Soziales
Airbnb – Raubritter auf dem Wohnungsmarkt
1,13 Millionen Sozialwohnungen fehlen
Wenn zu Sylvester die Sektkorken knallen, fehlen in Deutschland 1,13 Millionen Sozialwohnungen, auch weil in diesem Jahr 74.000 Wohnungen auf der Grundlage bestehender Gesetze der Sozialbindung entzogen wurden.
Hinter den Zahlen ist die Wohnungsnot versteckt: Bis 2030 müssen zwei Millionen Sozialwohnungen gebaut werden, jedes Jahr 155.000, davon 80.00 Neubauten und 75.000 geförderte Modernisierungen. 5,4 Prozent aller Mietwohnungen haben den Status von Sozialwohnungen. So das Pestel-Institut in Hannover. Die Untersuchung wurde von der IG BAU, vom Deutschen Mieterbund, von der Caritas, vom Deutschen Baustoff-Fachhandel bei dem Forschungsinstitut in Auftrag gegeben. Die IG BAU geht davon aus, dass in den Großstädten bis zu 50 Prozent der Mieter den Anspruch auf eine Sozialwohnung haben. – Seit 2011 fielen etwa 500.000 Wohnungen mehr Wohnungen aus der Sozialbindung heraus als neue ergänzt wurden.
Das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) aus Köln geht für Düsseldorf bis 2020 von einem Bedarf von 3.144 Wohnungen aus. Das entspricht einer Deckungsquote von 85 Prozent. Für NRW sind es 61.800 (77 Prozent Deckung) und für Deutschland von 341.700 (83 Prozent) aus.
Die IG BAU verweist auf die Bundesregierung als Verursacher: «Der Koalitionsausschuss geht zwar in die richtige Richtung, aber enttäuschend ist das Zaudern und Zögern. Die Koalition muss endlich handfeste Beschlüsse auf den Weg bringen, die den Mangel an bezahlbaren Wohnungen lösen», so der IG BAU-Bundesvorsitzender Robert Feiger (SPD).
In Düsseldorf wurde – wie auch in anderen Großstädten – das Wohnungsvermietungsportal Airbnb als weiterer aktueller Verdränger im Wohnungssektor ausgemacht. Der Mieterbund und der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) gehen allein für Düsseldorf von 3000 zweckentfremdeten Wohnungen aus. Airbnb nennt zum Stichtag 1. Oktober 2018 für Düsseldorf 3.400 Wohnungen. Ein Eingriff über das Wohnungsaufsichtsgesetz sei unnötig.
Andere Zahlen nennt der Deutsche Mieterbund NRW e.V.: «Laut einer Studie der Süddeutschen Zeitung gehen beispielsweise 2,7 Millionen Übernachtungen in der Stadt Düsseldorf jährlich auf das Konto von Airbnb. So wird mittlerweile jede 50. Wohnung in der Landeshauptstadt an Feriengäste dieses Reiseportals vermietet. Das sind rund 7000 Wohnungen.» Mit der Vermietung von «Ferienwohnungen» lässt sich mehr verdienen als durch die Vermietung zu Wohnzwecken.
Gleich hoch liegt die Zahl, die in einer Pressemitteilung des NRW-Landtages genannt wird: Allein in Düsseldorf würden fast 7.000 Wohnungen über das Reiseportal Airbnb an Kurzzeitgäste vermietet. Dazu gab es denn auch eine Anhörung zu Beginn des Jahres.
Die Verbände hoffen auf Hilfe von Ministerpräsident Armin Laschet (CDU). Ein Gesetz gegen die Zweckentfremdung wie in Berlin oder Hamburg soll Missbrauch korrigieren. Und auf kommunaler Ebene soll eine Satzung für Entlastung sorgen. Bei Verstößen wird mit einem Bußgeld bis zu 500.000 Euro gedroht. Getragen wird diese Konstruktion im Düsseldorfer Rathaus von einer Ampel-Koalition von SPD, Grünen und FDP. Die Fraktion Die Linke hat ihre Bedenken angemeldet, weil sogar das Personal zur Kontrolle fehlen würde und für die zweckentfremdeten Wohnungen Bestandsschutz bestehen bleiben soll. Die CDU/FDP hält das Gesetz offensichtlich für so harmlos, dass sie gleich ganz darauf verzichten will. Aber auch die «Ampel» ist ambivalent. In einer Stellungnahme der Beigeordneten Cornelia Zuschke vom 10. Januar heißt es: «Obwohl der Rat der Landeshauptstadt das Instrument einer Satzung bisher ablehnt, stellt die Zweckentfremdung von Wohnraum ein wichtiges Thema für eine zukunftsfähige Stadt-und Wohnungsmarktentwicklung in Düsseldorf dar.»
Da gibt es schon ein zunehmendes Gedrängel auf dem «Markt»: 2018 zählten die Düsseldorfer Hotels für ein Jahr 3.068.803 Gästeankünfte. Das waren fünf Prozent mehr als im Jahr zuvor. Die Zahl der Gästeübernachtungen lag bei 4.988.092. Steigerung: 3,5 Prozent. Neuer Rekord. Dabei muss die Nacht an der Königsallee über Booking.com nicht unbedingt 248 Euro kosten. Junior Suite ab 661.50 Euro.
Für die kurzfristige Unterbringung gibt es in Düsseldorf im Sinne der Dehoga lukrative Alternativen zu Airbnb: Steigenberger Parkhotel, Breidenbacher Hof, De Medici.
Die divergierenden Kapitalinteressen sind noch nicht austariert...
Uwe Koopmann
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