Politik
In Deutschland wird wieder selektiert
CDU/CSU und SPD regeln Bleiberecht und Aufenthaltsbeendigung neu
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung bringt es auf den Punkt: Wer wirtschaftlich, ideologisch und kulturell hinreichend in dieses politische System integriert werden kann, der darf bleiben. Der gehört zu den Guten, denn er hält sich erfolgreich seit Jahren (mindestens acht Jahre) in Deutschland auf. Er sorgt sich um seinen Lebensunterhalt »durch aktive Teilnahme am Arbeitsmarkt«. Er hat »hinreichende deutsche Sprachkenntnisse«. Er liefert ein »Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland« ab. Er verfügt über eine »grundsätzlich gegebene Straffreiheit«. Und: er hat »keine Bezüge zu extremistischen oder terroristischen Organisationen.« Kleiner Hinweis: Die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) gilt in Deutschland – in Übereinstimmung mit EU und USA – als »terroristische Vereinigung«. Wer die Bedingungen des Gesetzes nicht erfüllt, der muss damit rechnen, dass er – schneller als bisher – wieder entfernt wird.
Das kann in Zukunft sehr repressiv erfolgen. Die meisten Flüchtlinge dürften Deutschland nicht auf dem Luft- oder Seeweg erreicht haben, sondern über die Straße. Der Beginn der Straße war allerdings außerhalb der deutschen Grenzen. Also hätte Deutschland erst gar nicht betreten werden dürfen. Da die Flüchtlinge folglich keine Aufenthaltsberechtigung haben, können sie nicht nur einfacher abgeschoben werden. Sie können auch den Stempel »Wiedereinreisesperre« bekommen. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) hätte gerne eine Sperre von bis zu zehn Jahren. Wer verdächtigt wird, dass er sich der Abschiebung widersetzen könnte, kann sofort inhaftiert werden (»Ausreisegewahrsam«).
Wer von Schiebern abgezockt wurde und dafür »erhebliche Geldbeträge« berappen musste, kann genau dafür ebenfalls hinter Gittern landen. Auch diese Verschärfung wird von Pro Asyl scharf attackiert. Gegenwärtig sind 40.000 Ausreisepflichtige ohne Duldung im Lande.
Pro Asyl hatte schon vor der Vereidigung des Kabinetts auf das Grundgesetz an die große Koalition appelliert: »Deutschland braucht eine neue Bleiberechtsregelung, die den vielen langjährig nur geduldeten Menschen endlich eine sichere Lebensperspektive bietet. Noch immer leben in Deutschland fast 86.000 Menschen mit einer Duldung (Das Handelsblatt nennt »mehr als 100.000 Geduldete«), rund 36.000 bereits länger als sechs Jahre. Über 22.000 der Geduldeten sind minderjährig. Aus den Fehlern der vergangenen Bleiberechtsregelungen sollten nun endlich die richtigen Konsequenzen gezogen werden: Zu jung, zu alt oder zu arm für ein Bleiberecht – dieser Effekt früher Regelungen muss außer Kraft gesetzt werden. Wir brauchen eine neue Bleiberechtsregelung, die stichtagsunabhängig ist und keine unerfüllbaren Bedingungen an die betroffenen Menschen stellt.« – Die Absprachen in der Koalition zu verschärfter Abschiebung und geregelter Duldung dauerten danach Monate.
Massiv auch die Kritik aus dem DGB. Anneliese Buntenbach aus dem Bundesvorstand erklärte »Die Neuregelung zum Bleiberecht ist keine Lösung zur besseren Integration, sondern eine Altfallregelung, von der nur wenige werden profitieren können. Die zweijährige Bewährungsfrist birgt vor allem die Gefahr, dass die geduldeten Ausländer in jeden noch so miesen Job gedrängt werden und sich im Zweifel ausbeuten lassen müssen, um der Abschiebung zu entkommen. Gleichzeitig wird ihnen der nötige Bewegungsspielraum genommen, indem sie in den einzelnen Bundesländern weiter auf Sachleistungen und Sammelunterkünfte verwiesen werden können. So wird es nahezu unmöglich gemacht, beispielsweise die Fahrt zu einem Bewerbungsgespräch zu finanzieren. Damit verbaut die Bundesregierung ihnen weiterhin die Perspektive, in Deutschland Fuß zu fassen.«
Pro Asyl legt die Finger in die Wunde: »Es ist inhuman, alte, kranke oder behinderte Menschen vom Bleiberecht auszuschließen. Eine Aufenthaltserlaubnis muss auch gewährt werden, wenn Menschen nicht arbeiten können, weil sie alt, krank oder behindert sind, Angehörige pflegen oder Kinder erziehen. (…) Eine neue Bleiberechtsregelung muss verhindern, dass Familien auseinandergerissen werden.«
Die Mängel des neuen Gesetzes wiegen die wenigen positiven »Reformen« nicht auf: Aufenthaltserlaubnis gibt es nach positiver Prognose ab vier Jahren Aufenthalt in Deutschland. Der Bewerber muss jünger als 27 Jahre sein. Für 18 Monate darf er bleiben, wenn es um die Anerkennung eines Berufsabschlusses geht.
CDU/CSU und SPD können im Bundestag nun durchziehen. Das Gesetz bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates (Länderkammer). Die DKP sieht einen Grundsatz der Gesetzgebung bestätigt: Das Wohl des Staates und der Wirtschaft steht im Vordergrund. Der Bürger ausländischer Herkunft bleibt bestenfalls geduldet. Wer »Frontex« (EU-Küstenwache) oder »Mare nostrum« (italienische Küstenwache) hinter sich gelassen hat, kann auch weiterhin nicht mit einer vom Humanismus gespeisten Willkommenskultur rechnen.« Aus dem DKP-Programm: »Zur Reaktion im Innern gehört nicht zuletzt die Abschottung der »Festung Europa« gegen wachsende Kriegs- und Elendsflüchtlingsströme als Folge der imperialistischen Globalisierung.«
Text und Foto: Uwe Koopmann