Politik

Eindrücke vom PTB-Kongress

Vielfältigkeit, Reichhaltigkeit, Diversität

Vorn: fahnenschwenkende Zuhörer, hinten: winkender Redner auf Großbildschirm.

14. Juni 2015 | Neben den sehr wichtigen inhaltlichen Programmpunkten ging es den belgischen Genossen der PTB um die «Kunst des Performativen», um die Form, die erst die Relevanz des Inhalts deutlich hervortreten lässt.

Worum geht es auch bei so einem Kongress? Sicher geht es um die inhaltlichen Forderungen, aber geht es nicht ganz unwesentlich auch um den Moment des Erlebens bzw. einen Moment unseres Lebens? Dieses wollen wir uns so schön wie möglich machen. In dem Moment des Lebens liegt bereits ein Stück unserer Utopie, nämlich des Sozialismus, den wir gern erreichen würden. Glaubwürdig werden wir jedoch nur, wenn wir diesen Sozialismus nicht in unerreichbare Ferne rücken, sondern z.B. bereits in einer Veranstaltung verwirklichen.

In diesem Solidaritätskongress waren diese Momente verwirklicht: Es gab eben nicht nur einen Superstar, Peter Mertens, sondern etliche, gleichberechtigte, nebeneinander stehende bzw, agierende Persönlichkeiten und nicht nur Personen sondern auch kulturelle Ereignisse.

Der Kongress begann mit Raoul Hedebouw: Während er wie Mick Jagger die Eingangstreppe durch den Saal, die Treppe herunterkam, um jede Region Belgiens zweisprachig einzeln zu begrüßen, antwortete der Saal jeweils mit tosendem Applaus. Unten, auf der Bühne angekommen, war einer seiner ersten Sätze in etwa: »Ich kann nicht in einem Land, mit dieser kulturellen und sprachlichen Vielfalt, in einer einzigen Sprache sprechen. Das funktioniert bei mir einfach nicht.» Nach seiner Begrüßung, in der Raoul Hedebouw selbstverständlich vom Flämischen ins Französiche und wieder ins Flämische verfiel, wurden wir als Publikum mit Musik erfreut.

Nachdem der Vertreter der griechischen Initiative ‹Solidarität für alle› seine Ansprache gehalten hat, wieder Musik! In diesem Sinne wurde das Programm fortgeführt: Jeder Programmpunkt bekam seine eigene, ihm angemessene Performance: Die nicht-belgischen Genossen und Flüchtlinge kamen in einem gesonderten Programmpunkt auf die Bühne und erhielten jeder und jede einzelne das Wort, die PTB- Frauen vertraten argumentativ die 30 Stunden Woche, die Radfahrer fuhren in den Saal, um auf den Klimaschutz aufmerksam zu machen, die Perkussionisten ließen den komplett vollbesetzten Saal erbeben und, was doch eher ungewöhnlich für eine Veranstaltung der radikalen oder extremen Linken ist, war der Tenor Tristan Faes – mit PTB-Abzeichen!- , der Nabuccos Gefangenen-Chor mit seiner umwerfenden Interpretation anstimmte.

Bis zum Schluss beim Publikum kein Gähnen, keine Mühe, dem Geschehen zu folgen. Auch der eigentliche Höhepunkt, die Wiederwahl Peter Mertens mit über 93% war zwar entscheidend aber trotzdem nur ein Programmpunkt. Eine schöne Erinnerung an eine alte Parole erscheint vor dem geistigen Auge: «Kein Personenkult!» noch niemals umgesetzt, hier immerhin bewusst inszeniert.

Ganz am Ende werden Solidaritäts- und PTB-Fahnen verteilt, so dass die zum Schluss mehrsprachig gesungene Internationale einen würdigen Rahmen bekam.

Ulrike Fuchs