Umwelt
Auf dem Weg zum europäischen Atomausstieg
Belgiens große Chance
Am 25. Juni letzten Jahres schlossen sich 50.000 Menschen zusammen, um die Schließung des Atomkraftwerks in Tihange zu fordern. Die Anzahl der Demonstranten hat viele überrascht. Bemerkenswert war aber auch die mangelnde Reaktion der offiziellen Politik als Folge dieses außergewöhnlichen Ereignisses. Es gibt Gründe für die scheinbare Lethargie der Führer unseres Landes angesichts dieser Volksdemonstration, vielleicht ausgehend von einem Schuldgefühl, das durchaus angemessen wäre.
Offensichtlich zeigt hat sich bei der Durchsetzung des Programms der Atomindustrie ein eklatanter Mangel an demokratischer Debatte sowie falscher staatlicher Propaganda: angeblich handelt es sich bei der Nuklearenergie um einen unbegrenzten, billigen und sicheren Energieträger Erinnern wir uns anlässlich des siebten Jahrestages von Fukushima daran, dass dies nach Tschernobyl im Jahr 1986 der zweite Unfall eines Kernkraftwerks ist, dessen Folgen unabsehbar sind. Erinnern wir uns außerdem daran, dass im Jahre 1960 die Führer von 16 europäischen Ländern, einschließlich der Belgiens, sich bereit erklärten, die Pariser Konvention zu unterzeichnen, mit der die finanzielle Verantwortung der Betreiber im Falle eines nuklearen Unfalls begrenzt werden sollte. Kein Versicherungsunternehmen wollte das als zu hoch angesehene nukleare Risiko decken. Ohne diese einzigartige Konvention hätte sich die Atomindustrie in Europa niemals entwickeln können.
Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang, dass ein schwerer Unfall in Tihange das Ende des Lebens bedeuten würde, wie wir es bisher kennen - das Ende der Wallonie als Region. Dass die Kosten eines solchen Unfalls mehrere Billionen Euro betragen würden, ohne dabei das gesundheitliche und psychologische Elend zu berücksichtigen, in das die Wallonen gestürzt würden - entweder müssten sie ihr Land und all ihr Hab und Gut verlassen oder in einem kontaminierten Gebiet in großer Armut leben. Der Betreiber von Tihange, Engie-Electrabel, würde nur 1,2 Milliarden zahlen müssen. Dies ist weniger als ihr Jahresgewinn und weniger als ein Tausendstel der Kosten der Katastrophe.
Wer ist verantwortlich für diese erschreckende Situation, in der Belgien sich befindet? Selbstverständlich die Mitglieder der belgischen Regierung, die 1960 die Unterzeichnung der Konvention billigten; aber noch mehr diejenigen Regierungsmitglieder, die die dreimalige Verlängerung der Betriebsdauer der verschlissenen Reaktoren beschlossen haben - 2003 unter der Regierung Verhofstadt, 2012 unter der Regierung Di Rupo und 2015 unter der Regierung Michel. …
Wolfgang Reinicke-Abel
Foto: Hullie - Eigenes Werk
CC BY-SA 3.0, Link
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