Politik
Generalstreik in Griechenland
Syriza greift in das Streikrecht ein
Die Vorbereitungen für den Generalstreik in Griechenland am 14. Dezember liefen in den vorangegangenen Tagen überall auf Hochtouren. Es waren wieder die Kräfte der gewerkschaftlichen Front PAME, die von früh bis abends vor den Betrieben und in den Stadtteilen für den Streik mobilisierten. Am 23. Und 24. November hatte PAME den Vorschlag für den Streik bei den Geschäftsführenden Vorständen der Dachverbände des privaten Sektors (GSEE) und des öffentlichen Sektors (ADEDY) eingebracht.
Der Beschluss, der dem Druck klassenkämpferischer Kräfte folgte, mündete in einen Aufruf von sieben regionalen Gewerkschaftsverbänden, mehreren Industriegewerkschaften (Bau, Druck und Papier, Nahrung, Textil) und 70 Einzelgewerkschaften aus dem ganzen Land. Die zentrale Forderungen an die Syriza/ANEL-Regierung: Keine Zerschlagung des Streikrechts! Rücknahme aller Memorandumsgesetze!
Diese Gesetze sehen unter anderem den Verkauf und die Privatisierung von staatlichen Betrieben vor, damit einhergehend die Einschränkung von Arbeiterrechten und die Legitimierung von Entlassungen und Aussperrungen. Dagegen gab es zuerst einen Aufruf der Gewerkschaften, dann den Vorschlag von PAME an die zwei Landesgewerkschaften und schließlich den Streikbeschluss.
Und das ist der Eingriff ins Streikrecht konkret: Damit eine Betriebsgewerkschaft oder eine örtliche Branchengewerkschaft über einen Streik beraten und abstimmen kann, müssen mindestens 50 Prozent der Mitglieder ohne Beitragsrückstände an der entsprechenden Versammlung teilnehmen. Das ist der Stein des Anstoßes, weil besonders in den Einzelbetrieben die gewerkschaftliche Betätigung als umstürzlerische Aktivität von den Arbeitgebern betrachtet und geahndet wird, so dass eine Beratung und Abstimmung fast unter konspirativen Bedingungen erfolgen muss. Bisher galt die Anwesenheitspflicht von mindestens einem Drittel der organisierten Belegschaft.
Streiks, die von überörtlichen Gewerkschaftsverbänden oder den zwei Gewerkschaftsbünden aufgerufen werden, werden von der Regelung nicht betroffen. Hier sind die Vorstände der jeweiligen Organisationen zum Streikaufruf berechtigt. In jedem Fall bedeuten diese Regelungen einen direkten Eingriff des Staates in die gewerkschaftliche Betätigung der Arbeitnehmer.
Hintergrund ist der Versuch, Griechenland so «schlank» zu machen, dass das Land für die Finanzmärkte wieder attraktiv wird. Dazu werden die Daumenschrauben angezogen, denn bislang ist der freie Gang an die Finanzmärkte noch nicht gesichert.
Dennoch ist klassenorientierte Hoffnung bei den Herrschenden. Klaus Regling, geschäftsführender Direktor des Europäischen Rettungsschirms EFSF, erklärte schon vor einem halben Jahr, dass Griechenland auf den Anleihemarkt zurückkehren werde. Die Kehrseite: Regling räumte ein, dass die Griechen durch Lohn- und Rentenkürzungen gelitten hätten. Das sei für die Menschen unangenehm, aber alternativlos.
Einen Vorgeschmack auf die Auseinandersetzungen lieferten zahlreiche Kundgebungen am 5. Dezember in Athen und anderen Städten. Hintergrund: Am Vorabend wollte die Syriza/ANEL-Regierung im Parlament am Syntagma-Platz einen Gesetzentwurf zur Zerschlagung des Streikrechts durchsetzen. Nach den Reaktionen der KKE und der Gewerkschaften wurde der Entwurf kurz vor Mitternacht zurückgezogen. Ein Erfolg der Arbeiterklasse. Andererseits ließ die Regierung erkennen, dass sie ihre Pläne erneut einbringen will. Das Verbot von Streikvorbereitungen wird von Entlassungsdrohungen begleitet.
Ein weiteres Feld der Herrschaftssicherung ist der EU-gesteuerte Umgang mit den Flüchtlingen – insbesondere auf den Hotspot-Inseln Samos, Lesbos (Moria), Chios, Kos und Leros in der Ägäis vor dem türkischem Festland. Dort müssen die Flüchtlinge unter katastrophalen Bedingungen hausen, ohne dass die Athener Regierung sichtbar für Besserung sorgt. Sie will auch dass Flüchtlinge abgeschreckt werden, aus der Türkei zu fliehen. Zur weiteren «Absicherung» werden Abschiebegefängnisse eingerichtet.
Die Tourismusbranche verzeichnet alarmierende Rückgänge. Die Bürgermeister betteln um Entlastung. Die Kommunen müssen das Chaos verwalten. Und die EU tut nichts. Ungarn, Tschechien und Polen müssen sich wegen ihrer Verweigerung sogar vor dem Europäischen Gerichtshof verantworten. Dass es im bevorstehenden Winter keine Toten gibt, kann der Migrationsminister Ioannis Mouzalas laut Spiegel Online nicht garantieren.
Gewalt setzt die Regierung nicht nur in den Flüchtlingslagern ein. Sie geht mit Polizeiknüppeln auch direkt gegen die arbeitende Klasse vor – soweit sie noch Arbeit hat. In Ioannina, nahe der Grenze zu Albanien, wurden zwölf Gewerkschafter verhaftet, unter ihnen der Vorsitzende des regionalen Gewerkschaftsverbandes, weil sie einen Streik der Arbeiter und Angestellten von «Karaypidis» unterstützt hatten. Das Unternehmen war an die Supermarktkette «Market In» verkauft worden. Das Personal wurde arbeitslos und fordert seinen Lohn.
Beschlagnahmen und Zwangsversteigerungen von Wohnungen werden ebenfalls mit Polizeigewalt durchgesetzt.
Der Kampf geht weiter. Dimitris Koutsoumbas, Generalsekretär des ZK der KKE, verurteilte die Regierung, die die Interessen des Kapitals vertrete und die Forderungen der EU durchsetze. Bei einer Großkundgebung hatte er schon vor einem Monat erklärt: «Die Wirtschaftskrise und das kapitalistische Wachstum haben einen gemeinsamen Nenner: die Zerschlagung der Rechte der Arbeiterklasse und des Volkes. Den Optimismus soll man nicht aus den hohlen Worten der Herren Tsipras oder Mitsotakis über ein ‹gerechtes Wachstum› schöpfen, sondern nur aus dem Anstieg des Klassenkampfes, der raschen Wiederformierung der Arbeiterbewegung, dem gesellschaftlichen Bündnis, dem Kampf auf allen Fronten und aus der vielseitigen Stärkung der KKE»
Uwe Koopmann
Foto: KKE