Frieden
Brief einer Mutter an die Bundeswehr
Meine Tochter kriegt Ihr nicht
Sehr geehrter Herr »Karriereberater«, werte Herren Generäle und Offiziere, meine Tochter kriegen Sie nicht!
Sie haben meine Tochter ungebeten angeschrieben und offerieren ihr eine »Karriere mit Zukunft«, ein auf sie »zugeschnittenes Angebot nach ihren Bedürfnissen«. Welche Zukunft wartet auf meine Tochter und ihre Altersgenossen, wenn das Land, in dem diese jungen Menschen leben, in andere Länder, in denen andere junge Menschen leben, einmarschiert? Alleine in Afghanistan haben 2.500 ausländische Soldaten ihr Leben verloren. 49 von ihnen gehörten der Bundeswehr an. Hatten Sie denen zuvor auch eine Karriere mit Zukunft versprochen? Das afghanische Volk hat durch den Einmarsch fremder Truppen ebenfalls tausende Menschenleben verloren. Glauben Sie, das Töten dieser Menschen, mit denen unsere Jugend nie zuvor auch nur Kontakt hatte, stellt ein Bedürfnis für unsere Kinder dar?
In Ihren Flyern machen Sie Werbung für »verantwortungsvolle und abwechslungsreiche« Einsätze. Denken Sie dabei an das Bombardieren der Tanklaster in Kundus? Es ist längst bekannt, dass Ihr Führungspersonal wusste, dass die Menschen, die um diese Tanklaster herum standen, unbewaffnet waren. Die Piloten der US-Armee haben Ihren Offizieren das mehrfach gesagt. Trotzdem erteilte Oberst Klein den Befehl, diese 142 Menschen zu bombardieren. Meinen Sie das, wenn Sie von Verantwortung schreiben? Oder fällt das eher unter »Abwechslung« – mal eben ein großes Feuer-Inferno anzuordnen?
»Vielfältige Verwendungen« habe die Bundeswehr für junge Menschen, heißt es in Ihren Flyern. »Verwenden« ist ein anderes Wort für »benutzen«. Die Bundeswehr benutzt junge Menschen für Zwecke, die nicht im Interesse und zum Nutzen der Völker, die friedlich zusammen leben wollen, sind. Die Menschenleben, die in Afghanistan verloren gehen, gehen auf das Konto der Bedürfnisse internationaler Konzerne. Der freie Zugang zu den Bodenschätzen und Energiereserven sowie geostrategische Machtambitionen der wirtschaftlich mächtigsten Länder werden in Afghanistan, Somalia und dem Kosovo durchgesetzt. Für Profitinteressen weniger Großkonzerne wird dort die Zukunft mehrerer Generationen gefährdet und vernichtet. Dafür kriegen Sie meine Tochter nicht!
Ihr Werbematerial sieht so aus, als würden Sie Abenteuerurlaube anbieten. Ein Wort fehlt darin: Krieg. Die Bundeswehr führt Krieg. Obwohl Deutschland nicht angegriffen wurde, was doch laut Grundgesetz die Voraussetzung dafür ist, das Land zu verteidigen. Kriege vorzubereiten und zu führen, verbietet das Grundgesetz. Die Männer und Frauen, die das Grundgesetz formuliert haben, wussten sehr genau, warum sie sich dafür entschieden. Deutschland hatte zwei Weltkriege ausgelöst. Millionen von Toten, zerbombte Städte, zerrissene Familien, hungernde, verkrüppelte und traumatisierte Menschen waren die Folge dieser Kriege. Eine ganze Kindergeneration hatte ihre Schulzeit in den Luftschutzkellern verbracht. Auch meine Familie hat dieses unsägliche Leid durchlebt. Die Urgroßmütter meiner Tochter mussten ihre Kinder alleine versorgen, weil die Väter eingekerkert worden waren. Unsere Stadt verging in einem zwanzig Minuten währenden Feuersturm. 2.000 Menschen verbrannten oder wurden von einstürzenden Häusern erschlagen.
Unsere Familie hat sich vor dem Zweiten Weltkrieg und erst recht danach für den Frieden engagiert. Meine Tochter ist im Geiste des Friedens erzogen worden. Wir setzen uns für die gerechte Verteilung des erarbeiteten Wohlstandes und der vorhandenen Ressourcen ein. Bodenschätze und Energiereserven müssen allen Menschen auf dieser Erde gemeinsam zur Verfügung stehen. Wer sie mit Waffengewalt raubt, verhält sich nicht »modern« und »verantwortungsvoll«, wie Sie in Ihren von unseren Steuergeldern finanzierten Flyern beschönigend schreiben, sondern ganz und gar verantwortungslos, denn Krieg schafft keinen Frieden und keine Verteilungsgerechtigkeit, sondern neue Kriege. Dafür kriegen Sie meine Tochter nicht!
Ziehen Sie die Soldaten der Bundeswehr aus allen Ländern, in denen sie den Frieden gefährden, sofort ab! Hören Sie auf, unsere Steuergelder für superteure Waffen zu verschleudern! Verzichten Sie auf das Verbreiten Ihrer Lügen in Ihrem Werbematerial! Und schreiben Sie nie wieder meine Tochter an – Sie kriegen sie nicht!
Publiziert am 29. März 2012 von DKP Main-Kinzig