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Koreakrieg – droht eine Neuauflage?

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Der Koreakrieg – droht eine Neuauflage?

Der Koreakrieg (1950-1953) zählt zu den vergessenen Kriegen. Angesichts der gegenwärtigen Zuspitzung und wachsenden Kriegsgefahr auf der koreanischen Halbinsel erscheint es besonders dringlich, daran zu erinnern.

Im Koreakrieg kam es zum ersten Mal zum Zusammenprall zwischen den beiden Blöcken im Kalten Krieg. Er war ein sogenannter «Stellvertreterkrieg», d.h. ein Krieg zwischen der Sowjetunion, China und den USA auf dem Boden eines Drittstaates.

Von 1910 bis 1945 war Korea japanische Kolonie. Nach dem 2. Weltkrieg wurde das Land aufgeteilt in eine sowjetische und eine amerikanische Besatzungszone entlang des 38. Breitengrades.

Auf der Konferenz von Jalta im Februar 1945 wurde von den Alliierten die Wiedervereinigung Koreas beschlossen. Nach dem Krieg betrieb die USA jedoch umgehend den Kurs der Spaltung des Landes. Während die Sowjetunion bereits 1948 ihre Truppen aus Korea abzog, wurde der aus dem US-amerikanischen Exil eingeflogene Rhee Syng-man im Mai 1948 im Süden mit der Bildung einer Regierung beauftragt, die brutal gegen die im ganzen Land entstandenen Volkskomitees für Unabhängigkeit und Einheit vorging. Es folgte die Proklamation der «Republik Korea» am 15.8.1948. Der Norden zog am 9.9.1948 nach und rief die «Demokratische Volksrepublik Nordkorea» durch den Präsidenten Kim Il Sung, dem ehemaligen Anführer der antijapanischen Partisanenverbände, aus. Damit war die Teilung des Landes besiegelt. Beide Seiten drohten fortan, die staatliche Einheit unter dem jeweiligen Systemvorzeichen notfalls gewaltsam zu erzwingen.

In der Zeit bis zum Ausbruch des Krieges kam es daher zu einer Reihe von Zwischenfällen an der Demarkationslinie, bewaffnete Provokationen und kleine Scharmützel.

Am 25. Juni 1950 überschritten nordkoreanische Truppen die Grenze, womit der Beginn des Krieges markiert ist.

Folgt man der Darstellung in der «Geschichte der Kriegskunst» und in «Lokale Kriege», beide im Militärverlag der DDR erschienen, so ist zuvor die südkoreanische Armee in Nordkorea eingedrungen, von der Volksarmee zurückgeschlagen worden, die dann ihrerseits am selben Tag in die Offensive gegangen ist. Auch soll ein Plan für einen Überfall Nordkoreas und dem Vordringen bis an die Grenze Chinas auf Weisung der USA bereits im Mai 1949 ausgearbeitet worden sein, der der Regierung der KDVR bekannt war, so dass sie sich entsprechend darauf vorbereiten konnte.

Jedenfalls verurteilte der UN-Sicherheitsrat bereits am selben Tag den «Bruch des Friedens» durch Nordkorea und autorisierte am 30. Juli ein militärisches Eingreifen der UNO-Truppen. 90 % der UN-Truppen unter dem Oberkommando des US-Generals Douglas Mc Arthur stellte die USA, 15 weitere kapitalistische Staaten stellten den Rest.1


Zum Kriegsverlauf:

Bereits am 28. Juni nahm die nordkoreanische Volksarmee Seoul ein. Am 30. Juni beschloss Truman den Einsatz von Bodentruppen in Korea und die Seeblockade vor der Küste Nordkoreas.

Zu diesem Zweck wurde die 8. Armee aus Japan nach Korea verlegt. Die USA griffen bereits am dritten Kriegstag, also vor der Ermächtigung durch die UN, mit Luftschlägen gegen Industrieobjekte, Flugplätze und gegen die Truppen Nordkoreas in die Kampfhandlungen ein. Trotzdem gelang es der nach dem Vorbild der roten Armee aufgebauten Volksarmee Nordkoreas, man muss sagen, in einer militärischen Meisterleistung, ganz Korea bis auf ein kleines Gebiet im Südosten um Busan unter ihre Kontrolle zu bringen. Eine Wende des Krieges brachte die verstärkte militärische Intervention der USA samt Anhang. Ende September waren die nordkoreanischen Truppen wieder bis zum 38. Breitengrad zurückgedrängt. Am 30. September überschritt die 8. US-Armee zusammen mit südkoreanischen Truppen die Demarkationslinie und drang weiter Richtung koreanisch-chinesischer Grenze vor. Ohne UN-Mandat und die Warnungen seitens China missachtend, dass zu Recht ein vereintes, kapitalistisches Korea unter US-amerikanischem Einfluss als Bedrohung seiner Sicherheitsinteressen empfand.

An diesem Punkt kam es zur Intervention Chinas. Mao Zedong schickte im Oktober 1950 Freiwilligenverbände an die Front, keine regulären Truppen, um den offenen Krieg mit den USA zu vermeiden. Russland lieferte Waffen und Kriegsgerät und es waren wohl auch russische Fliegerverbände an den Kämpfen beteiligt, mit nordkoreanischen Hoheitsabzeichen und Uniformen.

Es bestand akute Weltkriegsgefahr. Mc Arthur drohte gar mit dem Einsatz von Atombomben, um, wie er sich ausdrückte, grenznahe chinesische Städte zu «pulverisieren».

Bei der nordkoreanisch-chinesischen Offensive im Januar 1951 waren über 400.000 chinesische und 100.000 nordkoreanische Soldaten beteiligt. Die gegnerischen Truppen konnten dem nicht standhalten und mussten sich auf eine Verteidigungslinie hinter Seoul zurückziehen. Nach dem erneuten südkoreanisch-amerikanischen Vorstoß entspann sich nun ein Stellungskrieg um den 38. Breitengrad. Ab Juli 1951 wurden Verhandlungen zu einem Waffenstillstand aufgenommen.

Während dessen setzten sich die Kampfhandlungen fort. Die USA intensivierten ihre Luftangriffe, um China und Russland in den Verhandlungen zu Zugeständnissen zu zwingen. Nach Schätzungen fielen 500 Tausend bis eine Million Menschen diesem Bombenterror zum Opfer. Nordkorea wurde fast vollständig verwüstet. Dabei wurden 450.000 Tonnen Bomben von der US Air Force abgeworfen und 32.357 Tonnen Napalm eingesetzt.

Die Angaben der Opferzahlen des Koreakrieges sind sehr unterschiedlich. Wikipedia spricht von 4 Millionen Toten, davon 3 Millionen Zivilisten. Nach Rainer Werning, ein Experte für die Geschichte Koreas, kamen etwa 1 Million Zivilisten, 1 Million Soldaten aus Nordkorea und China sowie 250.000 aus Südkorea und knapp 55.000 US-amerikanische GIs ums Leben. Der deutlich geringere Anteil der zivilen Toten bedeutet, dass diese hauptsächlich auf das Konto des US-Bombardements gingen.2

Erst am 27. Juli 1953 wurde ein Waffenstillstandsabkommen geschlossen. Ergebnis war der status quo ante, also die erneute Festlegung des 38. Breitengrades als Demarkationslinie zwischen beiden Landesteilen. Unterzeichnet wurde er von Nordkorea, der Volksrepublik China und dem US-amerikanischen General Mark W. Clark im Auftrag der UNO. Südkoreas damaliger Präsident Rhee Syngman, der den Krieg fortsetzen wollte, war erst bereit, das Abkommen zu unterzeichnen, als die US-Regierung einem bilateralen Sicherheitspakt zustimmte, ihr in Südkorea stationierter Oberbefehlshaber auch die Kommandogewalt über die südkoreanischen Truppen übernahm und der südkoreanischen Seite beträchtliche Wirtschafts- und Militärhilfe in Aussicht gestellt wurde. Die dauerhafte US-Militärpräsenz in Südkorea wurde damit festgelegt. Am 27. Oktober 1953 wurde dementsprechend ein Beistandspakt zwischen den USA und Südkorea geschlossen.

Ein Friedensvertrag ist allerdings nie geschlossen worden. Er wurde von den USA und Verbündeten abgelehnt, verbunden mit der Weigerung, Nordkorea völkerrechtlich anzuerkennen. De jure besteht also der Kriegszustand fort. Und die seitdem bestehende Bedrohung Nordkoreas. Fortgesetzt stehen sich an der Grenze über 1 Million Soldaten gegenüber, darunter ca. 37.000 US-Soldaten.

Zu ersten Ansätzen einer Annäherung zwischen den beiden Ländern kam es erst im Juni 2000 im Rahmen der von Kim Dae Jung (Präsident Südkoreas) und Kim Jong-il (Staatschef Nordkoreas) initiierten «Sonnenscheinpolitik». Sie sah neben der Ermöglichung der Familienzusammenführung auch eine engere Kooperation in Kultur, Handel und Wirtschaft vor. Ziel war der Aufbau einer «nationalen Wirtschaftsgemeinschaft», symbolisch eingeleitet durch die Wiederherstellung zweier seit der Teilung des Landes unterbrochenen Eisenbahnlinien. Nach chinesischem Vorbild wurden außerdem 4 Sonderwirtschaftszonen in Nordkorea eingerichtet, räumlich abgegrenzte Gebiete, in denen rechtliche und administrative Erleichterungen für ausländisches Kapital in dem ansonsten planwirtschaftlich organisierten Land bestehen. Die größte ist der Industriepark Kaesong mit 123 südkoreanischen Unternehmen und 50.000 nordkoreanischen Arbeitern.

Nordkorea ist auch vom Zusammenbruch des Sozialismus in der Sowjetunion und den osteuropäischen Staaten hart getroffen worden, obwohl es kein RGW-Staat war. Die auf Autarkie setzende Chuche-ideologie war an ihre Grenze gelangt. Die Notwendigkeit von Reformen bei Strafe des Untergangs ist von den nordkoreanischen Planern erkannt worden. Der Zusammenbruch der Industrie- und Agrarproduktion, extreme Not und unzählige Hungertote kennzeichnet die von den Nordkoreanern als «Leidensmarsch» (analog zur «Periodo especial» in Kuba) bezeichneten 90er Jahre. Vor allem auf dem Agrarsektor sind neue Organisationsformen von Produktion und Verteilung eingeführt worden, die sich zusammen mit Maßnahmen zur Reformierung der Binnenstruktur der Wirtschaft an die Reformprozesse in der chinesischen Landwirtschaft zwischen 1979 und 1992 und dem Modell der «sozialistischen Marktwirtschaft» chinesischer Prägung orientierten.

Die internationalen Rahmenbedingungen boten auch die nötige Voraussetzung für wirtschaftliche Reformen und den Prozess der Öffnung und der Entspannung im Rahmen der Sonnenscheinpolitik, vor allem weil die Clinton-Regierung zum Ende ihrer Amtszeit bestrebt war, das US-amerikanisch-nordkoreanische Verhältnis zu normalisieren. Das änderte sich mit dem Amtsantritt George W. Bushs.

Sofort ging die Bush-Regierung zu einem Kurs der Eskalation und der Untergrabung der Entspannungspolitik auf der koreanischen Halbinsel über. Nordkorea wurde umgehend auf die Liste der Schurkenstaaten, der sogenannten «Achse des Bösen», gesetzt und sämtliche Beziehungen zu dem Land abrupt abgebrochen. Wirtschaftssanktionen wurden verhängt und grenznahe Manöver abgehalten.

Nordkorea wurde im Rahmen der US-Präventivkriegsstrategie, die auch den präventiven Einsatz von Atomwaffen vorsieht, explizit als Ziel amerikanischer Atomschläge genannt.

Ein entsprechender Einsatzplan für nukleare Präventivschläge gegen Nordkorea und auch den Iran wurde vom Strategischen Oberkommando der USA im Rahmen des «Global Strike-Programms» (CONPLAN 8022-02) bis Ende 2003 ausgearbeitet.

Nordkorea sah sich angesichts dieser Bedrohungslage dazu veranlasst, im Januar 2003 aus dem Atomwaffensperrvertrag auszutreten und sein Atomprogramm wieder aufzunehmen, das es 1994 nach einem Abkommen mit den USA ausgesetzt hatte. Bemühungen, Nordkorea zur Rücknahme dieses Schrittes zu bewegen, scheiterten an der Verschärfung der US-Sanktionen. Unter anderem wurde Nordkorea vom internationalen Zahlungsverkehr und Finanzsystem ausgeschlossen.

Die Folge war im Gegenteil die Forcierung des nordkoreanischen Atomwaffenprogramms.

Seitdem fanden drei Atombombentests statt, der erste im November 2006. Zur Komplettierung der Fähigkeit Nordkoreas zur atomaren Abschreckung fehlt noch die Entwicklung entsprechender Trägerraketen.

Wie ist dieser scheinbar grundlose Schwenk in der US-Politik und die absichtliche Torpedierung des innerkoreanischen Annäherungsprozesses durch die Bush-Regierung zu erklären?

Die Antwort liegt in der Bedeutung Koreas im Kontext der US-Hegemonialpolitik. Oberste Maxime der US-Außenpolitik ist die Sicherung der Vormachtstellung, programmatisch in Zbigniev Brzezinskis «Die einzige Weltmacht: Amerikas Strategie der Vorherrschaft» 1997 entworfen.

China wird von den USA zunehmend als strategischer Rivale wahrgenommen, dessen Einfluss es einzudämmen gilt. Dementsprechend sind in Ostasien 200.000 US-Soldaten stationiert, 37.000 davon allein in Südkorea. Die Verschärfung der US-Politik gegenüber Nordkorea erfolgte just in dem Moment, als die Zustimmung zur US-Truppenpräsenz in Südkorea zu schwinden begann und sich eine überwiegende Mehrheit der Südkoreaner für eine Reduzierung der US-Streitkräfte im eigenen Land aussprach. Der status quo, die Verlängerung der nordkoreanischen Krise ist indes die beste Gewähr für die zeitlich unbegrenzte Stationierung von US-Truppen in Südkorea.

Gegenwärtig mehren sich die US-amerikanischen Kriegsvorbereitungen gegen Nordkorea seit der Amtseinführung Donald Trumps als 45. Präsident der USA. Etwa 317.000 US- und südkoreanische Soldaten üben seit Monaten im größten und längsten gemeinsamen Manöver vor der Grenze Nordkoreas den Ernstfall. Zu dessen Vorbereitung sind bereits Flugzeugträger, US-Zerstörer und Bomber in die Region verlegt und die Installierung des Raketenabwehrsystems THAAD soll der Neutralisierung eines nordkoreanischen Gegenschlags dienen. Geostrategische und ökonomische Interessen der USA, das Vorrücken an die Grenze des Konkurrenten China, die Beseitigung nichtkapitalistischer Strukturen in Nordkorea und die Schaffung eines abhängigen US-Protektorats auf der koreanischen Halbinsel drängen immer stärker auf eine militärische Intervention.

Nordkorea steckt angesichts dieser Bedrohung mittlerweile gut 30% des Haushalts ins Militär. Wobei seine Rüstungsausgaben etwa nur ein Drittel der entsprechenden Ausgaben des bevölkerungsreicheren und wirtschaftlich stärkeren Südkorea ausmachen.

China drängt indes, besorgt über diese Entwicklung und im Bewusstsein, dass der eigentliche Adressat der wachsenden Truppenpräsenz der USA in Korea und der Region es selbst ist, auf die Deeskalation des Konflikts. China kritisiert sowohl das Atomwaffenprogramm Nordkoreas als auch die Installierung des US-Raketenabwehrsystems THAAD scharf und reagierte mit Wirtschaftssanktionen sowohl gegen Nord- als auch Südkorea.

Die Situation ist allerdings ziemlich verfahren, denn ein Beidrehen Nordkoreas in der Raketenfrage, der Verzicht auf ein eigenes Atomwaffenpotential und die damit verbundene Abschreckung wäre für Nordkorea mit der Gefahr verbunden, dasselbe Schicksal zu erleiden wie Irak, Afghanistan und Libyen, die zur Bewerkstelligung eines Regime-Change ins Chaos gestoßen wurden.

Aber möglicherweise trägt die gegenwärtige politische Entwicklung in Südkorea zu einer Entschärfung des Konflikts bei. Am 9. Mai ist bei der vorgezogenen Präsidentschaftswahl, nachdem die verhasste Vorgängerin Park Geun Hye (die Tochter des langjährigen Militärdiktators Park Chung Hee (1961-79) nach Massenprotesten wegen Amtsmissbrauchs und Korruption am 10. März 2017 ihres Amtes enthoben worden ist, der sozialliberale Moon Jae In von der Demokratischen Partei Koreas (DPK) mit großem Vorsprung gewählt worden. Er steht für einen Kurs, der an die «Sonnenscheinpolitik» anknüpft. Zum ersten Mal hatten die Kandidaten des rechten, konservativen und reaktionären Lagers nicht den Hauch einer Chance. Vor allem die Installierung des US-Raketenabwehrsystems stößt auf eine breite Ablehnung in der südkoreanischen Bevölkerung. Und selbst unter konservativen und US-hörigen Politikern schwindet die Begeisterung für dieses Projekt, nachdem Donald Trump wiederholt gefordert hat, Südkorea müsse eine Milliarde Dollar dafür aufbringen.

Bislang ein treuer Vasall, droht Südkorea sich nun von seiner «Schutzmacht» USA stärker zu emanzipieren. Die weitere Einbindung Südkoreas als Erfüllungsgehilfe in die aggressive US-Hegemonialpolitik wird sich jedenfalls nur gegen den Willen der überwiegenden Mehrheit der südkoreanischen Bevölkerung bewerkstelligen lassen.

Text: Dirk Stehling, DKP Köln-Innenstadt, 16.5.2017
Foto: Von US Government / National Archives and Records Administration
National Archives and Records Administration. Gemeinfrei


1 Siehe: Lokale Kriege, Berlin, 1983, S.107 ff. und Geschichte der Kriegskunst, Berlin, 1982, S.567 ff.
2 Rainer Werning, Mit Kernwaffen gedroht, in: Freitag: Die Ost-West-Wochenzeitung 30, 18. Juli 2003.