Betrieb & Gewerkschaft
Weihnachtsgeschäft vermasseln
Amazon soll im umsatzstärksten Monat bestreikt werden
Dem größten Internethändler Amazon drohen Streiks im Weihnachtsgeschäft. Ver.di kündigte wegen prekärer Beschäftigungen und Billiglöhnen neue Arbeitskämpfe an. Noch im September legten Hunderte von Beschäftigten in Bad Hersfeld und Leipzig die Arbeit nieder.
Die Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft fordert vom größten Internet-Händler bessere tarifliche Regelungen und höhere Löhne. Orientiert wird sich dabei an den Tarifen des Einzel- und Versandhandels. »Man werde dann zu Streiks aufrufen, wenn es besonders wehtue«, so ein Verdi-Sprecher.»Neben Leipzig und Bad Hersfeld könnten auch andere deutsche Standorte betroffen sein. Dies würde zurzeit geprüft«.
Beim amerikanischen Versandhändler wird nicht nur schlecht verdient. Die Liste miserabler Arbeitsbedingungen ist lang. Der Konzern setzt in seinen acht deutschen Logistikzentren auf Überwachung und ständige Kontrollen. Auf Einschüchterung, Gängelei und psychischen Druck. Zu dieser profitorientierten Geschäftspolitik gehören ferner Saisonkräfte, Massen von Leiharbeitern und unbezahlte Überstunden. Kündigungen, die täglich ausgesprochen werden. Mit diesen Methoden ist der Konzern in der Lage rund zwei Millionen Bestellungen und die dazu notwendigen Sendungen täglich zu bearbeiten. In Stellenanzeigen wird in einem immer größer werdenden Radius nach billigen Arbeitskräften gesucht, die noch nicht für das Unternehmen gearbeitet haben. Entfernungen von 60 Kilometern und mehr zwischen Wohnort und Arbeitsstätte sind keine Seltenheit.
Geht es nach den Vorstellungen der Konzernleitung will man nichts ändern. Weiterhin sollen Billiglöhne nach der Logistikbranche gezahlt werden. Damit ist Amazon ein Lohndrücker ersten Ranges. Der US-Riese gehört zum klassischen Versandhandel, wie Neckermann und Otto, zahlt aber nur Einstiegsgehälter von 9,65 bis 11,12 Euro. Würde dagegen nach Versandhandel-Tarif bezahlt, wären es 11,47 Euro und 11,94 Euro Stundenlohn. Vorderste Plätze nimmt das Unternehmen auch bei befristeten Arbeitsverträgen ein. So haben von 3.700 Beschäftigten in Bad Hersfeld, einem der größten Logistikzentren, 2100 befristete Jobs. Die Gewerkschaft fordert neben einem Lohn- und Gehaltsvertrag deshalb deutlich mehr unbefristete Arbeit. Schon jetzt bietet ver.di Rechtsschutz an, wenn ein unbefristeter Vertrag geltend gemacht werden kann. Damit konnte der Organisationsgrad deutlich erhöht werden.
Mobilisierend für die Beschäftigten war auch die ARD-Dokumentation »Ausgeliefert«. Die Sendung trug dazu bei, die Abhängigkeit, die tägliche Ausbeutung durch Niedriglöhne in die betriebliche Auseinandersetzung zu bringen. Große Teile der Belegschaften organisierten sich danach in ver.di. Sie wählten an allen Standorten Betriebsräte. Nach der Ausstrahlung des ARD-Films entwickelte sich außerdem eine Diskussion von Kunden in Internetforen über einen Boykott des Konzerns.
Die neuen Betriebsräte haben alle Hände voll zu tun. Der extreme Leistungsdruck, die systematische Überwachung des Arbeitspensums der Beschäftigten, verlangen ein konsequentes Vorgehen gegen die Kapitalseite. Neben den genannten Arbeitsbedingungen gibt es schlecht geheizte Lagerhallen, kaum Sitzgelegenheiten, auch wenn Arbeitsabläufe dies ermöglichen würden. Betriebsräte, die hier eine Verbesserung erreichen wollen, oder nach dem Betriebsverfassungsgesetz Mitbestimmungsrechte einfordern, bekommen die Geschlossenheit des Konzerns zu spüren. Nachdem die Wahl von Betriebsräten nicht verhindert werden konnte, versuchen die Bosse der Logistikzentren jetzt bei einzelnen Mitgliedern der Betriebsräte Einfluss zu bekommen. Dies dürfte eine Erklärung dafür sein, warum in Pforzheim bei der konstituierenden Sitzung der Wählerwille, wie er sich im Wahlergebnis niedergeschlagen hatte, nicht berücksichtigt wurde. Die Verdi-Liste hatte bei der Betriebsratswahl das beste Ergebnis aller sechs angetretenen Listen erreicht. Wurde jedoch weder bei der Wahl des Vorsitzenden und seines Stellvertreters noch bei der Besetzung von Freistellungen berücksichtigt.
Wichtiger scheint zu sein, dass die Gewerkschaft als Einheit geschlossen gegenüber dem Konzern auftritt und die Tarifauseinandersetzung führt. Dazu gehört, den Arbeitskampf nicht nur dem zuständigen ver.di Fachbereich zu überlassen. Die Forderung nach mehr Lohn im Kapitalismus ist immer auch eine Klassenauseinandersetzung. Eingefordert muss die Solidarität und Unterstützung der anderen Fachbereiche, wie beispielweise des Einzelhandels und anderer Einzelgewerkschaften.
Mit der Ausbeutung seiner Beschäftigten verdient der Online-Shop Milliarden. Der Umsatz stieg um 22 Prozent auf 15,7 Milliarden Dollar. Weltweit arbeiten in diesem Jahr 97.000 Menschen bei Amazon. 2012 waren es noch 69.000 Beschäftigte. In Deutschland sind es rund 9.000. Der Monopolist vertreibt digitale Medien, wie Filme, Musik sowie elektronische und gedruckte Bücher.
Herbert Schedlbauer
Bild: Ver.di