Betrieb & Gewerkschaft

SPD, CDU und Grüne erfüllten die Forderungen der Verleger

Die Medien-Milliardäre stöhnen: Zeitungszusteller wollen zu viel Lohn

verdi-Gebäude, riesiges Transparent: »Mindestlohn: Ohne Ausnahmen, ohne Schlupflöcher.«

Am Don­ners­tag, 3. Ju­li 2014, wur­de im Bun­des­tag der Min­dest­lohn von 8,50 Eu­ro mit den Stim­men von CDU, SPD, Grü­nen be­schlos­sen. Die Links­par­tei ent­hielt sich. Fünf Ge­gen­stim­men gab es. Aber meh­re­re Grup­pen wur­den nicht be­rück­sich­tigt: Lang­zeit­ar­beits­lo­se, Ju­gend­li­che un­ter 18 Jah­ren, Prak­ti­kan­ten, Ern­te­hel­fer und Zei­tungs­zu­stel­ler, die die 8,50 Eu­ro erst ab 2017 be­kom­men wer­den. Ver.di-Vor­sit­zen­der Frank Bsirs­ke sprach von ei­nem Fli­cken­tep­pich.

Dem Bun­des­ver­band Deut­scher Zei­tungs­ver­le­ger e.V. (BDZV) war es ge­lun­gen, den Min­dest­lohn für Zei­tungs­zu­stel­ler von 8,50 Eu­ro pro Stun­de mit ei­ner spe­zi­el­len Aus­nah­me­re­ge­lung zu un­ter­lau­fen. Sei­ne Kla­ge: Ein so ho­her Lohn ge­fähr­de die Pres­se­frei­heit in Deutsch­land. Un­ter Pres­se­frei­heit ver­steht der Ver­band die un­ter­neh­me­ri­sche Frei­heit, mit Pres­se­er­zeug­nis­sen noch mehr Geld zu ver­die­nen. Ar­beits­mi­nis­te­rin An­drea Nah­les (SPD) hör­te das Stöh­nen und plant prompt ei­ne fi­nan­zi­el­le Ent­las­tung der Ver­le­ger durch die Hin­ter­tür. DGB und ver.di steu­ern da­ge­gen.

Die Zei­tungs­ver­le­ger ap­pel­lier­ten vor ei­nem Mo­nat an die Po­li­tik, beim Min­dest­lohn ei­ne Son­der­re­ge­lung für die Ta­ges­pres­se vor­zu­se­hen. Wer es mit der Rol­le der Zei­tung für die po­li­ti­sche Mei­nungs- und Wil­lens­bil­dung ernst mei­ne, so der BDZV in ei­ner Pres­se­mit­tei­lung, der dür­fe bei der Ein­füh­rung des Min­dest­lohns nicht dog­ma­tisch vor­ge­hen.

Der BDZV weiß sich durch den frü­he­ren Bun­des­ver­fas­sungs­rich­ter Udo di Fa­bio be­stä­tigt. Der hat ein Gut­ach­ten über die Fol­gen des Min­dest­lohns er­stellt, in dem er den BDZV auf der ju­ris­tisch rich­ti­gen Sei­te sieht. Es bleibt an­zu­mer­ken, dass das Gut­ach­ten im Auf­tra­ge des BDZV er­stellt wur­de. Es gilt die al­te Gut­ach­ter-Re­gel: Wer be­stellt, der zahlt – und wer be­zahlt wird, der lie­fert.

In ei­nem In­ter­view im »Han­dels­blatt« stellt di Fa­bio fest, dass es dem Ge­setz­ge­ber kei­nes­wegs gleich­gül­tig sein dür­fe, wie sich sei­ne Wirt­schafts- und So­zi­al­po­li­tik auf die wirt­schaft­li­chen Grund­la­gen der Pres­se­frei­heit aus­wir­ke, denn die­se sei grund­le­gend für die De­mo­kra­tie in Deutsch­land.

Wür­de der Min­dest­lohn ein­heit­lich auch für die Zei­tungs­bran­che um­ge­setzt, könn­ten nach ei­ner Er­he­bung des BDZV rund zwei Mil­lio­nen Haus­hal­te – ins­be­son­de­re in den länd­li­chen Ge­bie­ten – nicht mehr zu ver­tret­ba­ren Prei­sen mit Zei­tun­gen be­lie­fert wer­den. Da­mit wä­ren 13 Pro­zent der ge­sam­ten Zei­tungs­auf­la­ge be­trof­fen.

Die Um­stel­lung vom der­zei­ti­gen Stück­lohn auf Stun­den­lohn nach dem Min­dest­l­ohn­mo­dell hät­te zu­sätz­li­che Be­las­tun­gen von 225 Mil­lio­nen Eu­ro zur Fol­ge. Der BDZV hob her­vor, dass die Mehr­zahl der Zu­stel­ler Mi­ni­job­ber sei­en, die oh­ne­hin nur be­grenzt da­zu­ver­die­nen dürf­ten.

Die­ser be­grenz­te Zu­ver­dienst mag für die Ver­le­gen un­in­ter­es­sant sein, bei den Me­di­en­mo­gu­len Mohn (Ber­tels­mann), Sprin­ger, Bur­da, Bau­er und an­de­re geht es um an­de­re Grö­ßen­ord­nun­gen, die ge­si­chert wer­den müs­sen.

Ein Blick von der an­de­ren Sei­te der Klas­sen­front zeigt, dass et­wa 160.000 Zei­tungs­aus­trä­ger be­trof­fen sind, denn die Ver­le­ger hal­ten nichts von ei­ner Ver­län­ge­rung von Ta­rif­ver­trä­gen, mit de­nen die 8,50 Eu­ro bis En­de 2016 un­ter­schrit­ten wer­de dür­fen.

Nah­les Kom­pro­miss: 8,50 Eu­ro wer­den ge­zahlt. Da­mit zeigt sie sich schein­bar durch­set­zungs­fä­hig. Aber: zum Aus­gleich sol­len die Ver­le­ger von So­zi­al­ab­ga­ben ent­las­tet wer­den. Wer die­se Ge­schen­ke be­zah­len soll, sagt sie nicht.

Da­zu die DKP:

Ein Min­dest­lohn von 10 Eu­ro wie­der­um wür­de ma­xi­mal die Re­pro­duk­ti­ons­kos­ten von Al­lein­er­zie­hen­den de­cken. Selbst die Links­par­tei er­kennt an, dass es zu dem von ih­nen ge­for­der­ten 10 Eu­ro Min­dest­lohn ei­ne steu­er­fi­nan­zier­te Grund­si­che­rung für Kin­der und Ju­gend­li­che ge­ben müss­te.

Da­mit wird deut­lich, ob 8,50 oder 10 Eu­ro: Ein Lohn un­ter­halb der Re­pro­duk­ti­ons­kos­ten als ge­recht zu ver­kau­fen, be­deu­tet de fac­to, sich schüt­zend vor das Ka­pi­tal zu stel­len.

 

Uwe Ko­op­mann
Foto: Marc Brinkmeier
mindestlohnfuerzusteller.de


Mindestlohn ohne Ausnahmen - ein Film der DGB-Mindestlohnkampagne