Betrieb & Gewerkschaft
Gewerkschaften – stimmt der Kurs?
Am 2. Mai vor 75 Jahren wurden in Deutschland die Gewerkschaftshäuser von Hitlers Sturmabteilungen, der SA, besetzt, die Gewerkschaften von Staats wegen aufgelöst, Gewerkschafter in faschistische „Schutzhaft“ genommen.Obwohl Generationen zurück, bleibt dies eine unauslöschliche Erfahrung über das Klassenwesen des Faschismus. Es waren die Spitzen des großen Kapitals, die die Nazis an die Macht schoben – und die hatten es eilig, sich dafür mit Staatsterror gegen die Arbeiterbewegung zu revanchieren.
Das muss heute in Erinnerung gebracht werden, da sich Neonazis den Herrschenden mit ihrem Hass gegen Gewerkschaften empfehlen, nicht minder, wenn Eliten „der Wirtschaft“ mit der „Entmachtung“ der Gewerkschaften drohen. Da muss die historische Errungenschaft der Einheitsgewerkschaft und das Interesse an starken, kämpferischen Gewerkschaften zur Geltung kommen.
Dieses Interesse kann sich zur Zeit in solidarischer Unterstützung einer hierzulande keineswegs alltäglichen oder selbstverständlichen Aktivität äußern, wo es um elementare soziale Belange der Arbeiterklasse, aber nicht weniger um die Zukunft unserer Gewerkschaften geht. Gerade darum ist nicht zu übersehen, dass in diesen Auseinandersetzungen mit dem Kapital, das seine neoliberale Offensive forciert, gewichtige Fragen zum kritischen Nachdenken herausfordern: Wird nicht die Chance gewerkschaftlicher Erfolge eingeschränkt durch die Gewohnheit, sich auf unzureichende Kompromisse einzulassen? Werden nicht Möglichkeiten, berechtigte Forderungen voll durchzusetzen, ungenutzt gelassen, weil die Solidarität in der Arbeiterklasse ungenügend organisiert wird, national und international? Wie wird sich zu Entwicklungen und Konstellationen gestellt, wo gewerkschaftliche Kräfte das Gesamtbild der Aktivität beleben, die aber auch als Zersplitterung, als Störung der notwendigen Einheit gewertet werden. Kritische Betrachtungen solcher Fragen, deren sich die Autoren im Themen-Schwerpunkt dieses Heftes angenommen haben, sind erkennbar davon bestimmt, einen Kurs zu fördern, der unsere Gewerkschaften aus der noch immer dominierenden Defensive hinausführt. Manche Kolleginnen und Kollegen, die dazu hätten beitragen können und sollen, waren durch ihr starkes Engagement in den aktuellen betrieblichen und gewerkschaftlichen Auseinandersetzungen daran gehindert – was ja ein durchaus positiver Widerspruch in der Arbeit an diesem Heft der Marxistischen Blätter war. Die Erfahrungen der noch laufenden Tarifauseinandersetzungen werden uns in folgenden Heften beschäftigen.