Gundel Kahl 1931 – 2012

Trauerfeier Gundel Kahl

Porträt Gundel Kahl.

Am Donnerstag, den 20. September, fand die Trauer­feier für Gundel Kahl in der Kapelle des Gerres­heimer Fried­hofs in Düssel­dorf statt. Zahl­reiche Freunde, Genos­sinnen und Genos­sen beglei­te­ten sie auf ihrem letz­ten Weg. Klaus Stein hielt die Trauerrede.

 

Liebe Freunde, liebe Genossinnen und Genossen,

wir trauern um Gundel Kahl. Sie hatte auf der Jahres­abschluss­feier mitten unter den Genos­sin­nen und Genos­sen ihrer Partei­gruppe im Dezem­ber vergan­genen Jahres einen Schlag­anfall. Mit schnellen medizi­ni­schen Maß­nahmen wurde ihr Leben geret­tet, aber sie hat unter den folgen­den Behin­derungen sehr gelitten. Zu danken ist den­jeni­gen, die sich in diesen Mona­ten um sie geküm­mert haben, vor allem Inge Tram­bowsky, Jürgen Schuh, Klaus Hübinger und ihrer Nach­barin Karin Bröckel­mann.

Gundels Tod, der in der Nacht vom 27. auf den 28. August eintrat, war am Ende für sie eine Erlö­sung. Uns fehlt sie jetzt, wie sehr, werden wir erst allmäh­lich gewahr.

Gundel Kahl ist am 3. Mai 1931 in Düssel­dorf geboren. Ihr Vater war ein Kommu­nist. Die erste Zeit hat die Familie auf der Esse­ner Straße in Deren­dorf gewohnt. Als junge Frau – und gestatten sie mir die Bemer­kung, sie muss eine sehr schöne junge Frau gewesen sein – ist sie der FDJ beige­treten, in die KPD 1950. Sie hat sich damals an den politi­schen Aktivi­täten gegen die Teilung Deutsch­lands, gegen die Wieder­bewaff­nung der jungen Bundes­republik, gegen die Atom­bombe beteiligt. Dennoch war sie mit der Restau­ration der alten Macht­verhält­nisse konfron­tiert, musste beobach­ten, wie alte Nazis wieder in ihre Funktio­nen kamen, während gleich­zeitig ihre Genos­sen und Friedens­freunde durch das Verbot der FDJ und anderer linker Organi­sa­tio­nen krimi­nali­siert und schon wieder in Gefäng­nisse gewor­fen wurden. Sie selbst gehörte zu den Inhaf­tierten, die in der KPD-Zeitung »Freies Volk« im Novem­ber 1962 erwähnt werden. Insge­samt werden da 37 Genos­sin­nen und Genos­sen genannt, darunter ihr Mann Franz. Andere Genos­sen waren: Willi Gerns, Otto Henke, Helmut Klier, Karl Schab­rod, Herbert Wils. Übrigens auch Gerd Hum­bach, dessen Tod die Kölner Genos­sin­nen und Genos­sen vor kurzem eben­falls betrauern mussten.

Gundel selbst kam mit einigen Wochen Unter­su­chungs­haft in Neuß davon, andere hatten mehrere Jahre Straf­haft wegen ihrer politi­schen Ansich­ten und Betäti­gun­gen abzusitzen.

Sie und Franz Kahl waren seit Dezember 1951 verhei­ratet. Ihr Sohn Rein­hold ist 1954 geboren. Wir ken­nen seinen Aufent­halts­ort nicht. Sie hat selten von ihm gesprochen.

Als 1968 die Deutsche Kommu­nis­tische Partei konsti­tuiert wurde und die Kom­mu­nis­ten damit wieder legal tätig sein konn­ten, war sei dabei. Sie wurde Mitglied im Bezirks­vorstand der DKP und war einige Jahre im Partei­vorstand. Sie war Kreis­spre­cherin der Düssel­dorfer DKP und Mitglied im Düssel­dorfer Stadt­rat – bis 2009 für die Linke Liste, ab da für die Partei die Linke und bis zuletzt im Frauen­aus­schuss des Stadtrats.

Ich habe sie Anfang der siebzi­ger Jahre kennen­gelernt. Sie war seiner­zeit haupt­amt­lich beim Bezirk Rhein­land-West­falen der DKP im Bündnis­bereich tätig. Sie hat die DKP-Bezirks­frauen­kom­mis­sion mitbe­grün­det und sich dort noch lange enga­giert, suchte auch immer das Gespräch mit anderen Bündnis­part­nerin­nen. Kontinu­ier­lich war sie in der Düssel­dorfer Frauen­bewe­gung tätig, in den 70er Jahren aktiv bei Demonstra­tionen und im Bündnis für die Abschaf­fung des § 218, bei den jährlich fälligen Aktivi­täten zum 8. März und beim Frauen­streik 1994. Florence versichert mir, dass sie viel Wert­schätzung von jüngeren und anders­den­kenden Frauen erfuhr.

Ich selbst bekam zunächst in der Berufs­verbots­bewe­gung mit ihr zu tun. Auch hier war sie sehr wirk­sam. Wenn die Landes­regie­rung 1980 in wesent­lichen Punk­ten ihre dies­bezüg­liche Politik revi­dieren musste und seiner­zeit über 80 Betrof­fene in NRW in den öffent­lichen Dienst über­nom­men wurden, dann ist dabei sicher­lich den viel­fäl­tigen demo­kra­tischen Initia­tiven einschließ­lich der von Sozial­demo­kraten zu danken, aber ohne die Kom­munis­ten ging es nicht und nicht ohne Gundel. Wir haben in der Folge viel gemein­same politi­sche Arbeit gemacht, häufig auf der Straße gemein­sam Flug­blät­ter verteilt. Sie gehörte zu den­jeni­gen, die nach den Brüchen Ende der 80er Jahre die in ihrer Exis­tenz bedrohte DKP am Leben hielten. Sie blieb dabei fröhlich, diszi­pli­niert und bescheiden. Und mutig.

Den Verlust ihres Mannes hat sie sich selten anmer­ken lassen. Franz ist im Juli 1992 gestorben. Jupp Angen­fort erwähnte in seiner Trauer­rede: »Mit Recht hat Gundel gesagt, dass es ihr nicht mög­lich gewe­sen wäre, all die Arbeit für die DKP auf sich zu nehmen, wenn da nicht die Hilfe, das Verständ­nis, das soli­da­ri­sche Verhal­ten von Franz gewesen wäre«.

Gundel legte sich indes bald nach dem Tod ihres Man?nes einen Hund zu, einen Rottweiler. Auf den ließ sie nichts kommen. Meinen Respekt vor diesem Tier hat sie mit mildem Spott ertragen. Glück­licher­weise hat sie sich später mit einer etwas kleine­ren Rasse zufrieden gegeben.

Gundel, die gerne las, hat sehr darunter gelitten, daß in den letzten Jahren ihre Augen schwächer wurden. Zuletzt war sie fast blind.

Sie hat mir mal gestanden, dass sie bei Stalins Tod geweint habe. Das war ihr nicht mehr anzu­mer­ken, wenn sie sich konse­quent in Bünd­nis­sen und für die Zusam­men­ar­beit der Linken einge­setzt hat. Gemein­sam haben wir die Verschlin­gun­gen und Debat­ten unserer Partei über das Verhält­nis zur PDS und der Partei Die Linke ertragen. Sie, die eine wesent­liche Kraft bei der Erhal­tung der DKP gewe­sen war, hat sich immer für eine enge Zu­sam­men­arbeit einge­setzt. Und es rührt uns an, wenn wir die Trauer­an­zei­ge der Düs­sel­dorfer Rats­frak­tion der Partei die Linke in der gestri­gen jungen Welt lesen. Die Genos­sin­nen und Genos­sen haben Gundel ein schö­nes Zitat von Rosa Luxem­burg gewid­met, das ich ans Ende dieser kleinen Rede stellen möchte:

»So ist das Leben und so muss man es nehmen, tapfer, unverzagt und lächelnd – trotz alledem.«