Jugend

Parlamentarischer Rechtsruck

Erklärung der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjungend (SDAJ) zum Ergebnis der Bundestagswahlen 2017

Faschistoide AfD im Parlament

Junge Menschen sitzen auf einer Wiese. Eingeblendete Schrift: «…Wir gehen weiter den Weg des Widerstandes. SDAJ».

Essen, 25.09.2017 | 12,6 % für die rassistische, völkische und faschistoide AfD; das ist das mediale Thema seit Schließung der Wahllokale gestern um 18 Uhr. Doch auch in den letzten Wochen waren viele Leitmedien damit beschäftigt die AfD als «Alternative» zur Merkel-Regierung aufzubauen und die Aussicht auf den dritten Platz zu öffnen. Die neue Rechtspartei hat es geschafft viele enttäuschte Wähler für sich zu gewinnen, in Sachsen ist sie damit bei der Wahl stärkste Kraft und Brandenburg zweitstärkste geworden. Seit ihrem Parteitag hat sie beim Stimmenfang auf antisemitische, fremdenfeindliche und faschistische Stimmungsmache gesetzt. So sitzen jetzt für diese Partei viele Abgeordnete im Bundestag, die Kontakte zu Burschenschaften, Identitären und rechte Gruppen, wie ‹Die Freiheit› oder zur österreichischen FPÖ haben.

Mehrere Abgeordnete leugnen die deutsche Geschichte und bezeichnen die industrielle Menschenvernichtung im deutschen Faschismus als Mythos bzw. ‹jüdische Wahrheit›. Einer, der nun mit der AfD im Bundestag sitzt hat sogar ein Auto mit dem symbolträchtigen Kennzeichen AH 1818 (Das steht symbolisch für «Adolf Hitler»: 1 und 8 bezeichnet die Stelle der Buchstaben A und H im Alphabet).

Ende der «Volksparteien»

Wenn auch die Merkel-CDU stärkste Partei bleibt, so hat ihr bayerischer Ableger CSU massive Verluste von über zehn Prozent eingefahren. Trotz ihrer Zielstellung, die Bundespolitik durch den Abbau der Grundrechte und wirtschaftsfreundliche Politik mitzugestalten, hat Seehofer heute intern über ein Ende der gemeinsamen CDU-CSU-Fraktion abstimmen lassen; er konnte sich jedoch mit seinem Kurs an der Seite der CDU durchsetzen. Hintergrund dieser Überlegungen sind zum einen die bayerischen Landtagswahl nächstes Jahr, zum anderen aber auch die Debatte um eine «Obergrenze» für Flüchtlinge. Schließlich wird aktuell über eine Koalition aus CDU/CSU-FDP-Grüne diskutiert und hier muss sich die CSU behaupten, die schon lange vor der AfD im Scharfmachen mit rechten Parolen geübt war. Klar ist: wer über den Rechtsruck und die fremdenfeindliche AfD redet, sollte nicht vergessen, dass der CSU-Chef schon vor Jahren dazu aufgerufen hat, sich «gegen Zuwanderung in deutsche Sozialsysteme zu wehren – bis zur letzten Patrone».

Die SPD kommt mit 20,5 % auf das historisch tiefste Ergebnis seit Jahrzehnten und knüpft damit an den schlechtesten Ergebnissen ihrer Partei in der Weimarer Republik an. Es ist die Unglaubwürdigkeit einer Partei, die für Sozialabbau und Konzernpolitik steht und sich gleichzeitig als sozial und gerecht verkauft, die dazu geführt haben, dass der Schulz-Zug aufgehört hat zu Rollen. Wer mit Martin Schulz einen Kandidaten aufstellt, der seit Jahrzehnten in der Parteispitze mitverantwortlich ist und im EU-Parlament bei der Kürzungs- und Austeritätspolitik vorne mit dabei war, kann keinen Politikwechsel erreichen. Jetzt in die Opposition zu gehen, wird der nächste Versuch sein, sich das Image einer sozialen Partei zu geben. Die praktische Politik der letzten Jahrzehnte spricht jedoch eine andere Sprache.

Wahl zwischen Pest und Cholera

Die SPD hat in den letzten Wochen darauf gesetzt, Stimmen dadurch zu gewinnen, indem sie davor gewarnt hat, dass mit der AfD «erstmalig» Nazis in den deutschen Bundestag kommen würden. Mal abgesehen von hunderten NSDAP-Mitgliedern, teilweisen mit Funktionen und Verantwortung, die nach 1945 in westdeutschen Parlamenten, Regierungen und Ministerien saßen, wird dabei verschwiegen, dass mit der «Deutschen Volkspartei» schon einmal eine Rechtsaußen-Partei im Bundestag saß. Damals hat sie Kanzler Adenauer sogar in die Regierung geholt. Das ist die Warnung für fortschrittliche Kräfte heute: Den Rechten müssen die Anhänger und ihr Einfluss genommen werden, denn es gibt keinen Grund zu glauben, dass die etablierten Parteien nicht doch bereit wären, mit der AfD zusammenzuarbeiten.

Für diese Leute werden nun viele Gelder locker gemacht, um Mitarbeiter und Büros zu finanzieren. Diese werden, zusätzlich zu den Millionen Euro Parteienfinanzierung, aus unseren Taschen gezahlt. So werden über öffentliche Gelder Aufstieg und Spaltung der reaktionären Parteien ermöglicht. AfD-Chefin Frauke Petri, die den Begriff «völkisch» wieder positiv besetzen möchte, erklärte vor wenigen Stunden, dass sie nicht Teil der AfD-Fraktion werden möchte. Grund dafür ist der Rechtsruck unter dem neuen Führungsduo der Partei. Mit Alice Weidel, die in der Wirtschaft für Goldman Sachs und die Allianz tätig war, und Alexander Gauland, der aus reaktionären CDU-Kreisen kommt, hat die Partei eine Spitze bekommen, die ihre Hand schützend über faschistische Sprücheklopfer wie Bernd Höcke gelegt hat. So verwundert es doch auch nicht, dass der ehemalige Staatssekretär und Mitarbeiter für Bürgermeister, Bundespresseamt und Bundesministerium, Alexander Gauland von der AfD gestern auf ihrer Wahlparty erklärte: «Wir werden sie jagen. Wir werden unser Volk zurückholen».

Alternative Linkspartei?

Mit der Partei Die Linke wurden im Wahlkampf soziale Fragen in den Mittelpunkt gestellt und damit auch ein paar Stimmen dazu gewonnen. Unklar blieb aber ihre Haltung zu einer Teilnahme an einer Bundesregierung mit den Sozialabbau- und Kriegsparteien SPD und Grüne. Solche Koalitionen kennen wir leider schon aus Berlin und Thüringen. Länder, in denen weiter privatisiert wird, in denen Wohnraum teilweise unbezahlbar ist, aus denen Flüchtlinge in Kriegsländer abgeschoben werden, in denen Angestellte im öffentlichen Dienst, wie an der Berliner Charité, seit Jahren für bessere Löhne kämpfen. Parteichefin Kipping hat im Wahlkampf erklärt, dass sie auf eine starke SPD hoffe und auch Wagenknecht erklärte heute, dass sie auf einen Wandel der SPD hin zu einer echten sozialdemokratischen Partei hoffe. Gründe das zu hoffen, gibt es wenige, schließlich hat die SPD bewiesen, dass sie lieber besserer Sachverwalter des kapitalistischen Wahnsinns gewesen wäre, als nun niedergeschlagen in die Opposition zu gehen.

Und trotzdem orientiert die Linkspartei im Zweifel lieber auf den Parlamentarismus und Illussionen in die Möglichkeiten der Politikveränderung durch Einbindung in den bürgerlichen Politikbetrieb. Dazu gehören auch die seit Jahren andauernden Aufweichungen ihrer Positionen, v.a. der Entsorgung einer antimilitaristischen Haltung gegen Aufrüstung und Krieg – Prominente Parteimitglieder wie Gysi und Liebich dürfen seit Jahren Politik machen, die sich nicht grundsätzlich gegen die NATO und gegen imperialistische Kriegspolitik stellt, dabei wäre das das Gebot der Stunde. Sie ist damit als Partei unglaubwürdig für all jene, die kein Vertrauen in den parlamentarischen Politikbetrieb haben und die sich grundsätzlich gegen Sozialabbau und kriegerische Aggressionen stellen. Eine konsequente Orientierung auf Eigenaktivität hingegen ist der Hebel um soziale Kämpfe zu beleben.

Hier liegt wohl auch der Grund dafür, dass die Linkspartei zwar mit etwas mehr Prozent als bei der letzten Wahl in den Bundestag einziehen wird, dem Rechtsruck in diesem Land jedoch nichts entgegen setzen konnte. So wurde aus der bisherigen Oppositionsführerin in Berlin die schwächste Fraktion im neuen Parlament. Und aus einem Parlament mit einer rot-rot-grünen Mehrheit – auf die so viele ihre Illusionen gesetzt haben, für deren Konsolidierung seit Oktober hochrangige Treffen stattgefunden haben und die sich trotzdem in vier Jahren nicht bemerkbar gemacht hat – wird nun eine mehrheitlich aggressiv neoliberales und reaktionäres Parlament mit sieben statt bisher fünf Parteien und mindestens ebensovielen Fraktionen.

Jubel bei den Herrschenden

Mit den nun laufenden Diskussionen um eine sogenannte Jamaica-Koalition, also CDU/CSU-FDP-Grüne, werden uns wirtschaftsfreundliche Reformen und verschärfte Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtum von unten nach oben erwarten. Mit dem möglichen Einzug der Grünen in eine schwarz-gelbe Bundesregierung wird sich die aggressive deutsche Außenpolitik innerhalb der Europäischen Union als auch gegenüber Russlands zuspitzen. Dazu hat die aktuelle Grünen-Spitze während der Euro-Krise und währemd dem Ukraine-Krieg viele Beispiele geliefert. Doch auch ohne die Grünen, hat der EU-Kurs des deutschen Kapitals eine Bestätigung bekommen, gegen die sich bei unseren europäischen Nachbarn seit Jahren Widerstand formiert. Und auch der vermeindliche Image-Wechsel der FDP war nicht mehr als das Hinzufügen einer neuen Parteifarbe, die Inszenierung von Sunnyboy Christian Lindner und der Einkauf einer schicken Marketingstrategie. Doch das hat gewirkt und eine Partei zurück in den Bundestag geholt, die vor vier Jahren wegen ihrer platten neoliberalen Politik, durch die unzählige Menschen in die Armut gedrengt wurden, abgewählt worden war. Ob die Jamaica-Koalition zu Stande kommt, wird sich wohl an den Fragen nach einer «Obergrenze» und «Ehe für alle» entscheiden. Unabhängig davon ist schon jetzt klar, dass der politische Kurs für eine «marktkonforme Demokratie» fortgesetzt wird. Das heißt: ändern wird sich de facto wenig. Der Wahlkampf war ein organisiertes Spektakel, in dem sich ähnliche Typen ähnliche Inhalte um die Ohren gehauen haben und damit beim medialen Aufputschen der AfD mitgemacht haben. Begleitet wurde das ganze von Angstmacherei, die BILD-Zeitung redete sogar von einer russisch-beeinflussten Wahlmanipulation.

Doch neben dem ganzen Spektakel bleiben die realen Probleme drängend: Das Hartz-IV-Zwangssystem, fehlende Gelder bei Gesundheit, Bildung, Kultur, ein riesengroßer Niedriglohnsektor dank Zeit- und Leiharbeit und befristete Verträge sowie Arbeitslosigkeit. Alle etablierten Parteien haben diesen Kurs mitgemacht und versucht Menschen in den kapitalistischen Wahn einzubinden. Das ist auch gut gelungen; selbst dort wo die Linkspartei in Verantwortung mitreden durfte, hat sie sich daran beteiligt. Dagegen haben tausende Menschen ihre Stimme den Kommunisten gegeben. Als kleine, aber deutliche Demonstration in der Wahlkabine gegen das parlamentarische Theater bei dem – dank 5%-Hürde und verschiedenen sozialen Gruppen, denen kein Wahlrecht zugesprochen wird – Proteststimmen unter den Tisch fallen

Weiter den Weg des Widerstandes

Die tausenden Proteststimmen für die Liste der Kommunistischen Partei (DKP) sind noch viel zu wenige. Wir müssen mehr werden, die gemeinsam den Weg des Widerstandes gehen. Dafür ist es noch nicht zu spät, denn entscheidend ist für uns kein Kreuz auf dem Stimmzettel, sondern das aktive Eintreten für die eigenen Interessen. Nicht nur die Stimme abgeben – danach, und besonders bei diesem Wahlergebnis, heißt es: die Stimme erheben! Die zu erwartende Politik in Berlin und von der neuen Bundesregierung – ob Jamaica oder doch die stabile und bewährte große Koalition – erfordert von uns, dass wir uns fürdie Verteidigung unserer sozialen und demokratischen Grundrechte selber stark machen und dazu viele Mitstreiter finden und sammeln.

Dabei bieten die Sofort-Vorschläge der Kommunisten weiterhin die richtige Grundlage: Sofortige Investition in öffentliches Eigentum (Neubau von Sozialwohnungen, Schulen, Jugendzentren und Kindertagesstätten), Schaffung von Arbeitsplätzen (Zusätzliche LehrerInnen, ErzieherInnen, Krankenhauspersonal und SozialarbeiterInnen), Verbesserung der Sozialleistungen, Konsequente Friedenspolitik (Rücknahme der Aufrüstungspläne, Kürzung der Militärausgaben, Stopp aller Waffenexporte), Besteuerung der Reichen (Erhöhung der Spitzensteuer auf Unternehmensgewinne, Einführung einer Millionärssteuer); Wählt den Weg des Widerstands! Werdet selber für eure Interessen aktiv!

Bundesgeschäftsführung der SDAJ