Jugend

Geld für Bildung, nicht für Banken!

Rede auf dem Bildungsstreik

gehalten von Klaus Stein, 17. November 2011

Klaus Stein mit Mikrofon.

Liebe Freunde

Ich spreche hier als Vertreter von Occupycologne. Wir sind Teil der Bewegung, die in den vergangenen Wochen überall in der Welt große Aktionen zustande gebracht hat. Wir demonstrieren gegen die Macht der Banken. Wir finden es falsch, dass die Regierungen Riesensummen für die ohnehin schon Reichen rausschmeißen. Das ist unsozial und undemokratisch. Wir wollen Demokratie jetzt.

 

Und heute abend um halb sechs demonstrieren wir hier auf dem Rudolfplatz. Unsere Forderung: Geld für die Bildung, nicht für Banken!

 

Occupycologne ist solidarisch mit Euch. Wir finden es toll, dass Ihr heute auf der Straße seid und für Eure Forderungen eintretet. Aber ihr werdet noch viel Geduld brauchen.

Denn die Bildungsmisere ist weder Zufall noch Schlamperei. Trotz einiger Erfolge im vergangenen Jahr besteht sie fort. Sie ist gewollt und lange vorbereitet.

Aber wer will so was?

Ich werde heute nur einen Akteur nennen. Es handelt sich um den Bertelsmann-Konzern. Das ist der viertgrößte Medienkonzern auf der Welt. Eine riesige geistige Macht. Vielleicht sollte ich besser sagen: ein Verdummungskonzern. Allein in Europa gehören ihm 45 Fernseh- und 32 Radiosender, in Deutschland sind das RTL, RTL II, Super RTL, Vox, n-tv und andere.

Dazu kommen große Verlage und jede Menge Zeitschriften, beispielsweise 300 Magazine, die bei Gruner & Jahr erscheinen.

Demonstranten mit roten und grünen Fahnen.Ich nenne drei Beispiele für die Macht von Bertelsmann: Bis 1996 bestimmte der Duden die Recht­schrei­bung. Dann hat Bertels­mann für eine Recht­schreib­re­form gesorgt. Diese Recht­schreib­re­form gilt nach vielem Hin und Her, nach Protesten von Fach­leuten und Verlagen seit August 2006. Jetzt ist der Duden als Kon­kur­rent aus­ge­schal­tet. Und es mußten Millionen von Schul­büchern neu gedruckt und vor allem gekauft werden. Daran hat Bertels­mann viel Geld verdient.

Ein anderes Beispiel: Der Haßprediger Thilo Sarrazin hat im vergangenen Jahr ein Buch veröffentlicht. Es heißt: Deutschland schafft sich ab. Darin sagt Sarrazin, dass Türken dümmer sind als Deutsche. Und er gibt auch sonst zahlreiche rassistische Sprüche von sich. Das Buch ist bei einem Bertelsmann-Verlag erschienen. Die Bertelsmann-Zeitschriften bewerben es. Sarrazin konnte auf vielen Fernsehstationen für sein Buch Reklame machen, er trat in zahlreichen Talkshows auf, im April war das Buch schon 1,3 Millionen mal verkauft. Seine Fans von NPD und Pro Köln sind begeistert. Ich vermute, das Buch ist beim Verfassungsschutz Pflichtlektüre.

KundgebungDas dritte Beispiel:

Vor vier Jahren, am 12. Oktober 2007, hatte das Handelsblatt Gründe für einen Triumph. Diese wirtschaftsnahe Zeitung titelte: »Manager erobern Kontrolle an den Unis.« Und zählte auf, wer von den hochrangigen Konzern- und Bankherren an den Hochschulen bestimmt. Wie konnte es dazu kommen? In NRW ist folgendes passiert:

Das sogenannte Centrum für Hochschulentwicklung, eine Filiale der Bertelsmannstiftung, veröffentlichte am 20. Dezember 2005 zehn Forderungen an ein Hochschulfreiheitsgesetz. Kern der Forderungen ist die sogenannte Autonomie. Die Hochschulen würden von staatlicher Bevormundung befreit. Aber dafür sollen die großen Konzerne und Banken auf die künftige Forschung und Lehre Zugriff bekommen. Sie sollen bestimmen.

Keine sechs Wochen nach diesem Vorschlag von Bertelsmann, im Januar 2006, reagiert der zuständige Landesminister Pinkwart vom Ministerium für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie. Eilfertig und eifrig. Er tritt vor die Presse und stellt der staunenden Öffentlichkeit sogenannte Eckpunkte eines geplanten Hochschulfreiheitsgesetzes vor. Wie zufällig gleichen sie bis in den Wortlaut hinein den Bertelsmannvorgaben.

Noch mal vier Monate später, im Mai 2006, ist das Gesetz fertig. Die Landesregierung bringt es auf den parlamentarischen Weg, so dass es am 1. Januar 2007 in Kraft treten kann. Jetzt haben die NRW-Hochschulen einen Hochschulrat an der Backe, in dem just die Vertreter von Banken und Konzernen das große Wort führen, an der Uni Köln beispielsweise Vorstandsmitglieder von Bayer und der Deutschen Bank.

 

Liebe Auszubildende, liebe Schülerinnen und Schüler, liebe Studierende, seid nicht mehr lieb!

Wir von Occupycologne wollen, dass Geld nicht nur für die Profite der Wirtschaft ausgegeben wird. Wir treten dafür ein, dass es stattdessen für die Menschen und für ihre Zukunft, insbesondere für die Bildung verwendet wird.

Wir erkennen, dass die herrschende Politik nicht im Interesse kommender Generationen handelt, sondern nur Löcher im derzeitigen System stopft. Banken und Konzerne, aber auch die Bundeswehr haben an den Schulen und Hochschulen nichts zu suchen. Wir wollen eine demokratische Allgemeinbildung statt nur kurzfristig verwertbarer Qualifikationen. Schule darf nicht weiter nach Arm und Reich sortieren. Wir wollen Bildung für alle!

 

Fotos: Uwe Koopmann