Soziales
Bertelsmann und die Gesundheits»reform«
Nicht nur das Gesundheitssystem wird durchkapitalisiert
Das erklärte Ziel der letzten Gesundheits»reform« ist es die betriebswirtschaftliche Orientierung des Gesundheitswesens in allen Sektoren mit einer größeren Flexibilität und Konkurrenz unter den ambulant tätigen »Anbietern« zu verbinden.
»Denkfabrik« Bertelsmann-Stiftung
Diese Umstrukturierungspläne sind in vielen grundlegenden Dokumenten der Unternehmerverbände – insbesondere ihres Spitzenverbandes, der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände – BDA, ausgearbeitet worden sind. Ein Ideengeber für die »Reformen« und den kapitalistischen Umbau des öffentlich-rechtlichen Gesundheitssystems ist die seit 1977 bestehende Bertelsmann-Stiftung, die über 76 Prozent des Aktienkapitals des viertgrößten Medienkonzerns der Welt, der Bertelsmann-AG, hält. Die AG hat einen Jahresumsatz von knapp 20 Mrd. Euro und beschäftigt weltweit ca. 97 000 Mitarbeiter.
Für die Stiftung sind 330 Mitarbeiter tätig; sie verfügte im Jahr 2004 über ein Vermögen von 766 Millionen Euro. Sie wird direkt von der Familie Mohn, der Besitzerin der Bertelsmann-AG, angeleitet und kontrolliert. Im Stiftungskuratorium sind darüber hinaus Vertreter von Konzernen wie Nestlé, E.ON, Schering-AG aber auch des ZDF sowie die ehemalige Bundestagspräsidentin Süssmuth (CDU) vertreten. Die Bertelsmann-Stiftung finanziert und organisiert die Produktion von »Blaupausen« durch die Vergabe von »wissenschaftlichen« Konferenzen und Studien auf Grund derer die konkreten Umbaumaßnahmen des öffentlich-rechtlichen Sozial- und Gesundheitssystems erfolgen.
»Unternehmerische Gestaltung« aller Lebensbereiche
Gemäß Grundprinzip und Leitbild der Stiftung sollen »die Grundsätze unternehmerischer, leistungsgerechter Gestaltung in allen Lebensbereichen zur Anwendung gebracht werden«. Dies gipfelt im Auftrag »so wenig Staat wie möglich«. Denn: »Wettbewerb und bürgerschaftliches Engagement (sind) eine wesentliche Basis für gesellschaftlichen Fortschritt.« Nach dieser Maxime geht die Stiftung auch im Bildungs- und Gesundheitswesen vor.
Dazu hat sie neben dem »Centrum für Hochschulentwicklung« und dem »Projekt Selbstständige Schule« im Jahr 1994 das »Centrum für Krankenhaus Management« eingerichtet. Das »CKM« soll nach eigener Darstellung Wege aufzeigen »wie praxisbewährte Management-Methoden aus Industrie, Handel und Dienstleistungsbranche in Krankenhäusern und anderen Institutionen des Gesundheitswesens genutzt werden können.«
Wachsende Kritik – nicht nur von links
Diese Rolle einer »Denkfabrik« für die Durchkapitalisierung des Bildungs-, Sozial- und Gesundheitssystems gerät mittlerweile zunehmend unter öffentliche Kritik und – das ist das Neue und Erstaunliche – nicht nur von ausgemachten Linken und Kommunisten, von denen man so etwas ohnehin erwartet. So wurde jetzt auf und am Rande der Bundesdelegiertenkonferenz des Bundesverbands der Vertragspsychotherapeuten (bvvp) über den erstaunlichen Brief eines CSU-Kreisratsmitgliedes und Hausarztes, Dr. Jan Erik Döllei, aus Altötting/Burghausen, informiert, der die Drahtzieherfunktion der Bertelsmann-Stiftung heftig kritisiert.
In dem Brief heißt es u. a.: »Ich bin 38 Jahre alt und Allgemeinarzt mit einer gut gehenden Hausarztpraxis in Neuötting, Oberbayern, geistig gesund und ein völlig normaler Bürger mit einer Lebensgefährtin und einem 15 Monate altem Sohn, bin seit 12 Jahren Gemeinderat und seit sechs Jahren Kreisrat der CSU, einer Partei, die sicherlich weit entfernt ist vom Ruf, linkspolitische und revolutionäre Gedanken zu pflegen. …
Alle Gesundheitsreformen der letzten Jahre hatten nur ein Ziel, nämlich die gesamten Leistungserbringer derart in finanzielle Misslage zu bringen, dass man sich förmlich nach einem Heilsbringer in Form eines professionellen Großbetriebes sehnt, der einem die Last der stetigen Existenzbedrohung von den Schultern nimmt. …
Unsere breit gefächerte Arztlandschaft soll also ganz bewusst umgebaut werden zu einer reinen Monokultur, die nur der Gewinnerzielung dient und den einzelnen Patienten als Wertschöpfungsfaktor und nicht als Mensch behandelt. … Wie kann ein Staat bewusst seine Mitglieder zu gläsernen Wirtschaftsgütern machen? … Die Initiatoren, die still und heimlich unsere Politiker derart stark beeinflusst haben, dass sie zufrieden und mit reinem Gewissen die Grundfesten unseres Staates auf den Markt werfen, sind klar zu nennen: es handelt sich um Liz und Reinhard Mohn, unterstützt von ihrer Freundin Frieda Springer. …
»Geniales Steuersparmodell«
Das Ehepaar Mohn besitzt, als reiner Familienbetrieb, sowohl die Bertelsmann AG, als auch die Bertelsmann Stiftung, ein geniales Steuersparmodell, denn die Stiftung ist derzeit immer noch als gemeinnützig anerkannt … Durch die Gemeinnützigkeit muss die Stiftung die Dividendenausschüttung erheblich begünstigter versteuern, als es die Familie Mohn müsste, wenn sie als privater Eigner Steuern zahlen würde. … Frieda Springer, die Witwe von Axel Springer besitzt die Hauptanteile des Springerkonzerns und die beiden Damen sitzen häufig bei einem Plausch bei ihrer Freundin Angela Merkel. … Ein Kaffeekränzchen regiert unser Land. …
Was Bertelsmann davon hat, unsere Bürger zu vermarkten? Nun, Frau Liz Mohn sitzt im Aufsichtsrat der Rhön Kliniken AG, dem größten privaten Klinikbetreiber in Deutschland.
Und ich bin überzeugt, dass es noch tausend anderer gewinnversprechender Gründe gibt, mit denen sich die Bertelsmann AG dieses völlig neue, bisher geschützte Wirtschaftsfeld erschließen wird. Sei es durch Schriftmedien, Kommunikationsplattformen, Fernsehprogrammen etc. …
Bertelsmann und die Elektronische Patientenkarte
Nett ist auch die Geschichte mit der E-card, die von den Stiftungsgremien immer als Weg aus der Intransparenz und dem angeblichen Mangel an Kommunikation zwischen den medizinischen Leistungserbringern hochgehalten wird. Obwohl sich alle Ärzteverbände dagegen aussprechen, weil die E-card eindeutig ein Eingriff in die ärztliche Schweigepflicht und die Individualität des einzelnen Bürgers ist, betreibt das Bundesgesundheitsministerium weiter deren Einführung.
Beauftragt, für ein Volumen von vorrausichtlich 1,9 Milliarden Euro ist der Konzernteil Arvato. Es ist übrigens müßig zu nennen, dass dieses Unternehmen zusammen mit dem Verlag Gruner + Jahr und dem Springer Konzern das modernste Druckzentrum Europas Prinovis hält. Je tiefer man sucht, desto öfter findet man die Verquickung der selbsternannten Eliten, die uns in Wirklichkeit regieren. …
Ich habe Angst vor dieser ganzen Verstrickung und erst recht vor dem Gedanken, in einem Land zu leben, das längst in den Händen von Konzernen ist. Ich kann nur diese Ergebnisse meiner Recherche darstellen und allen verantwortungsvollen Bürgern erklären, in der Hoffnung, dass dadurch eine Diskussion angeregt wird, in allen Bereichen des täglichen Lebens.«
Muss man dem noch etwas hinzufügen?