Köln
Köln: Referat zu den Bundestagswahlen 2025
Zu den Ergebnissen der Bundestagswahl
Foto: DKP Köln
Am Freitag, den 31. Januar 2025, scheiterte der Gesetzentwurf der Unionsfraktion zur Verschärfung der Asylpolitik. Es wurde knapp. 338 Abgeordnete stimmten dafür, 349 dagegen. CDU und CSU hatten mit dem Gesetz dauerhafte Grenzkontrollen, die Zurückweisung „ausnahmslos aller Versuche illegaler Einreisen“, die Inhaftierung ausreisepflichtiger Personen und tägliche Abschiebungen gesetzlich verankern wollen. FDP, AfD und BSW hatten zuvor Zustimmung signalisiert.
Der Versuch, mit der AfD ins politische Geschäft zu kommen, also die sogenannte Brandmauer einzureißen, führte überall in der BRD zu hunderten von dicht aufeinander folgenden Demonstrationen.
Der WDR berichtete darüber am Sonntag, 2. Februar. Hunderttausende Menschen waren an diesem Wochenende gegen den Rechtsruck auf der Straße. Die größten Veranstaltungen gab es in Berlin (rund 160.000 laut Polizei) und Hamburg (65.000) – auch in Köln bewegten sich Tausende und unter ihnen Kommunistinnen und Kommunisten. In der Kölner Innenstadt waren es nach Veranstalter-Angaben 45.000 Menschen, die unter dem Motto „Demokratie verteidigen - Keine Zusammenarbeit mit Faschisten“ demonstrierten. Das fing an mit einer Kundgebung auf dem Heumarkt. Danach zog der Demonstrationszug durch die Kölner Altstadt und vorbei an der CDU-Parteizentrale bis nach Deutz.
Eine Teilnehmerin trug ein Schild mit der Aufschrift: „Fritz, hör auf Mutti“! Sie erinnerte an Angela Merkel. Denn Merkel hatte sich kurz zuvor gegen gemeinsame Abstimmungen mit der AfD ausgesprochen und Merz' Vorgehen in dem Zusammenhang als „falsch“ bezeichnet.
Zudem gab es am 2. Februar eine Demonstration auf dem Rhein - mit 440 Paddlerinnen und Paddlern und zahlreichen Teilnehmenden am Uferrand.
In Bonn versammelten sich laut Polizei zur selben Zeit mehr als 10.000 Menschen zu einer „Kundgebung für Demokratie, Menschenrechte und Vielfalt“.
Auch im übrigen Nordrhein-Westfalen wurden Protestkundgebungen und Demozüge veranstaltet. Allein in Essen zogen nach Angaben der Polizei am 1. Februar über 14.000 Menschen durch die Stadt. In Aachen versammelten sich laut Polizei 3.000 Menschen zu einer Kundgebung unter dem Motto „Wir sind die Brandmauer - unsere Stimme gegen den Tabubruch“. Weitere Demonstrationen gab es in Neuss, Recklinghausen, Arnsberg, Paderborn und Wuppertal.
Eine Woche später (8. Februar) sprach die ZEIT von mehr als 250.000 Menschen, die in München die Brandmauer gegen AfD forderten. Die Veranstalter zählten sogar 320.000 Teilnehmende. Bundesweit hatte die Initiative „Omas gegen Rechts“ zu Protesten aufgerufen, darunter in Hannover. Dort demonstrierten laut Polizei 24.000 Menschen zwischen Kröpcke und Opernplatz. In Bremen folgten 25.000 Menschen dem Aufruf. Sie hatten sich schon vor Beginn auf dem Domshof in der Innenstadt versammelt. Laut Veranstalter waren es sogar 35.000 Teilnehmende.
In Rostock zogen 3.000 Menschen durch die Innenstadt. Aufgerufen zu der Demonstration hatte die VVN. In Nürnberg kamen laut Polizei 20.000 Menschen zu einer Kundgebung, in Gießen 13.000, in Bielefeld 10.000, in Darmstadt 8.000, in Mainz und Minden jeweils 4.000, in Hamburg 3.000 und in Dortmund 2.900. Weitere Proteste gab es unter anderem in Osnabrück, Buxtehude, Braunschweig, Kassel, Boizenburg und Wismar.
All diese Demonstrationen knüpften an die Massenaktionen im Frühjahr des vergangenen Jahres an, als die Empörung über die „Remigrations“- Pläne von AfD und anderen Faschisten ruchbar geworden waren.
Im Zuge dieser „Brandmauer“-Bewegung veränderte sich das politische Klima merklich, in den Umfragen konnte unter anderem die Linkspartei schnell an Zustimmung gewinnen, während das BSW ebenso wie die FDP in den veröffentlichten Umfragen unter die 5%-Marke fielen.
Am Wahltag 23. Februar erlebt die SPD mit 16,4% (-9,3%) ein Debakel. Die Grünen verlieren 3,6% und landen bei 11,6%. Die FDP fliegt mit 4,3% (-7,1%) aus dem Bundestag.
Insgesamt verlieren die drei Ampelparteien 20,0%. In der Summe erreichen sie gerade mal 32,3% der Wählerstimmen.
Die Wahlbeteiligung ist um 6,2% deutlich höher als 2021. Sie beträgt 82,5%.
Die CDU/CSU kommt auf 28,6% der Stimmen und verbessert sich damit um 4,4% gegenüber dem Ergebnis von 2021 (24,1%).
Die Linkspartei erreicht unerwartete 8,8% (+3,9%) und holt 6 Direktmandate (Berlin: Treptow-Köpenick, Lichtenberg, Neukölln, Friedrichshain- Kreuzberg, sowie Leipzig-Süd und Erfurt). Noch im Juni 2024 fielen bei der Europawahl nur 2,7% der Wählerstimmen auf sie. Mit 4,35 Millionen der Zweitstimmen erreicht die Partei ihr zweitbestes Ergebnis, das sie jemals bei einer Bundestagswahl hatte. In Berlin kam sie auf 19,9 % der Zweitstimmen.
Deutlich ist die Resonanz bei der Jugend: Bei den 18- bis 24-Jährigen ist die Linkspartei laut Forschungsgruppe Wahlen mit 26 Prozent stärkste Kraft.
Zudem ist aufgefallen, dass just die öffentlich-rechtlichen Medien auf die falschen Themen orientiert hatten. Als am 9. Februar ARD und ZDF das sogenannte Duell „Scholz gegen Merz“ über die Sender schickten, wurden die beiden Kontrahenten zunächst mit dem angeblich wichtigsten Thema „Migration“ konfrontiert. Und das war auch so bei anderen Sendungen dieser Art. Soziale Probleme, Pflege, Rente, Inflation oder Haushaltsenergie – Fehlanzeige! Die Bildungsmisere – kein Thema im Wahlkampf. Schließung der Krankenhäuser – uninteressant. Fragen nach der Lösung für die Wohnungsnot kamen nicht vor. Aber die Linkspartei hat sie gestellt.
Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), dessen Bundestagsabgeordnete mehrheitlich dem Asylgesetz der Union zugestimmt hatten, scheiterte mit 4,97 % denkbar knapp an der 5 %-Hürde.
Allerdings erreichte die AfD mit 20,8 % ein Rekordergebnis. Sie ist zudem stärkste Kraft im Osten. Aus dem Reservoir der vormaligen Nichtwähler gewinnt sie 1,8 Millionen Stimmen.
Die Ergebnisse in NRW weichen nicht wesentlich von denen des Bundesgebietes ab:
bei einer Wahlbeteiligung von 82,2% kommt
- die SPD auf 20,0%.
- CDU 30,1%
- GRÜNE 12,4%
- FDP 4,4%
- AfD 16,8%
- Die Linke 8,3%
- BSW 4,1%
In Köln indessen sieht das Bild doch etwas anders aus:
Die CDU erreicht 22,2 Prozent der Zweitstimmen. Sie verbessert ihr Wahlergebnis im Vergleich zu 2021 (19,3 %) um 2,9 Prozentpunkte. Der Stimmenanteil der CDU ist in Köln um 6,3 Prozentpunkte niedriger als bundesweit (28,5 %).
Die GRÜNEN erreichen bei dieser Bundestagswahl 21,7 Prozent der Kölner Stimmen.
Das sind im Vergleich zur Bundestagswahl 2021 (28,0 %) minus 6,4 Prozentpunkte.
Allerdings schneiden sie damit immer noch um 10,1 Prozentpunkte besser ab als bundesweit (11,6%).
Die SPD erreicht 19,2 Prozent der Stimmen. Im Vergleich zur Bundestagswahl 2021 (24,6 %) verliert sie (- 5,4 %) und kommt auf Platz 3. Der Stimmenanteil der SPD ist um 2,8 Prozentpunkte höher als bundesweit (16,4 %).
Die Linke erhält in Köln satte 14,9 Prozent der Stimmen. Das entspricht einem Plus von 9,0 Prozentpunkten gegenüber der Bundestagswahl 2021 (5,8 %). Sie schneidet damit in Köln im Vergleich zum Bund (8,8 %) um 6,1 Prozentpunkte besser ab.
Die AfD erreicht in Köln 10,0 Prozent der Stimmen. Das entspricht einem Plus von 5,4
Prozentpunkten im Vergleich zur letzten Bundestagswahl 2021 (4,7 %). Damit hat sie aber um 10,8% schlechter abgeschnitten als bundesweit (20,8 %).
Die FDP erhält 4,5 Prozent der Kölner Stimmen. 2021 kam sie noch auf 10,8%. Insgesamt verlieren die Ampelparteien in Köln 18,1 Prozentpunkte.
In Hahnwald erreicht die CDU 52,0 Prozent. Stark ist sie noch in Lindenthal, Rodenkirchen, Chorweiler und Porz. Auch die FDP erzielt in Hahnwald ihr bestes Kölner Ergebnis (20,4 %). Zweistellige Stimmenanteile kann sie ansonsten nur noch in den Stadtteilen Marienburg (12,0 %) und Müngersdorf (10,0 %) erreichen.
Fast ein Drittel der Wählerinnen und Wähler im Stadtteil Kalk gab der Linkspartei (30,4 %) die Zweitstimme. Hier und in den drei Stadtteilen Mülheim (25,8 %), Humboldt/Gremberg (25,1 %) und Höhenberg (22,4 %) erreicht sie den jeweils höchsten Zweitstimmenanteil. Rechtsrheinisch in Teilen der Stadtbezirke Kalk und Mülheim, aber auch in der Innenstadt und in den Stadtteilen am Innenstadtrand erhält Die Linke ihre höchsten Stimmenanteile. In Neustadt/Nord fallen 19,7 % an (hingegen 4,3% für die AfD) und dort, wo die Gruppe Innenstadt sich tummelt, in Neustadt/Süd, 22,0% auf die Linkspartei und 3,8% auf die AfD.
Nico Popp (jW vom 25. Februar 2025) erklärt die Wahlerfolge der Linkspartei durch einen Präferenzwechsel einer urban-»progressiven« Wählerschaft: „Besonders erfolgreich war die Partei hier und anderswo durchweg in Wahlkreisen mit Universitätsstädten, in denen lange Zeit vor allem die Grünen abgeräumt haben. Im Wahlkreis Münster etwa kam Die Linke auf überdurchschnittliche 12,5 Prozent der Zweitstimmen (plus 7,5 Prozentpunkte), in Bonn auf 12,5 Prozent (plus sieben), in Freiburg auf 13,9 Prozent (plus sieben). In den Stadtstaaten Hamburg (14,4 Prozent) und Bremen (14,8 Prozent) erzielte die Partei ihre dritt- und viertbesten Landesergebnisse; sie gewann hier ebenfalls jeweils über sieben Prozentpunkte hinzu.“
Aber was immer als urban-progressiv gelten mag, in Köln weisen traditionelle Arbeiterviertel ebenfalls das Merkmal hoher Linkswählerzahlen auf.
Kalle Gerigk, den wir von „Recht auf Stadt“ kennen und als Mieteraktivisten schätzen, verdoppelte im Wahlkreis 92 (der umfasst den südöstlichen Teil der Stadt mit Kalk bis Porz sowie den nördlichen Teil der Innenstadt und Neustadt-Nord) mit 11,1 Prozent der Erststimmen den Stimmenanteil bei der Bundestagswahl 2021 (5,2 %).
Die GRÜNEN schneiden in Köln in den Stadtteilen Neustadt/Süd (33,7 %), Klettenberg (33,4 %), Nippes (33,3 %), Neustadt/Nord (33,1 %), Sülz (32,7 %) sowie Ehrenfeld (32,5 %) am besten ab. Im Gegensatz zur CDU sind sie in der Innenstadt und den unmittelbar angrenzenden linksrheinischen Stadtteilen stark.
Für die SPD gelten Zahlen wie in Gremberghoven (25,4 %), Buchforst (24,6 %), Höhenhaus (24,5 %) und Mauenheim (24,3 %) als Erfolg.
In Chorweiler (25,5 %) und Lindweiler (24,7 %) wählte ein knappes Viertel die AfD. Vor allem in Stadtteilen der Stadtbezirke Chorweiler und Porz sind ihre Stimmenanteile hoch.
Das BSW kommt nirgendwo in Köln auf einen zweistelligen Zweitstimmenanteil.
Zweifellos ist die Bundestagswahl durch die Massenaktionen gegen die AfD beeinflusst worden. Dieser Umstand ärgert die CDU. Und veranlasst ihren Vorsitzenden Friedrich Merz namens der CDU/CSU-Fraktion schon einen Tag nach der Wahl, am 24. Februar, zu einer Anfrage an die Bundesregierung. Zitat:
Die Frage nach der politischen Neutralität staatlich geförderter Organisationen sorgt aktuell zunehmend für Debatten. Hintergrund sind Proteste gegen die CDU Deutschlands, die teils von gemeinnützigen Vereinen oder staatlich finanzierten Organisationen organisiert oder unterstützt wurden. Dies wirft die Frage auf, inwiefern sich gemeinnützige Vereine, die zusätzlich noch mit Steuergeldern gefördert werden, parteipolitisch betätigen dürfen, ohne ihren Gemeinnützigkeitsstatus zu gefährden. Laut der Abgabenordnung (AO) ist eine Körperschaft gemeinnützig, wenn sie gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgt und dabei nicht parteipolitisch agiert. Nach Auffassung der Fragesteller stellen die Proteste gegen die CDU Deutschlands eine gezielte parteipolitische Einflussnahme unmittelbar vor der nächsten Bundestagswahl dar, was nicht mehr vom Gemeinnützigkeitsrecht gedeckt ist...
Ein besonders umstrittenes Beispiel ist der Verein „Omas gegen Rechts“, der über das Programm „Demokratie leben!“ Fördermittel erhalten hat. Während der Verein betont, dass er sich aus Spenden und Mitgliedsbeiträgen finanziere, gehört die staatliche Förderung ebenfalls zu seinen Finanzierungsquellen. (zitiert aus: Deutscher Bundestag, 20. Wahlperiode, Drucksache 20/15035)
Die kleine Anfrage enthält 551 Detailfragen und droht einer erheblichen Zahl von Organisationen, außer den „Omas gegen Rechts“ noch Attac, Correctiv u.a., mit der Aberkennung ihrer Gemeinnützigkeit. Dieses Lied kennen wir von Attac, aber auch von der VVN. Selbstverständlich kommt beispielsweise die steuerbegünstigte Bertelsmann-Stiftung im Katalog von Merz nicht vor.
Auch sonst werden demokratische Grundsätze gering geachtet.
Denn jetzt, unmittelbar nach der Wahl, stellen die künftigen Koalitionäre von SPD und Union im Rahmen von neuen staatlichen Riesenschulden mehrere hundert Milliarden Euro in Aussicht. Die Aktien- und Anleihemärkte spielen prompt verrückt. Der Bauindustrie, den Banken und großen Konzerne, vor allem aber der Rüstungsindustrie werden Übergewinne auf Kosten der Arbeitenden, der Rentnerinnen und Rentner und Bürgergeldempfänger versprochen. Angesichts der Überakkumulation soll der alte Bundestag Sondertöpfe erschließen und verantworten, damit die neue Regierung freie Hand hat, das Geld aus dem Fenster zu werfen.
Klaus, im KV der DKP Köln, 10. März 2025