Politik

Vier Jahre lange Erblindung

Demo mit Polizeischutz. Fahnen in Schwarz-Rot-Gold, dazwischen die der Identitären: Gelber Winkel im Kreis auf schwarzem Tuch.

Geheimdienste entdecken scheinbar plötzlich die Identitären

Der bundesweit agierende Inlandsgeheimdienst hat vier Jahre nach ihrer Entstehung die Identitäre Bewegung Deutschland neu gewichtet. Ab jetzt wird observiert. Damit sind die Schlapphüte von Thomas de Maizière etwas später aufgewacht als ihrer Kollegen in verschiedenen Bundesländern. Der Bremer Senat lässt seit 2012 beobachten. In NRW «schon» seit 2015, so die Westdeutsche Zeitung. Berlin und Hessen sind mit ihrem CDU-Innenminister Peter Beuth bzw. Senator Frank Henkel ebenfalls verspätet 2015 eingestiegen. Den eingetragenen Verein der Identitären gibt es seit 2014 mit Sitz im westfälischen Paderborn.

Das äußere Zeichen ist die schwarze Flagge mit gelbem Kreis, in dem ein Winkel markiert ist. Der «Spiegel» identifiziert das Zeichen als den griechischen Buchstaben Lambda. Über 20.000 Nutzern gefällt der unzensierte Auftritt bei Facebook. Vorläufer und Vordenker gab es in Frankreich. Der Philosoph und Schriftsteller Michel Houellebecq lieferte Januar 2015 den passenden Lesestoff in «Soumission» («Unterwerfung»), in dem La Grande Nation im Jahr 2022 als islamischer Staat zu enden droht. Ausstrahlung nicht nur bis in die Neue Rechte in Deutschland. Wo steht die Elite? Gero von Randow, Ex-Chefredakteur von «elan» (SDAJ), lotet in der «Zeit» als Ko-Autor am 10. Juni die Spanne zwischen Salonfaschisten und Nationalkonservativen aus. Der Schauspieler Edgar Selge brillierte unter der Regie von Karin Beier am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg Anfang des Jahres mit dem Monolog «Unterwerfung.»

Die ideologische Zuordnung der Identitären könnte abhängig betrachtet werden von der Quelle, die ihr zugrunde gelegt wird. In der Selbstdarstellung der Identitären Bewegung Deutschland heißt es schönrednerisch, sie seien «die patriotische Kraft, die sich aktiv und erfolgreich für Heimat, Freiheit und Tradition einsetzt.» Ihre Angst-Masche: Deutschland wird überrannt und schließlich entgermanisiert, moslemisch überbordet und entkulturalisiert.

In Düsseldorf, um nur ein Beispiel zu nennen, waren die Identitären nicht Veranstalter der Montagsdemos. Die kamen aus der grobschlächtigen rechten Ecke. Aber ihre auffälligen Fahnen flatterten ungehindert dazwischen, ebenso von der Polizei geschützt wie die Neonazi-Agitatoren aus dem Pegida-Umfeld.

Es gibt feine Unterschiede zwischen den Gruppierungen, die offensichtlich jetzt dazu geführt haben, dass die Verantwortlichen dem Inlandsgeheimdienst ein neues Aufgabenfeld überantwortet haben: fehlende Berührungsangst zwischen Identitären und rechten Rabauken aller Schattierungen einerseits und andererseits wiederum die feine Distanzierung der Identitären vom Plebs, um Zugang zu den »modernen», vielleicht intellektuelleren Rechten zu finden. Dazu passt das Lambda auf gelbem Grund. Es ist ein Zitat aus dem Comic «300», in dem die 300 Spartaner Schutzschilde mit dem griechischen «Λ» (= Lambda) trugen und heldenhaft starben. Es ging um die heldenhafte Verteidigung des «Abendlandes» gegen die Übermacht der Perser aus dem Orient. In der neugriechischen Sprache heißt Orient anatoli (ανατολή, Anatolien). Das zur «Bedrohung» von Kultur und Religion aus dem Osten...

Franz Josef Strauß polterte im September 1974: «Rechts neben uns ist nur noch die Wand.» Das war seine Form der Integration alles Rechten. Wer sich nicht zwangsintegrieren lassen will, der muss sich heute vor den Schlapphüten fürchten. Die nun angedrohte Observierung durch den Verfassungsschutz bereitet dem rechts artigen Bürger denn doch ein gewisses Unwohlsein. – Aber es geht Thomas de Maizière ja nur um Beobachtung. Jürgen Todenhöfer hatte schon vor knapp 30 Jahren so eine Vision von den zutiefst konservativen Bürgern: «Wenn diese Bürger sich nun auch von der CDU nicht mehr vertreten fühlen, werden sie sich eines Tages rechts von der CDU eine neue, rein konservative Partei schaffen.» In schützender Begleitung der Schlapphüte.

Uwe Koopmann
Foto: Bettina Ohnesorge