Politik

Sumpf und Seuche

Köln, 13.04.2021 | Referat auf der Kreisvorstandssitzung

Bis zum 26. September kommt noch Vieles ins Rutschen

Schlossruine.

Archegos Capital

Der Archegosaurus lebte während des Karbon, des Perm und der Trias, also vor 300 bis 200 Millionen Jahren, verfügte über eine lange Schnauze und ähnelte, obgleich er nicht gepanzert war, heutigen Krokodilen. Nicht ganz klar ist, ob dieses Vieh der Ahne heutiger Amphibien oder nur ausgestorben ist.

Ebensowenig ist klar, was sich der Eigentümer des Hedgefonds gedacht hat, als er ihm den Namen Archegos gab. Es handelt sich um den gebürtigen Koreaner Bill Hwang. Der Zusammenbruch seines Hedgefonds Ende März sorgt bei einigen großen Banken für gewaltige Schäden. Die Schweizer Großbank Credit Suisse beziffert ihren Verlust mit 4,4 Milliarden Franken, also vier Milliarden Euro. Die japanische Bank Nomura verliert zwei Milliarden Dollar.

Aber es gibt weitere Banken, die dem Hedgefonds Geld für Aktienkäufe geliehen hatten und die nunmehr Milliarden abschreiben müssen.

Hedgefonds hebeln gerne, das heißt, sie spekulieren mit dem Geld anderer Leute. Archegos nutzte dafür bevorzugt sogenannte Differenzkontrakte, CfDs. Das sind Derivate, mit denen auf Kursänderungen gewettet wird. Vorgeblich werden mit CfDs Kursschwankungen abgesichert, tatsächlich aber wird spekuliert – mit den Risiko erheblicher Nachschusspflichten. Es müssen Sicherheiten hinterlegt werden. Aktien dienen als Pfand. Im Falle von Kursverlusten beeilen sich die Banken mit der Verkauf der hinterlegten Papiere, sobald es der Schuldner versäumt, weitere Wertpapiere nachzuschießen. Es gilt: wer zuerst kommt, mahlt zuerst.

 

Aus Gründen, die ich nicht kenne, waren in der Woche nach dem 22. März die Aktien des US-Medienunternehmens namens ViacomCBS nach starken Kursgewinnen plötzlich eingebrochen. Goldman Sachs und Morgan Stanley beeilten sich, verpfändete Papiere im Wert von 20 Milliarden Dollar auf den Markt zu werfen. Goldman Sachs verhökerte noch am Freitag, den 26. März, Aktien von Baidu, Tencent Music Entertainment und Vipshop Holdings im Wert von 6,6 Milliarden Dollar und Aktien von Viacom CBS und Iqiyi im Volumen von 3,9 Milliarden Dollar. Morgan Stanley warf wenige Stunden später Aktien von Farfetch, Discovery, Baidu und GSX Techedu im Wert von rund 13 Milliarden Dollar auf den Markt. In der Presse wurde das kommentiert als eine Aktion nach dem Motto: «Rette sich, wer kann». Andere Banken hatten das Nachsehen, denn derartige Aktionen beschleunigen den Wertverfall.

Die japanische Bank Nomura schätzt ihren Verlust auf zwei Milliarden Dollar. Ihr Aktienkurs der Nomura Holdings fiel um 16 Prozent. Der Credit Suisse ging es ebenso. Ihr Kurs rauschte am Montag, 29. März, ebenfalls um 16 Prozent nach unten. Für die Schweizer Bank ist die Archegos-Affäre schon das zweite Desaster innerhalb weniger Tage. Anfang März hatte sie begonnen, vier zusammen mit Greensill Capital betriebene Lieferketten-Finanzierungs-Fonds abzuwickeln. Gesamtvolumen zehn Milliarden Dollar. Noch ist nicht klar, was davon übrig bleibt, ebenso, ob und wie die Credit Suisse die Investoren entschädigen wird.

Einige Veröffentlichungen vergleichen die Affäre mit dem Zusammenbruch des Hedgefonds LTCM (Long-Term Capital Management) im Jahr 1998. Allerdings hatte diese Krise eine andere Größenordnung. Damals verfügte die LTCM über 4 Mrd Dollar Eigenkapital. Dem stand ein Portfolio für 125 Mrd Dollar als Leerverkauf gegenüber. Die Derivate erreichten am Ende einen Wert von 1,25 Billionen Dollar. Besonders peinlich war, dass unter den Direktoren des Hedgefonds Myron S. Scholes und Robert Carhart Merton waren, denen noch 1997 der Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften verliehen worden war. Die Gefahr für das internationale Finanzsystem konnte erst durch eine Rettungsaktion der FED abgewendet werden. Alan Greenspan senkte die Leitzinsen. Die LTCM bekam frisches Kapital in Höhe von insgesamt 3,75 Mrd Dollar und eine neue Geschäftsführung. Im Jahr 2000 wurde der Fonds aufgelöst. In der Archegos-Krise verbrennen, wenn man den Zeitungen glauben darf, etwa 50 Mrd Dollar. Aber die Affäre ist noch nicht ausgestanden.

 

Greensill

Am 3. März wurde die Bremer Greensill Bank durch die Finanzaufsicht geschlossen. Bei Greensill handelt sich um den deutschen Ableger des gleichnamigen britisch-australischen Finanzinstituts. Die Bank hatte sich auf kurzfristige Finanzierungslösungen spezialisiert, übernahm einerseits Rechnungen von klammen Unternehmen, andererseits versprach sie ungewöhnlich hohe Zinsen und sammelte in großem Stil Einlagen ein. Methode Schneeball.

2019 war die Bilanzsumme geradezu explodiert und um 472 Prozent auf gut 3,8 Milliarden Euro gestiegen. Ende 2020 waren es nach BaFin-Angaben dann rund 4,5 Milliarden Euro. Auch die Kundeneinlagen hatten sich von 2018 auf 2019 fast von knapp 582 Millionen Euro auf über 3,2 Milliarden Euro versechsfacht.

Wir können davon ausgehen, dass drei Milliarden Euro durch die Einlagensicherung gedeckt sind. Aber 500 Millionen Euro sind es nicht. Zahlreiche Kommunen sind betroffen. Ganz oben rangiert das Land Thüringen mit 50 Mio Euro. Dann folgt schon Monheim mit 38 Mio, Eschborn mit 35 Mio, Wiesbaden mit 20 Mio Euro. Und so weiter. 38 Kommunen wollen gemeinsam um ihr Geld kämpfen.

Köln hängt zweifach drin. Die Einlagen von Gesellschaften des Stadtwerke-Konzerns werden diesen zwar erstattet. Die Bühnen der Stadt Köln aber gehen leer aus. Sie hatten in zwei Tranchen jeweils 7,5 Millionen Euro kurzfristig als Festgeld angelegt, um Negativzinsen zu vermeiden. Das Geld ist weg.

Zum Vergleich: Als wir im Jahr 2013 gegen Bürgerzentren und anderen sozialen Einrichtungen drohende Sparmaßnahmen abwenden konnten, ging es um 20 Millionen Euro.

 

Wirecard

Wirecard war ein börsennotierter deutscher Zahlungsabwickler und Finanzdienstleister mit Banklizenz. Irgendwann fehlten 1,9 Milliarden Euro. Im Juni vergangenen Jahres meldete Wirecard Insolvenz an. Es geht um Betrug. Chef Markus Braun ist in Haft, Vorstandsmitglied Jan Marsalek flüchtig.

 

Dolphin

Eine andere schöne Geschichte ging ebenfalls im vergangenen Juni zu Ende. Gestern berichtete die ARD spät abends in einer Reportage davon. Unweit von Sassnitz auf Rügen liegt die Ruine des Herrenhauses von Gut Lancken. Urspünglicher Eigentümer von Schloss Dwasieden war Bankier Adolph von Hansemann (1826-1903) gewesen. Adolph war der Sohn von David Hansemann, im Revolutionsjahr 1848 preußischer Finanzminister, 1851 Gründer der Disconto-Gesellschaft, dem Vorgänger-Institut der Deutschen Bank.

Nach 1990 machten sich einige Leute Gedanken, was man mit dieser Ruine anfangen könnte. Schließlich erwarb im Jahr 2018 das Immobilienunternehmen Dolphin Capital das Schloss. Preis 18 Millionen Euro. Die Mittel stammten von ausländischen Anlegern. Das Anwesen wurde als Beleihungsobjekt genutzt. Das Unternehmen ließ für Dwasieden Grundschulden von 117 Millionen Euro ins Grundbuch eintragen. Ähnlich verfuhr es mit weiteren 60 bis 100 Immobilien und Grundstücken.

Schon im Juli 2020 meldete das Unternehmen, mittlerweile umbenannt in German Property Group, Insolvenz an. Gründer und Geschäftsführer des Unternehmens ist Charles Smethurst. Er geriet zwar bald wegen Verdachts auf Insolvenzverschleppung und Kapitalanlagebetrug ins Visier der Staatsanwaltschaft Hannover. Die aber ließ sich Zeit. Smethurst hat offenbar nur kleinere Anleger aufs Kreuz gelegt.

Schätzungsweise eine Milliarde Euro sind im Ausland eingeworben worden, vorwiegend in Großbritannien. Ihnen wurden Pläne vorgelegt, nach denen aus den denkmalgeschützten Immobilien aufwendige Wohnanlagen werden sollten. Den Anlegern stellte Smethurst Renditen von 15 Prozent jährlich in Aussicht. Die vorhandenen Immobilien und Grundstücken galten als Sicherheit. Zur German Property Group gehören mehr als 200 Gesellschaften. Allerdings ist das Firmengeflecht noch nicht vollständig aufgedröselt.

 

Grenke

Grenke ist ein Finanzdienstleister aus Baden-Baden. Das Kerngeschäft der Aktiengesellschaft ist Leasing von Produkten der Bürokommunikation, sie verfügt aber auch über eine Banklizenz. Im vergangenen September bezichtigte die Investorengruppe Viceroy Research um den Leerverkäufer Fraser Perring, die schon vor Wirecard gewarnt hatte, Grenke der Bilanzfälschung und der Beihilfe zur Geldwäsche. Ein großer Anteil der als flüssig ausgewiesenen Mittel in Höhe von einer Milliarde Euro existiere nicht. Der Fall Grenke ist noch nicht ausgestanden.

 

Gamestop

Die Geschichte um Gamestop hatte ich schon am 6. Februar erzählt, das wiederhole ich heute nicht.*


Mir geht es hier nicht um Moral, wie ihr Euch denken könnt. Die ist in diesen Fällen ohnehin im Eimer. Aber sie beleuchten anschaulich, was passiert, wenn vor dem Hintergrund von Überproduktion Kapital, dem die Entwertung droht, vergeblich nach profitablen Anlagemöglichkeiten sucht. Wenn es nicht in rentable Produktion investiert werden kann, wird es nicht verwertet, sondern verwettet. Die Folge ist eine wachsende Labilität des Finanzmarkts. Es drohen Crashs in ungekannter Größenordnung.

Bekanntlich hat Corona die Überproduktionskrise seit Beginn des vergangenen Jahres noch veschärft. Das drückt sich auch im exponentiellen Wachstum der Schulden aus.

 

Global Debt

Das Institute of International Finance hat im Februar die Höhe der Weltschulden für das Jahr 2020 auf 281 Billionen Dollar taxiert. Das sind 355% des Welt-Bruttoinlandsprodukts (BIP). 24 Billionen Dollar mehr als im Jahr zuvor und 35% mehr als die Vorjahresquote. Im vergangenen Jahr betrug das Welt-BIP 84 Billionen Dollar. Die neuen Schulden von 24 Billionen Dollar entsprechen 28,6% des letztjährigen Welt-BIPs. Die Schuldenkurve ragt so steil wie nie. Diese Schulden repräsentieren indes Ansprüche. Sie wollen verzinst werden. Es ist Geldkapital, das sich rentieren muss. Es drängt auf Verwertung.

Nun ist in Deutschland im Jahr 2020 das BIP um 4,9% auf 3.332 Mrd Euro gesunken. Die Produktivität pro Erwerbstätigen-Stunde fiel um 0,2%. Exporte und Importe brachen ein. Der Welthandel reduzierte sich schon 2019 um 0,4%, verlor im Jahr 2020 sogar 6,6% seines Umfangs. Im Euroraum fehlten 11,3% bei den Exporten, 9,8% bei den Importen. In Deutschland betragen die entsprechenden Werte Minus 9,3% bzw. Minus 7,1%. Wir erleben eine der einschneidendsten Krisen. Nun hängen aber 28% der deutschen Arbeitsplätze direkt oder indirekt vom Export ab.

Die sozialen Wirkungen dieser Abhängigkeit werden gegenwärtig noch durch Kurzarbeit gedämpft. Im April 2020 waren 6 Mio in Kurzarbeit, 2 Mio noch im Oktober. Mittlerweile sind wir wieder bei 3 Mio. Zum Vergleich: Auf dem Höhepunkt der Finanzkrise 2009 waren es 1,5 Mio. Die Arbeitslosigkeit ist auf 2,8 Mio gestiegen.

 

Drohende Kreditausfälle

Im Mai vergangenen Jahres, zum Zeitpunkt unserer Kreismitgliederversammlung im Bürgerzentrum Stollwerck, galt noch die Insolvenzantragspflicht bei Überschuldung. Die Befreiung von dieser Pflicht führte in der Folge dazu, dass Betriebe trotz Überschuldung weitermachen konnten. Das Bundeskabinett hat im Januar die Befreiung von der Insolvenzantragspflicht ein weiteres Mal verlängert, bis zum 30. April. Die Insolvenzpflicht im Falle von Überschuldung wird ab 1. Mai wieder in Kraft treten. Angesichts dessen kündigte die Kölner IHK-Präsidentin Nicole Grünewald für April oder Mai die Stunde der Wahrheit an. Das heißt, dass die Auflösung des Insolvenzstaus zu geballten Kreditausfällen führen und Banken gefährden wird. Womöglich lassen sich aber die Wahlkämpfer von CDU und SPD bis zur Bundestagswahl am 26. September einen weiteren Aufschub einfallen.

 

Schonung der Industrie

Unterdessen bieten Kanzlerin und Ministerpräsidenten der staunenden Öffentlichkeit ein Bild der Hilflosigkeit gegenüber den wachsenden Corona-Infektionen. Vor allem fällt mittlerweile die Schonung der Industrie auf. Es werden zwar private Kontakte durch Coronaschutzverordnungen kleinlichst geregelt, aber gegenüber der Industrie scheint noch nicht einmal eine Testpflicht durchsetzbar. Monitor berichtete am vergangenen Donnerstag (8. April) von Ausbrüchen in der Industrie:

«Ibbenbüren, Mitte März: Beim Logistik-Dienstleister Fiege werden mehr als 100 Mitarbeiter positiv auf das Corona-Virus getestet. Papenburg, Ende März: Bei der Meyer-Werft melden die Gesundheitsbehörden mehr als 200 Corona-Fälle bei Stammbelegschaft und Subunternehmen. Osnabrück, Mitte Februar: Beim Speiseeishersteller Froneri steht die Produktion nach einem Corona-Ausbruch still – mehr als 200 Beschäftigte hatten sich infiziert. Drei Ausbrüche, die erneut zeigen, was eigentlich lange bekannt ist: Tests sind wichtig, denn so wurden die Ausbrüche entdeckt. Und, der Arbeitsplatz ist ein relevanter Infektionstreiber. Er liegt laut RKI – nach dem privaten Umfeld – auf Platz zwei der Infektionsherde.»

Wochen zuvor hatte die Kölnische Rundschau von der Firma Miele in Euskirchen berichtet. Die Produktion musste wegen Corona zeitweise gestoppt werden mit der Folge, dass weitere Betriebe, die auf Motoren aus Euskirchen angewiesen waren, die Bänder anhalten mussten.

 

In der Dezemberausgabe der DrP haben wir gesagt:

«Die Infektionszahlen steigen trotz Coronaschutzverordnung. Für die Ausbreitung der Pandemie ist nicht der Kultur- und Freizeitbereich verantwortlich. Vielmehr sind das Schulen, Kindergärten, Nahverkehr und Betriebe, wo der Mindestabstand unterschritten werden darf und eigene Regelungen für das Tragen der Alltagsmaske gelten. Die Unverhältnismäßigkeit fällt mittlerweile auf. Geschützt wird die Produktion, genauer: die Mehrwertproduktion.»

Nach den Beschlüssen der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) im Januar konnte BDI-Präsident Russwurm erleichtert mitteilen: Anders als von den Verfechtern einer ZeroCovid-Strategie verlangt, könne die Arbeit in den Fabriken vorerst weiterlaufen. Er warnte auch die Regierung davor, Grenzen einseitig zu schließen. Die Warenströme müssten in Europa weiter fließen.

 

Das Osterdebakel

Nach der MPK in der Nacht zum 23. März kommentiert FAZ-Mitherausgeber Berthold Kohler «Das Osterdebakel»:

«Der Beschluss zur verlängerten Osterruhe war so wenig durchdacht, dass er nicht realisierbar gewesen wäre, wie mehrere Ministerpräsidenten sagten, die wie die ganze Runde dem Vorschlag zugestimmt hatten. Das Echo auf ihn, insbesondere aus der Wirtschaft, war verheerend gewesen. Von dort kam nun Lob für die Führungsstärke, die sich in der Rücknahme zeige.»

Der Beschluss zur «Osterruhe» war noch keine 24 Stunden alt, als er am Dienstagabend, 23. März, beim «Autogipfel» auf die Tagesordnung kam. Teilnehmer waren außer Angela Merkel die Bundesminister und Regierungschefs von «Autoländern», etwa Niedersachsens. Sie diskutierten mit Vertretern der Autoindustrie über die zukünftige Rolle des Verbrennungsmotors. Es ging angeblich um mehr Klimaschutz und um die Zukunft der Automobilindustrie. Aber die Autoindustrie warnte auch vor den Folgen eines «Oster-Lockdown». «Plötzliche Betriebsstilllegungen sind für eine international vernetzte Wirtschaft nicht darstellbar», erklärte die Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), Hildegard Müller, noch am Dienstagabend. «Lackierwerke und Energiezentralen sowie vieles andere mehr können nicht einfach auf Zuruf stillgelegt werden.» Die Branche erwarte vernünftige und an unternehmerische Aktivitäten ausgerichtete praktikable Regelungen, sagte sie.

Am Mittwochvormittag konnte Frau Müller prompt die Entscheidung der Kanzlerin begrüßen, den Bund-Länder-Entscheid zur sogenannten Osterruhe zu stoppen: «Einen Fehler einzuräumen, zeugt von Größe».

Auch der Bundesverband der Arbeitgeber (BDA) hält sich zugute, er habe «sich nachdrücklich für die Aufhebung dieser rechtlich und organisatorisch höchst fragwürdigen und gefährlichen ‹Erweiterung der Osterruhezeit› eingesetzt.»

«Fragwürdig» und «gefährlich» ist sie aber allenfalls für die Mehrwertproduktion. Tatsächlich sind regierungsseitig keine Strategien erkennbar, mit der die Pandemie aufgehalten werden soll. Offenkundig reichen die Einschränkungen im Freizeitbereich nicht aus, solange die industrielle Produktion ungehindert weiterläuft.

Patrick Köbele erklärte am Donnerstag: «Dieses Chaos hat System, das System heißt Kapitalismus. Die materiellen Folgen werden auf die Arbeiter, Angestellten, Arbeitslosen und Rentner, auf Jugendliche und Kinder, auf die kleinen Gewerbetreibenden und Kulturschaffenden abgewälzt. Es wird Zeit, sich gemeinsam gegen diese Regierung, die allein im Interesse der Banken und Konzerne handelt, zu wehren.»

Und so sagen wir:

Runter mit den Infiziertenzahlen! Unterstützt ZeroCovid! Gesundheit vor Profite!

 

Aktuelle Seuchenlage

Offenbar müssen wir, nach allem, was man liest, davon ausgehen, dass mit der Novelle des Infektionsschutzgesetzes, die gerade diskutiert wird, weitere Kontakte im Freizeitbereich, womöglich noch in Schulen und Kindergärten, begrenzt werden, aber die industriellen Infektionsherde nicht eingeschränkt werden.

Dabei verschärft sich die Lage täglich. Nach der gestrigen Meldung des Gesundheitsamtes gibt es in Köln 2.969 Menschen, die mit SarsCoV2 infiziert sind. Die Mutanten werden nur in ihrer Gesamtheit registriert. Das sind bis gestern 3.748 Fälle der mutierten britischen Corona-Virus-Variante, 288 Fälle der südafrikanischen Variante, sieben Fälle der brasilianischen Variante und zwölf Fälle einer Mutation der mutierten britischen Corona-Virus-Variante. Über die Mutantenquote im Verhältnis zum Ursprungstyp werden wir nur unzulänglich aufgeklärt. Aber offenkundig stellt sie schon die übergroße Mehrheit der Fälle. Auf der KMV am 6. Februar sagten wir:

«Die Seuchenbekämpfung bleibt halbherzig, vor allem werden im restlichen Infektionsgeschehen tüchtigere, infektiösere, durchsetzungsfähigere Mutationen des Virus herangezüchtet. Gestern wurden 1068 Infizierte in Köln gemeldet, 137 davon mit der britischen Virusvariante, 74 Fälle sind von der Mutation aus Südafrika verursacht. Das sind zusammen 20% der Fälle. Diese Quote wird schnell steigen. Die Mutationen werden in kurzer Frist die Eindämmungseffekte von Lockdown und Impfung überholen.

Am Ende wird die Seuche auch Industriebetriebe stilllegen, wenn die gesundheitsgefährdeten Beschäftigten das nicht zuvor erledigen.»

 

Der Markt bringt es nicht!

Mit den Krisenfolgen, zu denen ich den Unwillen zähle, die Seuche zu stoppen und Menschenleben zu retten, verliert das politische Personal weiter an Glaubwürdigkeit. dass wir es in Wahrheit mit dem Widerspruch von gesellschaftlicher Produktion und der privaten Aneignung ihrer Ergebnisse zu tun haben, erkennen immer mehr Menschen. Privates Eigentum an Produktionsmitteln steht den Lebensinteressen der Menschen offenkundig im Wege. Die Energiekonzerne lassen sich die unzulängliche Reduktion von CO2 mit überhöhten Preisen für die Haushaltsenergie belohnen. Private Immobilienkonzerne halten die Wohnungen rar und vermieten sie überteuert. Die Armut wächst. Immer mehr Geld geht in die Rüstung. In der Ukraine wird der Krieg gegen Russland vorbereitet, im Nahen Osten gegen Iran, mit Taiwan gegen China.

Das neue Versammlungsgesetz, Polizeigesetze, die Legalisierung neuer Überwachungsmethoden, die Aufrüstung von Polizei, vielfältige und wachsende Hinweise auf faschistische Gesinnung in den Sicherheitsapparaten, der Verlust der Kontrolle über Waffen bei Militär und Polizei weisen auf den reaktionären Staatsumbau. Extrem rechte Bewegungen und Coronaleugner werden begünstigt. Unter dem Vorwand, die NPD und andere faschistische Organisationen beobachten zu müssen, finanziert der Verfassungsschutz mittels V-Leuten just diese Organisationen, fördert ihr Entstehen und hält sie am Leben. Offenbar hält der kapitalistische Staat für den Fall sozialer Unruhen neben Polizei und Militär auch rechten Terror in Reserve.

Demgegenüber ist das Erstarken demokratischer und sozialer Bewegungen fällig. Wir brauchen ein öffentliches Gesundheitswesen mit ausreichendem und qualifiziertem Personal. Gesundheit vor Profite! Große private Immobilienkonzerne gehören in öffentliche Hand, ebenso wie Grund und Boden. Wohnen muss wieder bezahlbar sein. Notwendig ist eine Neue Wohnungsgemeinnützigkeit. Wir kämpfen gegen Zwangsräumungen und Stromabstellungen. Runter mit den Mieten und den Preisen für Haushaltsenergie. Vergesellschaftet die Energiekonzerne! Runter mit den Preisen für öffentliche Verkehrsmittel!

Weder Södet noch Lascher!

Klaus, 13. April 2021


Zu Gamestop im
 Referat zur Kreismitgliederversammlung
der DKP Köln, 6. Februar 2021