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Indien: Todesfälle bei Pharma-Studien
Offener Brief an Bayer-Chef Marijn Dekkers
Immer mehr Pharma-Studien werden nach Indien verlagert. Die Zahl der Geschädigten nimmt von Jahr zu Jahr zu. Im Zeitraum von 2007 bis 2010 starben 1.600 Inderinnen und Inder bei klinischen Studien, allein 138 bei Tests der Firma Bayer. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren fordert in einem Brief an den Vorstandsvorsitzenden Aufklärung.
Im vergangenen Jahr starben nach Angaben des indischen Gesundheitsministeriums 668 Menschen bei Pharma-Tests. In den Jahren zuvor war die Zahl stark gestiegen – von 137 im Jahr 2007 auf 288 (2008) und 637 (2009). Ein Großteil der Studien wurde im Auftrag von internationalen Firmen wie Novartis, Pfizer und Merck durchgeführt. Allein bei der Durchführung klinischer Studien von Bayer kamen innerhalb von vier Jahren 138 Versuchspersonen ums Leben.
Die Todesfälle sind zum Teil auf Vorerkrankungen der Probanden zurückzuführen, z.B. Krebs. Offiziell wurden aber im vergangenen Jahr 22 Fälle tödlicher Nebenwirkungen bestätigt, darunter vier bei Studien für das Thrombosemittel Xarelto von Bayer (Wirkstoff Rivaroxaban). Da die Daten auf Angaben der Pharmafirmen basieren und keine unabhängigen Kontrollen durchgeführt werden, dürften die tatsächliche Zahlen weit höher liegen. Bayer hat den Hinterbliebenen der Xarelto-Opfer Entschädigungen von durchschnittlich 5.250 Dollar gezahlt.
Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) hat heute in einem Offenen Brief an den Bayer-Vorstandsvorsitzenden Marijn Dekkers Aufklärung verlangt. In dem Schreiben heißt es: »Wir fordern Sie auf, alle relevanten Daten zu klinischen Studien in Indien in den vergangenen fünf Jahren offen zu legen«. Die CBG fragt u.a. nach Zahl und Dauer der Studien, den untersuchten Medikamenten, den beauftragten Subunternehmen sowie nach der Häufigkeit von Nebenwirkungen und Todesfällen.
Momentan hat Bayer in Indien Studien mit der Krebs-Arznei Nexavar, dem Augen-Präparat VEGF und dem Bluter-Medikament Kogenate beauftragt. Gerade abgeschlossen hat Bayer Versuche mit dem Potenzmittel Levitra, dem Diabetikum Glucobay, der Hormon-Spirale Mirena und den Röntgen-Kontrastmitteln Gadovist und Ultravist. Aktuell sucht der Konzern neue ProbandInnen für weitere Erprobungen von Xarelto, Glucobay, Gadovist, Kogenate, Nexava und VEGF sowie von dem Antibiotikum Avelox und dem umstrittenen Bluthochdruck-Präparat Xirtam. Die Umsetzung der Tests erfolgt durch indische Firmen wie CSC Pharmaceuticals, Parexel oder Igate.
Axel Köhler-Schnura vom Vorstand der Coordination gegen BAYER-Gefahren: »Wieder einmal geht Bayer über Leichen. Goldene Bilanzen stehen über Menschenleben. Für den schnellen Profit im Pharmageschäft müssen bevorzugt die Ärmsten der Armen grausame Schicksale erleiden – von schweren lebenslangen Gesundheitsschäden bis hin zum Tod.« Vertreter der Coordination hatten das Thema bereits in der Hauptversammlung des Konzerns vor Tausenden von Aktionären diskutiert. Der damalige Bayer-Chef Werner Wenning verweigerte jedoch eine Beantwortung der Fragen und versicherte, keine Test-Person wäre zu Schaden gekommen. Die nun veröffentlichten Zahlen widerlegen diese Behauptung.
Aufgrund der niedrigen Kosten, der Englischkenntnisse der Bevölkerung, die große Masse an ProbandInnen und der laxen Aufsicht stieg die Zahl der Studien in Indien in den vergangenen Jahren drastisch an. Im vergangenen Jahr wurden dort fast 2.000 Tests gemeldet. Die Testpersonen sind überwiegend extrem arm und analphabetisch, in vielen Fällen werden Einverständniserklärungen von Dritten unterzeichnet. Die eigentlich für die Kontrolle zuständigen Ethik-Kommissionen bestehen oft nur auf dem Papier. Bis zum Jahr 2005 hingegen hatte die indische Gesetzgebung die Studien ausländischer Firmen streng reglementiert: nur Präparate, deren Ungefährlichkeit bereits in ihrem Ursprungsland nachgewiesen werden konnte, wurden zugelassen.
Auch in weiteren Ländern mit großen Armutspopulationen wie Kolumbien, Pakistan, Moldawien, die Philippinen, China oder Russland führt Bayer Pharma-Tests durch. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren fordert eine nicht-Anerkennung pharmakologischer Studien, die nicht von unabhängiger Seite überprüft werden.
Quelle: Coordination gegen BAYER-Gefahren
Presse Informationen vom 25. Oktober 2011
Weitere Informationen:
- Pharma Biz »Experts find gross discrimination in paying compensation to trial victims by MNCs«
- Business Standard »Pharma majors under fire over trial compensation«
- Artikel »Bayer globalisiert Arzneitests«
- Rede in Bayer-Hauptversammlung