Kultur
Schützt die Steillagen! Mayschoß im Ahrtal
Qualität erhalten!
Schöne Ideen haben andere auch, häufig sind es dieselben. Feiertag, Herbstferienanfang, langes Wochenende - und herrliches Wetter. Die Mittelrheinbahn fasst kaum die Menschenmenge, die es an die Ahr zieht. Ab Bonn ist die Regionalbahn sogleich überfüllt, ab Remagen wird die 1. Klasse frei gegeben und gestopft. Dann leert sich der Zug von Station zu Station, entsprechend füllt sich das Ahrtal.
In Mayschoß tappen wir entschlossen Richtung Mönchberghof. Auf dem Weg Trubel, weinselige Musik, Winzerfest. Nach ein paar hundert Metern wird es ruhig. An der Etzhardstraße bewundern wir die Kunst eines Gärtners: Kohl, Riesenkürbisse, Wirsing – herrlich! Auf den Hängen werden die Trauben in Wannen gesammelt. Wir finden Platz auf der Terrasse unserer Straußenwirtschaft. Der Spätburgunder schmeckt. Erstes Thema ist der Wein. Das Weinanbaugebiet Ahrtal mit seinen Steillagen ist noch bis Ende 2015 vor der Konkurrenz geschützt. Die kann in Flachlagen durch den Einsatz von Technik billigere Massenweine herstellen. Das europäische Rebanpflanzungsverbot, das bisher die Steillagen schützt, gilt nur noch bis Ende 2015. Das geht aus der Verordnung Nr. 491/2009 des Europäischen Rates vom 25. Mai 2009 zur Änderung der Verordnung Nr. 1234/2007 über eine gemeinsame Organisation der Agrarmärkte und mit Sondervorschriften für bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse (Verordnung über die einheitliche GMO) (Amtsblatt Nr. L 154 S. 1) hervor und findet sich dort im Abschnitt IVa (Art. 85a–85x). Zwar gewährt Artikel 85 g noch eine Schonfrist (Absatz 5: Die Mitgliedstaaten können beschließen, das Verbot gemäß Absatz 1 in ihrem Hoheitsgebiet oder Teilen davon längstens bis 31. Dezember 2018 aufrechtzuerhalten.), dann aber gilt Artikel 85 h, der die Neuanpflanzungsrechte regelt. Schon länger diskutieren wir in unserer Gruppe, ob wir nicht eine Köln-Ahrtaler Bürgerinitiative anregen und mit politischen Mitteln auf den weiteren Schutz des Weinbaugebiets Ahrtal drängen sollten.
Große deutsche Weinkellereien sind dagegen. Michael Willkomm von der Weinkellerei Peter Mertes äußerte sich zum Thema Weinmarktreform (»Weinwirtschaft«, Januar 2011): »Wenn man an den wirtschaftlichen Gegebenheiten vorbei versucht, den Weinbau auf traditionellen Flächen durch einen Anbaustopp zu erhalten, dann bedeutet das das Diktat einer Planwirtschaft statt der Entfaltung einer freien Marktwirtschaft.«
Gut, das Argument kennen wir. Aber selbstverständlich lehnen wir eine marktwirtschaftliche Plörre ab, wenn der Wein nur planwirtschaftlich seine Qualitäten entfalten kann. Ohnehin kann von Marktwirtschaft nicht die Rede sein, allenfalls von der staatlich organisierten Begünstigung großer Betriebe durch die EU.
Wir plaudern noch über die Möglichkeit, auch mal an die Mosel zu fahren. Man hört zwar, dort würde in mancher Kellerei der Wein mittlerweile pfleglicher gekeltert als vordem. Aber der Weg ist uns zu weit, das Vergnügen unsicher.
Schon reden wir mal über die Kunst des Zeichnens oder über Kubas Wirtschaft. Aber meist drehen sich die Gespräche um Irdisches.
Weiter oben auf dem Rotweinwanderweg zieht eine unendliche Reihe von Spaziergängern. Irgendwann fügen wir uns ein, biegen aber unverzüglich wieder ab, um die nächste Gaststätte aufzusuchen.
Text und Fotos: Klaus Stein
Plörre
alkoholisches Getränk, bei dessen Anblick man Angst bekommt, nach dem Genuss am nächsten Morgen mit Kopfschmerzen aufzuwachen