Betrieb & Gewerkschaft

Zur Tarifrunde im Öffentlichen Dienst

Unzufrieden wegen des fehlenden Mindestbetrages

Demo mit Transparent: »Wir im öffentlichen Dienst sind nicht die Melkkuh der Nation. Her mit den 6,5 Prozent!«.

 

02.04.2012 | 6,3% mehr Lohn in zwei Jahren, gestaf­felt in drei Erhö­hun­gen zu 3,5% und zwei­mal 1,4%, 50 Euro mehr für Aus­zu­bil­den­de sofort und weitere 40 im nächs­ten Jahr, aber kein Min­dest­be­trag, das sind die wesent­lichs­ten Ergeb­nis­se der Tarif­runde im Öffent­li­chen Dienst des Bundes und der Kom­mu­nen. Wäre es nach den öffent­li­chen Arbeit­ge­bern gegan­gen, hätte es allen­falls ein Pro­zent jähr­lich gege­ben, so wie dies Rot-Grün in Rhein­land-Pfalz per Gesetz für die Beamten bis 2015 fest­ge­schrie­ben hat. Das Gerede von den leeren Kassen konnte die betrof­fenen Arbei­ter, Ange­stell­ten und Aus­zu­bil­den­den nicht zum Ver­zicht bewe­gen, wussten sie doch, dass die Finanz­not, ins­be­son­dere der Kommu­nen, poli­tisch gewollt ist. Weit über 100.000 wiesen mit Warn­streiks und Demons­tra­tio­nen das Ansin­nen der kommu­na­len Arbeit­ge­ber zurück. 23.000 neue Mit­glie­der konnte ver.di aufnehmen.

 

Das Ergebnis reicht wahrscheinlich für einen Inflationsausgleich, nach der Westrick-Formel errechnen sich gut 4,7% in zwei Jahren. Immerhin sind die 6,3% im Gegensatz zu Einmalzahlungen früherer Jahre tabellen­wirksam und somit Grundlage für die 2014 wieder anstehende Lohnrunde. Den anvisierten teilweisen Ausgleich für die Verluste der letzten Jahre und eine Beteiligung am Gesamt­gesell­schaft­lichen Produktivitäts­fortschritt bringt das Ergebnis nicht. Besonders umstritten ist das Fehlen eines Mindestbetrags als sozialer Komponente, was auch zu kontroversen Diskussionen nicht nur in der Großen Tarifkommission führte und führt. Gerade dafür waren viele Beschäftigte aus den unteren Entgeltgruppen auf die Straße gegangen, viele Gewerkschaftsmitglied geworden.

 

 

Im Vorfeld der nun anstehenden Mitgliederbefragung zeigt sich viel Unzufriedenheit wegen des fehlenden Mindestbetrages. Viele Gewerk­schafts­mit­glie­der waren und sind nicht nur bereit für mehr zu kämpfen, sondern haben sich vor Ort konkret darauf vorbereitet. Was auf jeden Fall vergeben wurde, war die Chance, mit zeitlich parallelen und koordi­nierten Tarifkämpfen im Öffentlichen Dienst, bei der Telekom und in der Metall- und Elektro­industrie die Frage nach einem Stopp der Verteilung von unten nach oben verstärkt auf die gesellschafts­politische Tagesordnung zu setzen.

 

Volker Metzroth
Foto: WL

 


 

Im Anhang: Offener Brief von Mitgliedern der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di zur Tarifrunde 2012 im öffentlichen Dienst. Dieser Brief wurde von Werner Lutz ( einheiztext@t-online.de) initiiert.

Offener Brief von ver.di-Mitgliedern zur Tarifrunde 2012 im öffentlichen Dienst.