichtet. Mit der Drohung Standorte zu verlagern oder zu schließen startete das Kapital ein Generalangriff auf die erkämpften Errungenschaften der Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung:

Die Arbeitszeitverlängerung, die "sanfte" Tour der Lohnkürzung wird schrittweise durchgesetzt; die Rückkehr zur 40-Stunden-Woche und mehr wird zunehmend zur Realität; die Tarifverträge werden immer weiter ausgehöhlt; das Betriebsverfassungsgesetz, insbesondere die Mitbestimmung, soll bis zur Unkenntlichkeit demokratischer Rechte entleert werden; Lohnkürzung, Kürzungen von Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie übertariflicher Lohnbestandteile werden zur alltäglichen betrieblichen Auseinandersetzung für die Betriebsräte; der Abbau von Arbeitsschutzrechten und die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen wird vom Gesetzgeber vorbereitet und von der Unternehmerseite in den Betrieben de facto schon jetzt umgesetzt; die Unfallversicherungen und Berufsgenossenschaften werden von der Kapitalseite zunehmend in Frage gestellt.

Die Belastungen für die Arbeiterhaushalte, insbesondere aber für die durch Arbeitslosigkeit betroffenen sieben Millionen Menschen wachsen ständig. Die Kommunen legen die Belastung, bedingt vor allem durch die Schuldensituation, auf die Bürgerinnen und Bürger um, die soziale Herkunft entscheidet über das Maß an Bildung und Ausbildung. Diese und weitere Entwicklungen signalisieren die deutliche Tendenz, dass die gesamten gesellschaftlichen Verhältnisse zu Gunsten des großen Kapitals, zu Lasten der kleinen Leute verändert werden.

Das Ausmaß an Armut und sozialer Ausgrenzung wächst erkennbar. Immer mehr Menschen wird die Würde genommen. "Sachzwanglogik" des Kapitals bestimmt die öffentliche Darstellung der Probleme. Den Menschen wird über alle Kanäle der bürgerlichen Medien permanent ins Bewusstsein gehämmert, dass es keinerlei Alternative zu dieser Entwicklung gäbe. Aber es gibt Alternativen. Sie zu entwickeln, für ihre Durchsetzung zu kämpfen, das ist die Herausforderung dieser Zeit für die organisierte Arbeiterbewegung, besonders die Gewerkschaften.

2. Gewerkschaftliche Gegenwehr nötig

Doch den Gewerkschaften fehlt heute eine gemeinsame Linie zur Gegenwehr. Eine gemeinsame Strategie z. B. in der Arbeitszeitfrage gibt es nicht. Das Ausspielen der Betriebe, der Standorte untereinander, findet seine Entsprechung auf der Ebene der Einzelgewerkschaften. Nach wie vor ist die deutsche Gewerkschaftsbewegung in einer tiefen Krise. Sie gerät immer weiter gegenüber dem Kapital in die Defensive.

Den Angriffen des Kapitals, den Angriffen und Erpressungen der Transnationalen Konzerne stehen die Gewerkschaften bisher zum großen Teil hilflos gegenüber. Ihnen fehlt eine Analyse der enormen weltweiten ökonomischen Veränderungen; eine Analyse des Zusammenbruchs des Sozialismus, der bis hinein in die Gewerkschaften seine Wirkung hat. Es fehlt eine gemeinsame Strategie des Widerstandes im DGB, im EGB und vor allem eine weltweite Strategie gegen die Transnationalen Konzerne.

Gewerkschaften müssen wieder zur Gegenmacht werden. Die Sozialpartnerschaftsillusion ist längst durch die Praxis widerlegt. Es gibt keinen gerechten Ausgleich zwischen Arbeit und Kapital. Die Interessen der abhängig Beschäftigten, jener, die keine Arbeit mehr haben und von Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe leben müssen, ihre Wünsche, Ziele, sozialen Leistungen und Rechte müssen Maßstab gewerkschaftlicher Politik werden. Die Durchsetzung ihrer Interessen verlangt eine politische Begründung des Wirkens der Ziel- und Zukunftsvorstellungen der Gewerkschaftsbewegung. Wenn es in den zentralen Fragen gewerkschaftlicher Politik nicht zu einer Veränderung in Richtung gemeinsamer Gegenwehr kommt, ist der Niedergang der Gewerkschaften, das Abgleiten in die Bedeutungslosigkeit programmiert.

Die zentrale Aufgabe der Gewerkschaften muss es daher sein, sich das politische Mandat wieder zurückzuerobern. Ohne einen Politikwechsel für mehr Beschäftigung und soziale Gerechtigkeit, ohne Veränderung der politischen Rahmenbedingungen wird es den Gewerkschaften nicht gelingen, die Defensive zu überwinden.

3. Veränderte ökonomische Bedingungen

Seit den 70er Jahren entwickeln sich gravierende ökonomische Veränderungen auf Weltmarkt. Das transnationale Kapital - kurz: die Multis - sind das strukturbestimmende Kapitalverhältnis des heutigen globalen Kapitalismus geworden. Sie sind die treibende Kraft der Globalisierung. Die Transnationalen Konzerne (TNK´s) beherrschen die Weltwirtschaft. Ein Viertel der Weltwirtschaftsleistung wird von den 200 größten Multis erzeugt. Sie bestimmen den Welthandel, sie entscheiden über Investitionen, sie beherrschen Forschung und Entwicklung. Die Multis haben ein über die ganze Welt gestreutes Netzwerk von Produktionsstätten aufgebaut. In diesem Netzwerk beschäftigen z. B. die 100 größten Multis knapp 13 Millionen Arbeitskräfte. Diese weltweit verteilten Entwicklungs- und Produktionsnetzwerke führen dazu, dass sich die Produktionskosten nicht mehr im nationalen Maßstab berechnen, sondern im Bezug auf die Produktionsbedingungen im weltweiten Zusammenhang. Aber nur die Multis sind in der Lage, diesen Vorteil zu nutzen.

Auf der ganzen Welt wollen diese Konzerne die Arbeitskraft billiger haben. Sie erpressen die jeweiligen Belegschaften mit Verlagerung. Weltweit steht ihnen dafür ein Heer an Arbeitskräften zur Verfügung. Erstmals erlauben moderne Kommunikationstechnologien und Transportmittel sowie die weltweit gleiche angewandte Technologie dem transnationalen Kapital weltweit die billigsten Arbeitskräfte, die besten Absatzmärkte und die günstigsten Bedingungen zu kombinieren. Auf dieser Basis setzt sich eine globale Entwertung der Arbeitskraft durch. Die Lebens- und Arbeitsbedingungen sollen auf die weltweit niedrigsten Niveau gebracht werden. Das Kapital geht dorthin wo der geringste Organisationsgrad der Gewerkschaften (oder gar keine) sind, wo die schlechtesten Arbeitsbedingungen herrschen und die geringsten Löhne gezahlt werden und machen dies zum Maß aller Dinge in den weltweiten Auseinandersetzungen zwischen Kapital und Arbeit.

4. Es gibt kein zurück zum Sozialstaat

Viele Funktionäre in den Gewerkschaftsführungen glauben es gäbe ein Zurück zum sogenannten Sozialstaat in der Bundesrepublik der 70-er Jahre, doch dies wird nicht möglich sein. Da wird zum einen der Sozialstaat im Nachhinein mit seinen Mängel und Defekten idealisiert, aber zweitens wird überhaupt nicht beachtet, dass es eine ganz bestimmte historische Konstellation war - geprägt von den inneren ökonomischen Bedingungen wie auch die äußeren der Systemkonkurrenz, auf deren Basis der sozialstaatliche Klassenkompromiss möglich war. Beide Aspekte treffen heute nicht mehr zu.

Die Logik des heutigen, globalisierten Kapitalismus ist inkompatibel mit sozialstaatlicher Regulierung. Die Erfahrungen der sozialen Kämpfe in Europa in der zurückliegenden Zeit zeigen, dass es selbst bei großen sozialen Bewegungen außerordentlich schwierig ist, soziale Rechte zu verteidigen.

Gescheitert ist außerdem der Versuch der keynesianischen Wirtschaftspolitik der Sozialdemokratie der 70-er Jahre, die darauf hinauslief, das Geld, das sie dem Kapital nicht wegnehmen wollte - denn wirkliche Umverteilung war Tabu - das sie aber trotzdem für Sozial- und Beschäftigungspolitik brauchte, aus dem wirtschaftlichen Wachstum und durch Staatsverschuldung zu finanzieren. Finanziert wird dieser gewaltige Schuldendienst durch Sozialabbau und Ausverkauf öffentlichen Eigentums. Wachstumszuwächse stehen nicht mehr zur Verfügung. Dies zeigte, die Verteilungsfrage lösen zu wollen, ohne die Eigentumsfrage zu berühren, hat nicht funktioniert.

Das macht vor allem deutlich: weitere wesentliche Unterschiede heutiger Reformpolitik zur sozialdemokratischen Reformpolitik der 70er Jahre besteht darin, dass Reformpolitik der politischen Konfrontation mit der Macht des Großkapitals, vor allem der Multis, nicht ausweichen kann, sondern sogar auf sie orientieren muss; dass mit Stellvertreterpolitik nichts mehr zu erreichen ist, sondern ein demokratisches, partizipatives, kämpferisches Politikverständnis erforderlich ist; dass über die Grenzen der kapitalistischen Produktionsweise hinausgedacht werden muss, um Fortschritte innerhalb des Kapitalismus zu erreichen.

Sozialstaatliche Regulierung wird sich, wenn überhaupt, nur noch durchsetzen lassen, wenn die sozialen Bewegungen, vor allem die Gewerkschaften und die arbeitende Klasse den Klassenkampf mit antikapitalistischem Charakter entwickeln und strukturelle antimonopolistische Reformen durchsetzen.

5. SPD und Gewerkschaften

Das alte Band zwischen der SPD und den Gewerkschaften zerfasert, wird dünner und steht vor einem endgültigen Bruch. Die Gewerkschaften stehen damit vor einer völlig neuen Situation: der politische Partner ist abhanden gekommen. Ja, er hat die Fronten gewechselt. Dies führt verständlicherweise zu Orientierungsschwierigkeiten.

Doch Teile der Gewerkschaften werfen sich - in der Hoffnung, Einfluss zu retten - auch dieser SPD-Politik an den Hals. Wenn die Anbindung der Gewerkschaftsbewegung an die SPD und deren Regierungspolitik fortgesetzt wird, wird dies über kurz oder lang zu einer Existenzkrise der Gewerkschaften führen. Sie muss aufgebrochen werden. Die SPD ist inzwischen wie die Grünen eine auswechselbare Variante zur CDU/CSU und FDP geworden. Wenn die Gewerkschaften eine Zukunft haben wollen, dann müssen sie sich konsequent von der Unterordnung unter die SPD lösen, eine autonome Interessenvertretung betreiben, selbst politisch und Teil einer Massenbewegung gegen Arbeitslosigkeit und neoliberale Zerstörung werden.

6. Innergewerkschaftliche Demokratie

In vielen Gewerkschaften liegt die Vertrauensleutearbeit am Boden. Sie neu zu intensivieren muss innergewerkschaftlich vorrangige Aufgabe sein, auch weil dies eine Voraussetzung ist die Gewerkschaften stärker in den Betrieben zu verankern und den Mitgliederrückgang zu stoppen. Der in der letzten Zeit zunehmende Orientierung des gewerkschaftlichen Apparates auf die Arbeit der Betriesräte kann damit ein notwendiges Korrektiv entgegen gesetzt werden. Die Rolle gewerkschaftlicher Vertrauenskörper muss genau so gestärkt und weiter entwickelt werden wie regelmäßige Mitgliederversammlungen in jenen Orten, in denen es keine Großbetriebe gibt. Die in einigen Bezirken stattfindende gewerkschaftliche Stadteilarbeit ist flächendeckend auszuwerten und ihre Erfahrungen für die gewerkschaftliche Arbeit nutzbar zu machen, um vor allem gesellschaftspolitische Positionen der Gewerkschaften unter breiten Teilen der Bevölkerung an Hand ihrer unmittelbaren Alltagsproblemen deutlich zu machen.

Im Sinne der Weiterentwicklung innergewerkschaftlicher Demokratie wäre es notwendig, wenn über Strategie und Taktik, aber auch über eine notwendige neue Programmatik und Zukunftsvorstellungen, ein umfassender Meinungsaustausch organisiert wird. Die Verständigung der Mitglieder ist zunächst das Ziel, um dann auch eine stärkere Massenwirkung für die politischen Ziele und Forderungen erreichen zu können.

Die Umsetzung von Gewerkschaftstagsbeschlüssen muss verbindlich und abrechenbar organisiert werden. Dem Prinzip der Einheitsgewerkschaft muss wieder Geltung verschafft werden. Voraussetzung dafür ist, dass dem Parteienproporz von SPD und CDU in den Gewerkschaftsführungen ein Ende bereitet wird. Die Auswahl in die gewerkschaftliche Führungsarbeit ist nach den fähigsten Köpfen und nicht nach Parteibüchern vorzunehmen.

7. Gewerkschaftliche Bildungsarbeit

Die gewerkschaftliche Bildungsarbeit verliert immer weiter an Bedeutung. Die politische Bildungsarbeit wurde zusehends zerstört. Bildungsthemen zunehmend dem kapitalistischen Mainstream angepasst und dabei den Argumenten des Kapitals in die Hände gearbeitet, wie beispielsweise das gemeinsame Positionspapier der Hans-Böckler-Stiftung und der Bertelsmann-Stiftung gezeigt hat. An betrieblich relevanten Themen, an wichtigen Feldern der betrieblichen Auseinandersetzung ist die gewerkschaftliche Bildungsarbeit nicht mehr dran und kann daher keine Hilfe, Antworten und Alternativkonzepte zu den Kapitalstrategien vermitteln. Aufgabe gewerkschaftlicher Bildungsarbeit muss es wieder sein, den Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit aufzuzeigen und Bewusstsein für die eigenen Interessen zu entwickeln.

8. Gewerkschaftliche Aufgaben

Wichtigste Aufgaben der Gewerkschaften ist zur Zeit den Widerstand der Beschäftigten und Arbeitslosen gegen die Angriffe des Kapitals zu organisieren. Voraussetzung dafür ist die Entwicklung von gewerkschaftlichen Gegenstrategien zur kapitalistischen Globalisierung, einzelgewerkschaftsübergreifend, europa- und weltweit.

Notwendig ist daher beispielsweise, dass der Kampf gegen Betriebsverlagerungen verbunden werden muss mit dem Kampf um die Kontrolle des Kapitals (denn das Kapital darf eben nicht frei sein überall dahin zu gehen, wo die höchsten Profite winken):

  • für wirksame Mitbestimmung der Belegschaften und der Gewerkschaften über Investitionen,
  • für staatliche Kapitalverkehrskontrollen,
  • für eine staatliche Politik, die sich den Anforderungen der Multis widersetzt und für die die Interessen der Mehrheit der Bevölkerung und der arbeitenden Klasse Priorität hat.

Dabei werden die Belegschaften multinationaler Konzerne eine hegemoniale Rolle für die gesamte Arbeiterbewegung spielen. Ihre Haltung und ihre Kämpfe haben eine Ausstrahlung, die weit über den direkt betroffenen Betrieb hinausgeht. Die Belegschaften der Multis sind der Teil der Klasse, der am engsten mit der modernen kapitalistischen Produktion verbunden ist, sie sind der Teil, bei dem objektiv die Herausbildung des internationalen Charakters der Klasse am weitesten fortgeschritten ist. Und sie bilden den Teil, der die kapitalistische Produktion am empfindlichsten treffen kann. Das zeigen die europaweiten Kämpfe der GM-Belegschaften 2000 zur Erhaltung des Produktionsstandortes Luton in England, das zeigte vor allem der zeitgleiche Streik der Hafenarbeiter in 14 Häfen Europas im März und September 2003 der entscheidend dazu beigetragen hat, die Port-Package-Richtlinie der EU zu verhindern, das machte aber auch der spontane Streik der Opel-Arbeiter in Bochum deutlich, durch den innerhalb kurzer Zeit die Standorte in Belgien, Schweden und anderen deutschen Werken betroffen waren.

Von daher besteht für die Arbeiterbeiterbewegung die Herausforderung, nicht nur das koordinierte Handeln der nationalen Gewerkschaftsverbände zu organisieren, sondern auch die Organisierung der Belegschaften grenzüberschreitend entlang der Wertketten der modernen Produktion rund um den Globus voranzutreiben. Ein Konzept der internationalen Zusammenarbeit der Gewerkschaften muss entwickeln werden. Es geht also auch darum, innerhalb der Multis eine handlungsfähige Gegenmacht aufzubauen. Dabei muss die Eigentumsfrage stärker in den Mittelpunkt gestellt werden. Voraussetzung dafür ist, die Beendigung der Stellvertreterpolitik und die Entwicklung eines demokratischen, partizipativen, kämpferischen Politikverständnisses, womit neue Formen der Einbeziehung der Beschäftigten entwickelt werden können. Dabei müssen erfolgreiche und gescheiterte Kämpfe ausgewertet und neue Kampfformen erprobt werden.

9. Gewerkschaften und die soziale Bewegung

Angesichts der umfassenden Angriffe des Kapitals ist es notwendiger denn je, dass die Gewerkschaften die Zusammenarbeit mit Bündnispartnern weiter entwickeln. Eine unmittelbar wichtige Aufgabe ist dabei aus unserer Sicht, die Zusammenarbeit mit der sozialen und globalisierungskritischen Bewegung zu verstärken. Diese neue Bewegung gegen den Neoliberalismus, die kapitalistische Globalisierung und den imperialistischen Krieg kann die Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung stimulieren. Aber umgekehrt braucht diese Bewegung auch die organisierte Kraft der Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung für die Schaffung einer sozialen und politischen Alternative. Nur mit einer sich entwickelnden außerparlamentarischen Bewegung, in der die Gewerkschaften ein wichtiger Motor sein können, kann das Kräfteverhältnis national und international verändert werden.

In Europa hat sich der Widerstand gegen die transnationale Agenda der Demontage des Sozialstaats in der Vergangenheit nur national formiert. Mit der Angleichung der Politik des Sozialabbaus der Regierungen der Mitgliedsländer der Europäischen Union eröffnet sich auch die Chance für einen europaweiten Kampf für die Verteidigung der sozialen Rechte. Die sozialen Bewegungen, die Gewerkschaftsbewegung, die systemalternative Linke müssen eine europäische Dimension annehmen. Ansonsten werden sie in den sozialen und politischen Auseinandersetzungen der nächsten Jahre untergehen.

10. Wende in der Gewerkschaftspolitik

Die Zeit ist reif für eine Wende in der Gewerkschaftspolitik. Das 1996 angenommene DGB-Programm passt nicht in diese Zeit und gibt keine überzeugenden Antworten auf die Herausforderungen von morgen. Real spielt es in der Gewerkschaftsbewegung keine Rolle. Das Ziel der Gewerkschaftsbewegung muss es sein, fortschrittliche Politik in der Gesellschaft hegemoniefähig und damit durchsetzbar zu machen. Niemand sollte sich Illusionen machen. Selbst ein Stopp der jetzigen Entwicklung wird nur durchsetzbar sein durch eine breite Mobilisierung der Belegschaften in den Betrieben. Der dringend notwendige Prozess der Reorganisation der Gewerkschaftsbewegung wird vermutlich längerer Zeit bedürfen. Es gibt allerdings keine Alternative dazu, wenn man nicht die Existenz der Gewerkschaften riskieren will.

Daher rufen wir Marxistinnen und Marxisten, die in den Gewerkschaften, in Betrieben und Verwaltungen tätig sind, alle Kolleginnen und Kollegen zu einer gemeinsamen Kraftanstrengung auf. Lasst uns die Gewerkschaften wieder zu Organisationen der Interessenvertretung der arbeitenden Klasse machen. Lasst uns solidarisch mit einander streiten, Ideen entwickeln, gemeinsam kämpfen. Solidarität ist unsere Kraft.


 



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Bearbeitet: 29.03.2006
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29.03.2006