Politik
Graz hat gewählt
KPÖ legt zu und verteidigt Platz zwei
06.02.2017 | Am Sonntag wurde in Graz, der zweitgrößten Stadt Österreichs, der Gemeinderat gewählt. Dass die konservative ÖVP wieder stärkste Partei wird, war klar. Umkämpft war der zweite Platz. Kann die KPÖ ihre Position halten oder wird sie von der rechtsextremen FPÖ überholt? Ergebnis: Die KPÖ bleibt mit 20,0% (+0,1), zehn Mandaten und einem Regierungssitz ganz klar zweitstärkste Partei.
222.856 GrazerInnen waren am Sonntag aufgerufen, einen neuen Gemeinderat zu wählen. Ein Politikum, das weit über die Grenzen der Stadt, ja sogar Österreichs wahrgenommen wird. Denn ein Spezifikum der Stadt an der Mur ist die beispiellose Stärke der KPÖ. Seit über 20 Jahren sind die Kommunisten aus der Stadtpolitik nicht mehr wegzudenken. Die Wahlen am Sonntag belegten, dass es so bleiben wird.
Das Wahlergebnis
Nach der amtlichen Auszählung der Stimmen und einer Hochrechnung der Briefwahlstimmen (werden erst am Montag ausgezählt)
- gewinnt die konservative ÖVP mit Bürgermeister Siegfried Nagl wenig überraschend die Kommunalwahl mit 38,2%. Sie kann im Vergleich zur Gemeinderatswahl 2012 sogar 4,5%-Punkte zulegen und kommt auf 19 Mandate (plus 2) und drei Sitze im Stadtsenat.
- Die Sensation liegt auf Platz zwei. Der KPÖ Graz gelingt mit ihrer Spitzenkandidatin Elke Kahr – einzige kommunistische Vizebürgermeisterin einer Landeshauptstadt in Österreich – am Sonntag ein Husarenstück: Sie erreicht ihr Wahlziel, gewinnt Stimmen dazu und verteidigte mit 20,0% (+0,1), zehn Mandaten und einem Regierungssitz den 2012 errungenen Platz zwei gegen die rechtsextreme FPÖ. Die KPÖ konnte vor allem Neu- und Nichtwähler zu den Urnen bringen. 23.197 GrazerInnen (ohne Briefwähler) stimmten für die KommunistInnen.
- Abgehängt auf dem dritten Platz landet mit 15,8% (+2,0) die rechtsextreme FPÖ. Sie gewinnt ein Mandat dazu, kommt jetzt auf acht Gemeinderäte und unverändert einen Regierungssitz.
- Für die SPÖ, die bis 2003 den Bürgermeister stellte, wird die Wahl zu einem neuerlichen Tiefschlag. Sie wird von FPÖ und den Grünen überholt und kommt mit 10,1% (-5,2) nur noch auf Platz fünf, und damit nur noch auf fünf Mandate (-zwei), behält aber ihren Regierungssitz.
- Obwohl die Grünen leicht verlieren (-1,7), können sie doch die SPÖ überholen und landen mit 10,5% auf dem vierten Platz. Sie erhalten fünf Mandate (-eins) und behalten ihren Sitz in der Stadtregierung.
- Die Piraten fliegen aus dem Gemeinderat, dafür ziehen die neoliberalen Neustarter NEOS mit 4,0% und einem Mandaten in den Gemeinderat ein.
Da 400 Stimmen über einen Sitz in der Stadtregierung entscheiden können, kann es nach der Auszählung der BriefwählerInnen noch zu Veränderungen kommen. Die Wahlbeteiligung lag mit 57,1% über der bei der Gemeinderatswahl 2012 (55,47%).
Warum vorgezogene Wahl
Regulär wären die Grazerinnen und Grazer erst im Herbst im zu den Urnen gerufen worden. Doch der Gemeinderat wurde vorzeitig aufgelöst, weil sich ÖVP und KPÖ nicht auf den Stadthaushalt einigen konnten. Vor zwei Jahren war dem konservativen Bürgermeister Nagl (ÖVP) nichts anderes übrig geblieben, als mit der KPÖ-Fraktion im Gemeinderat eine Zweckpartnerschaft zu bilden. Das funktionierte nicht lange: Als die KPÖ im Herbst die Zustimmung zum Budget verweigerte, wurden Neuwahlen angesetzt.
Ausschlaggebend für das «Nein» der KPÖ zum Budget war der von Bürgermeister Nagl vehement vertretene Bau des Wasserkraftwerks an der Mur. Nicht nur Umweltschütze laufen gegen das Prestigeprojekt des Bürgermeisters Sturm: Auch Grüne und KPÖ sind dagegen. Eine mögliche Lösung wäre eine Volksbefragung gewesen. Doch dagegen stellt sich Nagl. Das war der Grund, warum die KPÖ die Zusammenarbeit mit der ÖVP platzen ließ.
Das Murkraftwerk war dann auch eines der zentralen Themen im Wahlkampf. Noch am Samstag vor der Wahl (4.2.) demonstrierten mehr als 4.000 Menschen gegen den Bau des Kraftwerks und für die Volksbefragung. Sie bekräftigten, dass sich die Grazerinnen und Grazer von Konzernen und deren Lobbys ihre demokratischen Rechte nicht wegnehmen lassen.
Die KPÖ trat konsequent dafür ein, dass die Meinung der Grazerinnen und Grazer abgefragt werden muss. Vizebürgermeisterin Elke Kahr (KPÖ): «Beim Bau dieses Kraftwerks geht es um viel. Die Auswirkungen auf unser Stadtbild, auf Lebensqualität, Luft, Klima und Grundwasser und nicht zuletzt auf unser städtisches Budget sind gravierend», so Kahr. Das Geld, das die Stadt für Kraftwerk und Speicherkanal investiert, fehlt anderswo, beim Öffi-Ausbau, beim Wohnbau, bei sozialen Leistungen. «Deshalb halte ich die Idee einer Nachdenkpause, in der alle wichtigen Fakten auf den Tisch kommen, um die Bevölkerung objektiv zu informieren, für sehr sinnvoll», betonte Kahr. Nachdem die ÖVP die Volksbefragung ablehnte, scheiterte die Koalition und es kam zu Neuwahlen.
KPÖ bleibt feste Größe in der Stadtpolitik
Bei der KPÖ ist die Freude über das Wahlergebnis groß. Elke Kahr: «Ich freue mich natürlich einfach riesig. Wir haben das Ziel, das wir uns gesetzt haben – zweitstärkste Kraft zu bleiben, das Ergebnis der letzten Wahl zu halten und vor der FPÖ zu liegen – erreicht. Und da können wir den Wählern und allen, die da mitgeholfen haben, nur tausendmal danken, dass sie uns das Vertrauen geschenkt haben.»
»Mit dem KPÖ-Ergebnis bin ich sehr zufrieden», sagt die Fraktionsvorsitzende der KPÖ im Steierischen Landtag Claudia Klimt-Weithaler. «Wir haben immer gesagt, wir wollen eine Volksbefragung zum Murkraftwerk. Ich glaube, dass das auch bei den Menschen ankommt, wenn man eine Haltung hat und zu der steht. Und das sieht man auch am Ergebnis.»
Zu der jetzt möglichen Regierungskoalition ÖVP-FPÖ sagt sie: «Das war ja das Wunschergebnis des Herrn Siegfried Nagl. Jetzt hat er die Möglichkeit, und ich gehe davon aus, dass sie das auch vorbereiten werden. Dass mir das als Kommunistin nicht gut gefällt, liegt auf der Hand. Das könnte auch im Land passieren. Ich glaube, dass das für die Menschen nicht das Beste ist.»
Mirko Messner, Bundessprecher der KPÖ, gratulierte der KPÖ-Graz zu diesem politisch wertvollem Ergebnis: «Die Grazerinnen und Grazer haben das konsequente soziale Engagement der KPÖ-Gemeinderatsfraktion und ihre Wohnpolitik auf eindrucksvolle Weise belohnt. Bei höherer Wahlbeteiligung hat die KPÖ Stimmen dazugewonnen und hält ihren zweiten Platz. Sie bleibt auch für die kommenden Jahre eine fixe und verlässliche Größe in der Stadtpolitik und soziale Opposition. Im Namen des Bundesvorstands gratuliere ich herzlich Elke Kahr und allen, die dazu beigetragen haben.»
Elke Kahr: «Das Wohnressort bleibt bei der KPÖ»
Nach dieser Wahl steht fest: In Graz kommt niemand an der KPÖ vorbei. Elke Kahr hat bereits die Forderungen der KPÖ formuliert: «Das Wohnressort bleibt bei der KPÖ. Das Thema können wir gut und konsequent», sagt sie. Und verweist darauf, dass knapp 1.000 Wohnungen in den vergangenen beiden Legislaturperioden gebaut wurden. Dieses Programm zur Schaffung von bezahlbaren Wohnungen müsse weiterverfolgt werden, verlangt sie. Das gleiche gelte für die Mietzinszuzahlung, gemäß dem von der KPÖ verfolgten Grundsatz, dass nicht mehr als ein Drittel des Einkommens für Wohnen inklusive Betriebskosten verwendet werden müsse, sagte Kahr. Der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs mit bezahlbaren Preisen ist ein weiterer Schwerpunkt der Grazer KommunistInnen.
Wo liegt die Ursache für den Erfolg
Worauf Elke Kahr den Wahlerfolg der KPÖ zurückführt? «Ich denke, dass die Arbeit der letzten Jahre bewertet worden ist – und dass wir ehrlich und glaubwürdig in unseren Haltungen geblieben sind, niemandem etwas vorgeschwindelt haben, auch keine überbordenden Forderungen gehabt haben, die man dann nicht erfüllen kann. Die Summe dieser Dinge ist es, glaube ich, warum die Menschen schon über eine wirklich lange Zeit Vertrauen in uns haben», so Kahr.
Auch das Murkraftwerk «wird sicherlich bei nicht Wenigen eine Rolle gespielt haben. Das hat man erst gestern bei der Demonstration gemerkt, wo wirklich viele Danke gesagt haben, dass wir da diese Haltung gezeigt haben – auch wenn es für uns nicht einfach war, damals diesen Bruch zu machen. Ich glaube, dass uns da sicherlich etliche aus diesem Grund ihr Vertrauen geschenkt haben», freut sich die Spitzenkandidatin der Grazer KPÖ.
Mieterpartei
Die Stärke der KPÖ Graz beruht vor allem darauf, dass sich die Partei auf das langfristige Bearbeiten und Besetzen kommunalpolitisch relevanter Themen, vor allem im Bereich Wohnen, konzentriert hat. Bereits in den 1990er Jahren richtete die KPÖ Graz einen «Mieternotruf» ein, finanzierte die juristische Auseinandersetzungen von MieterInnen mit VermieterInnen, prangerte Mietwucher öffentlichkeitswirksam an und startete mit Erfolg eine Volksbefragung gegen die Privatisierung der Gemeindewohnungen. Mit ihrer bekanntesten Kampagne konnte sie die Renovierung von Gemeindewohnungen durchsetzen – «Ein Bad für jede Gemeindewohnung».
1998 wurde Ernest Kaltenegger als Wohnbaustadtrat Mitglied der Stadtregierung. Auch hier macht die KPÖ Graz eine bemerkenswerte Ausnahme: Während linke Parteien in Westeuropa in der Regel mit rückläufiger WählerInnenunterstützung konfrontiert sind, wenn sie sich an Regierungen beteiligen und nur selten linke Akzente hinterlassen, erzielte die KPÖ Graz ihre besten Ergebnisse seit dem Eintritt in die Stadtregierung und setzte in einzelnen kommunalpolitischen Bereichen ihre politischen Vorstellungen durch. Im Jahr 2003, bei der ersten Wahl nach Regierungseintritt, erreichte die Partei das Rekordergebnis von 20,8 Prozent.
Ein weiterer zentraler Aspekt der KPÖ-Politik war Kalteneggers Verzicht auf wesentliche Teile seines Gehalts als Stadtrat. Diese Praxis wurde später auch von seiner Nachfolgerin Kahr und den steirischen KP-Landtagsabgeordneten übernommen. Mit dem gesammelten Betrag unterstützt die Partei Menschen mit finanziellen Problemen.
Ein Sandkorn im Getriebe
Als Sandkorn im neoliberalen Getriebe sieht die KPÖ Graz ihre Erfolge in der Stadt:
«Genau das ist der (vom Neoliberalismus verbrannte) Boden, auf dem die Saat der Rechtsextremen gedeihen kann. Sie präsentieren Bevölkerungsgruppen als Sündenböcke und lenken von den sozialen, ökonomischen und systemischen Ursachen von Armut, Arbeitslosigkeit und fehlenden Perspektiven ab. Wo der Reichtum der Eliten als marktgegeben oder gottgewollt, ergo unantastbar, gilt, bleibt den Übrigen nur der gegenseitige Kampf um die Krümel. Neoliberalismus und Rechtsextremismus sind kommunizierende Gefäße, sie befeuern sich gegenseitig. Eben darum erleben wir in ganz Europa und darüber hinaus den Aufstieg rechter und rechtsextremer Politiker, die sich die Arroganz der alten Eliten zunutze machen, um selbst an die Futtertröge der Macht zu gelangen. Auch in Graz stünde uns bei dieser Wahl vermutlich – wie bei fast allen vergangenen Wahlen der letzten Jahre, von Wien bis in die USA – ein Zweikampf zwischen Bürgermeister Nagl und der FPÖ bevor. Wenn es da nicht eine Grazer Besonderheit geben würde…»
Seit über zwei Jahrzehnten entwickelt die KPÖ in Graz nämlich eine soziale, fortschrittliche Kommunalpolitik in enger Beziehung mit der Bevölkerung. Seit 19 Jahren leiten die kommunistischen WohnungsstadträtInnen Ernest Kaltenegger und Elke Kahr das Wohnungsamt der Stadt Graz und haben eine Wohnungspolitik entwickelt, die diesen Namen überhaupt erst wieder verdient. «Ein Bad für jede Gemeindewohnung», die Mietzinszuzahlung, der Kautionsfonds, der Bau neuer Gemeindewohnungen – all das macht für tausende Menschen in unserer Stadt einen konkreten Unterschied im Alltag. Ebenso die erreichte Halbierung der Kosten für die Öffi-Jahreskarte, ein Gebührenstopp bei Müll und Kanal seit 2015 oder natürlich der MieterInnen-Notruf. All das würde es ohne die Grazer KPÖ nicht geben. Im Gegenteil, noch 2004 wollten ÖVP, SPÖ und FPÖ die Gemeindewohnungen privatisieren, was nur durch eine Volksbefragung verhindert werden konnte!
Eine starke KPÖ, ihr Rückhalt in der Bevölkerung und das Zusammenwirken mit Bewegungen von unten machen Graz sozialer – und sind Sand im Getriebe von Neoliberalismus und Rechtsextremismus. Denn nichts immunisiert die Menschen besser gegen rechte Parolen, als die Erfahrung von Solidarität und die Existenz einer echten sozialen Alternative. Das zeigte sich auch konkret in der Bewegung gegen die Kürzung der Wohnbeihilfe durch die SPÖ/ÖVP-Landesregierung, an der sich unzählige Menschen an der Seite der KPÖ beteiligten. Ohne diese Bewegung hätte es in der Giftküche der FPÖ wohl nur so gebrodelt…
Natürlich, die Grazer KPÖ kann weder zaubern, noch auf kommunaler Ebene die Macht von Banken und Konzerne brechen. Aber mit fortschrittlicher Kommunalpolitik Sand im Getriebe von Neoliberalismus und Rechtsextremismus zu sein, ist in Zeiten wie diesen schon sehr viel wert und eine Ausgangsbasis für eine soziale Alternative zur immer weiteren Zuspitzung der kapitalistischen Verhältnisse – in Graz und darüber hinaus. Darum ist bei der Grazer Gemeinderatswahl am 5. Februar jede Stimme für die KPÖ nicht nur eine Stimme für die eigenen sozialen Interessen, sondern auch ein Sandkorn im Getriebe dieses Systems. Je stärker die KPÖ, desto sozialer ist unser Graz! Und es bleibt dabei, Kampf um Platz zwei: KPÖ oder FPÖ, Elke Kahr oder Eustacchio?
Quellen: kommunisten.de
kpoe-graz.at
Fotos: KPÖ Graz