Jugend
Belarus – Das Land der XVII. Weltfestspiele
Informationen über ein unbekanntes Land mitten in Europa
Anfang Februar hat der Generalrat des Weltbundes der Demokratischen Jugend auf seiner Tagung in Lissabon den Beschluss gefasst, die XVII Weltfestspiele der Jugend und Studenten im Sommer 2009 in Belarus (Weißrussland) zu veranstalten.
Für die Mehrheit der Menschen in Deutschland ist Belarus ein unbekanntes Land mitten in Europa. Würde man sie danach fragen, erhielte man wahrscheinlich in der Regel die von den Massenmedien verbreitete stereotype Antwort: Weißrussland ist „das letzte diktatorisch regierte Land“ und sein Präsident der „letzte Diktator in Europa“. Man braucht kein Prophet zu sein um vorher zu sagen, dass die Wellen der Desinformation über Belarus im Vorfeld der Weltfestspiele ganz sicher besonders hoch auflaufen werden. Wir wollen dem einige Informationen über das Land entgegenstellen.
Geschichtliches
Im Zuge der Oktoberrevolution siegte auch in Minsk die Sowjetmacht. Am 1. Januar 1919 wurde die Belorussische Sozialistische Sowjetrepublik proklamiert. 1922 war die Belorussische SSR (Sozialistische Sowjetrepublik) Gründungsmitglied der UdSSR und im September 1939 wurden die 1921 an Polen gefallenen Gebiete wieder in die Belorussische SSR eingegliedert.
Im Sommer 1941 wurde ganz Belorussland von der Naziwehrmacht okkupiert. Gegen die Besatzer entfaltete sich eine gewaltige Partisanenbewegung, die den Faschisten große Verluste zufügte. Zwischen Ende 1943 und dem Sommer 1944 wurde Belorussland dann von den Okkupanten befreit. 1945 war die Belorussische SSR Gründungsmitglied der Vereinten Nationen.
Der Krieg und die Besatzungsherrschaft richteten riesige Schäden an. 25 bis 30 Prozent der Einwohner verloren das Leben. Fast alle Städte und 85 Prozent der Industriebetriebe wurden völlig zerstört. Die Saatfläche war auf etwa die Hälfte, der Viehbestand auf 20 Prozent zurückgegangen. In gewaltigen Anstrengungen und mit Unterstützung der ganzen UdSSR wurde das Land wieder aufgebaut. Aus einem vor der sozialistischen Revolution rückständigen und dann durch den Krieg total zerstörten Land ist unter der Sowjetmacht ein Land mit moderner Industrie und produktiver Landwirtschaft entstanden.
Im Zuge der Konterrevolution und des Zerfalls der Sowjetunion wurde Ende 1991 die Republik Belarus als selbständiger Staat konstituiert. 1991 bis 1994 wurde sie von Stanislaus Schuschkewitsch regiert und heruntergewirtschaftet. Er wurde von Alexander Lukaschenko abgelöst, der bis heute an der Spitze des Staates steht.
Außenpolitik
Die außenpolitische Orientierung von Belarus ist vor allem auf die Zusammenarbeit mit Russland gerichtet. 1999 wurde zwischen der Russischen Föderation und Belarus ein Vertrag über die Gründung eines gemeinsamen Unionsstaates unterzeichnet. Dessen praktische Herausbildung vollzieht sich jedoch nur schleppend und es gibt Rückschläge.
Am weitesten fortgeschritten ist die Integration im militärischen Bereich.
Hindernisse in anderen Bereichen hängen vor allem mit großrussischen Ambitionen zusammen, anstelle der Gründung eines Unionsstaates Belarus schlicht und einfach in die Russische Föderation einzuverleiben. Schwierigkeiten entstehen zudem durch die von Moskau unterstützte aggressive Politik russischer Konzerne, die die belorussische Wirtschaft unter ihre Kontrolle bringen wollen. Als Druckmittel für ihre Forderungen nach Privatisierung belorussischer Staatsunternehmen und Einstieg für russisches Kapital, greifen sie zu rigorosen Preiserhöhungen für russische Gas- und Erdöllieferungen.
Dass dieser Wirtschaftskrieg Belarus in große ökonomische und soziale Schwierigkeiten stürzt, liegt auf der Hand. Das Land wird gezwungen seine Wirtschaftsbeziehungen zu diversifizieren, neue Partner zu suchen. So bemüht sich Belarus im Energiebereich um die Zusammenarbeit mit Ländern wie Venezuela, Aserbaidschan und Iran. Außerdem sollen eigene Reserven noch stärker erschlossen werden. Zugleich müssen die Wirtschaftsbeziehungen mit den EU-Ländern ausgeweitet werden. Dennoch sind sowohl die wirtschaftlichen wie die politischen und militärischen Beziehungen zwischen Belarus und Russland nach wie vor sehr intensiv: Russland ist mit weitem Abstand der größte Handelspartner, beide Staaten sind Mitglieder der GUS, des Vertrages über kollektive Sicherheit, der Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft und anderer Vertragssysteme von Nachfolgestaaten der UdSSR.
Gute wirtschaftliche und politische Beziehungen unterhält Belarus auch zur VR China, zur KDVR (Koreanische Volksrepublik), zu Kuba und Venezuela.
Innenpolitik und gesellschaftliche Verhältnisse
Belarus ist eine Präsidialrepublik, in der der Präsident über eine enorme Macht verfügt. Das Vertretungs- und Gesetzgebungsorgan ist die Nationalversammlung.
Nachdem Lukaschenko 1994 mit großer Mehrheit zum Präsidenten gewählt worden war, hat er sofort die von seinem Vorgänger betriebene Orientierung auf den Westen korrigiert, die Finanzierung prowestlicher Organisationen durch die USA und die EU sowie durch Institutionen wie die Friedrich-Ebert-Stiftung der SPD u.a. angeprangert und die Politik der Privatisierungen korrigiert. Die sog. liberalen Wirtschaftsreformen, die in den anderen Nachfolgestaaten der UdSSR durch den Raub des Volkseigentums eine kleine Gruppe superreicher Oligarchen hervorgebracht und die Masse der Menschen in bitteres Elend gestürzt haben, hat Lukaschenko nicht mitgemacht.
Belarus ist derjenige Nachfolgestaat der UdSSR, in dem am meisten von den Errungenschaften des realen Sozialismus bewahrt werden konnte. Etwa 80 Prozent der industriellen Fertigung werden von staatlichen Unternehmen erbracht. Der landwirtschaftliche Sektor hat seine Grundlage nach wie vor hauptsächlich in Kollektivwirtschaften. Die Wirtschaft wird nach staatlichen Plänen entwickelt.
Was den Regierungsstil Lukaschenkos betrifft, so trägt er zweifellos autoritäre Züge. Im Umgang mit der Opposition ist er nicht zimperlich. Dabei darf allerdings nicht die Regimewechsel-Strategie von USA, NATO und EU außer Acht gelassen werden bei der Belarus ganz oben auf der Liste steht. Belarus soll aus der Verbindung mit Russland herausgebrochen und die NATO auch hier an die russischen Grenzen vorangetrieben werden. Außerdem sind sie westlichen Konzerne sehr an der vergleichsweise modernen Industrie von Belarus interessiert. Darum werden von den USA und der EU keine Anstrengungen und finanziellen Mittel gescheut um eine Anti-Lukaschenko-Opposition aufzubauen die sich für diese Ziele instrumentalisieren lässt.
Trotz des großen Aufwands von USA und EU tendieren die Aussichten für einen baldigen „Regimewechsel“ allerdings gegen Null.
In Belarus gibt es, bei allen Problemen mit denen das Land zu kämpfen hat, eine bemerkenswerte wirtschaftliche und soziale Stabilität, die die Menschen nicht verlieren wollen.
Die Wirtschaft wächst kontinuierlich. In den letzten 10 Jahren hat sich das Bruttoinlandsprodukt mehr als verdoppelt. Die Arbeitslosigkeit liegt offiziell unter 1,5 Prozent. Laut UNO hat die Bevölkerung von Belarus den höchsten Lebensstandard unter den GUS-Ländern. Die Popularität des Präsidenten wird darüber hinaus aber noch aus weiteren Quellen gespeist: Lukaschenko ist dafür, Eigentum in Staatshand zu belassen, Kolchosen zu bewahren und eine starke Staatsmacht aufrechtzuerhalten. Er steht für die Freundschaft mit Russland und den Kampf gegen den Westen. Diese Werte und Vorstellungen herrschen im Bewusstsein der großen Masse des Volkes vor.
Ihr gegenüber steht eine Minderheit, die den Kurs Lukaschenkos kompromisslos ablehnt. Diese Spaltung der Gesellschaft widerspiegelt sich auch in der Politik der beiden Parteien, die das Adjektiv „kommunistisch“ in ihrem Namen tragen. Während sich die „Partei der Kommunisten von Belarus“ bei den letzten Präsidentenwahlen mit den neoliberalen, antirussischen und prowestlichen Parteien gegen Lukaschenko verbündete, unterstützt die größere und einflussreichere, die „Kommunistische Partei von Belarus“ fast vorbehaltlos die Politik des Präsidenten.
Unterstützung findet die belorussische Opposition vor allem in Teilen der Intelligenz. Hier werden der autoritäre Regierungsstil des Präsidenten und fehlende demokratische Spielräume als besonders belastend empfunden. Hier gibt es aber auch Sympathien für nationalistische und neoliberale Positionen, für eine Orientierung nach Westen.
Schwachpunkt Jugendarbeit
Die Hauptgefahr für die künftige Entwicklung sehen manche belorussische Kommentatoren allerdings in Tendenzen, die sich im Jugendbereich abzeichnen. Die oben genannten Werte, die die mittlere und vor allem die ältere Generation auf dem Hintergrund positiver Erfahrungen in der Sowjetzeit mit Lukaschenko und seiner Politik verbinden, sind bei der jungen Generation weniger ausgeprägt und sie verlieren sich bei ihr immer mehr, wenn es nicht gelingt sie durch eine kluge Politik immer wieder mit neuem Leben zu füllen. Wie die Erfahrung zeigt, sind administrative Methoden dabei allerdings wenig geeignet. Junge Menschen wollen selbst gestalten. Dafür brauchen sie Freiräume.
Hauptinstrument der Jugendarbeit ist die „Belorussische Republiksunion der Jugend“ (BRSM). Sie wird aus dem Staatsbudget finanziert. Hochgestellte BRSM-Funktionäre besetzen beratende Posten in den Ministerien. Die Mitglieder bekommen Ermäßigungen für Diskobesuche und andere Vergünstigungen.
Ergebnisse dieser veralteten Jugendarbeit, der Orientierung auf Anpassung und Privilegien, des Fehlens eines wirklichen Dialogs mit der Jugend und von Freiräumen für Eigeninitiative, sind schon heute zu beobachten: fehlende Initiative bei den Jugendlichen, Entpolitisierung oder aber der Wunsch nach radikalen Veränderungen. An letzteres knüpft die „antikonstitutionelle Opposition an, die der Jugend „die verlogene Alternative einer Integration in den Westen und des Verzichts auf Souveränität anbietet.“ Diese Tätigkeit wird mit harter Hand vom Staat gezügelt. Das kann jedoch nicht mehr lange fortgesetzt werden. Es besteht die Gefahr, dass die Jugend zur sozialen Basis einer antikonstitutionellen, auf die Westintegration gerichteten Bewegung wird.
Referat für die Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend [SDAJ]