Soziales

Lisa und Heinz im Wunderland

Warum 5 Prozent nicht immer 5 Prozent sind

Mit der Ankündigung der Arbeitgeber in der Tarifrunde im Öffentlichen Dienst, nun auch die Arbeitszeitregelung zu kündigen, verschärften sie die Konfrontation mit ver.di. Diese Provokation konnte nur als eine Kampfansage verstanden werden. "Längere Arbeitszeiten verbauen den Auszubildenden Zukunftschancen und vernichten Arbeitsplätze", betonte der niedersächsische ver.di-Landesleiter Siegfried Sauer. ver.di hatte deshalb zu einem weiteren Warnstreik am 4. März vor der nächsten Verhandlungsrunde am 6./7. März gemeinsam mit der dbb-Tarifunion die Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes aufgerufen sowie zu einer Kundgebung auf dem Opernplatz in Hannover. In einem Flugblatt der ver.di-Betriebsgruppe bei der Stadt Osnabrück rechnet diese beispielhaft vor, was das Angebot der Arbeitgeberseite unter dem Strich für die Beschäftigten bedeutet:

Als unser Heinz am Morgen des 25. Januar die Zeitung aufschlägt, reibt er sich verwundert die Augen: Die Arbeitgeber von Bund und Kommunen haben 5 Prozent mehr Lohn angeboten. Und das ganz ohne Streiks, Müllberge, Pfeifkonzert ... "Da soll die Gewerkschaft man schnell unterschreiben, ehe die sich das wieder anders überlegen!" Doch Lisa meint, was man unterschreiben will, muss man sich vorher genau durchlesen, wegen des Kleingedruckten. Also sitzen sie jetzt zusammen am Küchentisch und rechnen nach:

Heinz ist in der TVöD-Engeltgruppe 5, Stufe 3. Die Tabelle zeigt, dass er dafür einen Stundenlohn von 11,77 Euro bekommt. Ab dem 1. Februar bieten die Arbeitgeber 2,5 Prozent mehr, das sind dann immerhin 12,06 Euro - Heinz reibt sich vergnügt die Hände. Ab 1. Juli soll er statt wie bisher 38,5 nunmehr 39,5 Stunden in der Woche arbeiten. Dadurch verringert sich sein Stundenlohn auf nur noch 11,76 Euro - Heinz bekäme damit weniger als bisher! Aber ab 1. Oktober gibt es noch einmal 1 Prozent oben drauf. Heinz errechnet 11,88 Euro. Am 1. Januar 2009 soll auch noch die 40-Stunden-Woche wieder eingeführt werden. Heinz verdient nur noch 11,73 Euro und macht ein langes Gesicht. Am 1. März 2009 gibt´s aber wieder einen kräftigen Schluck aus der Pulle: 0,5 Prozent Erhöhung. Heinz landet damit bei 11,79 Euro in der Stunde. Das sind nach über einem Jahr immerhin 2 Cent mehr als heute und tatsächlich 0,17 Prozent Lohnerhöhung statt der versprochenen 5 Prozent.

Lisa arbeitet im Büro jetzt schon eine halbe Stunde länger als ihr Heinz (und wegen des Kleingedruckten muss sie auch noch die Stunden für Weihnachten und Silvester nacharbeiten). Sie ist in der Entgeltgruppe 9, Stufe 3. Ihre Rechnung beginnt bei 14,40 Euro Stundenlohn. Am Ende zieht sie mit dem Lineal einen doppelten Strich, Ordnung muss sein. 14,76 Euro, dann für drei Monate 14,57 Euro, schließlich 14,72, 14,53 und endlich 14,61 Euro. Das sind immerhin 21 Cent mehr die Stunde oder 1,46 Prozent Lohnerhöhung.

Lisa und Heinz überlegen kurz, ob sie die angebotene Erhöhung des Leistungsentgelts (zweimal ein halbes Prozent) in ihren Stundenlohn einrechnen sollen, stellen aber schnell fest, dass es so kleine Münzen gar nicht gibt. Das Angebot der Arbeitgeber ist also eine fiese Mogelpackung: man soll länger arbeiten und die paar Cent "Lohnerhöhung" würde nicht einmal reichen, um die Preissteigerungen bei Bus und Bahn, Strom und Gas, Miete usw. auszugleichen. Für Lisa und Heinz steht fest: nachrechnen lohnt sich und ohne Streiks, Müllberge, Pfeifkonzerte... wird es wohl auch dieses Mal nicht gehen. Darum:

  • 8 Prozent, mindestens aber 200 Euro!

  • Keine Arbeitszeitverlängerung!

  • Übernahme und 120 Euro für alle Azubis!
Aus UZ 7. März 2008