Jugend
Azubis oder Bildungssystem »unreif«?
»Firmen beklagen unreife Azubis« heißt eine Schlagzeile in der RP vom 6. August. 20 Prozent der Abgänger von Hauptschulen könnten »nur unzureichend lesen, schreiben und rechnen«, sagt der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) Driftmann.
Allein in Nordrhein-Westfalen hätten die Firmen bis zum Beginn des Ausbildungsjahres Anfang August für fast 20.000 Ausbildungsplätze keine geeigneten Bewerber gefunden, heißt es aus der Bundesagentur für Arbeit. Was tun oder sagen in dieser fatalen Situation die Verantwortlichen?
Flickschusterei
Bundesbildungsministerin Schavan (CDU) und die Bundesagentur für Arbeit setzen auf »Bildungslotsen«. Wie, was? Lotsen führen große Schiffe durch enge Gewässer, ein Lotse, ein Schiff. Hier aber soll ein »Lotse« ca 60 zu kurz gekommene Hauptschüler in den Arbeitsmarkt »lotsen«. Frau Schavan legt noch zu, dann aber hat jeder Lotse immer noch rund 30 junge Menschen zu betreuen. Und was machen die Lotsen? Den jungen Leuten Mut zusprechen, ein bisschen Nachhilfe geben, damit der Hauptschulabschluss gelingt, und – das ist die Spitze – schon in der siebten Klasse werden die Hauptschüler »einer ›Potentialanalyse‹ unterworfen«. Eben: unterworfen, um nicht zu sagen niedergemacht.
Profit geht vor
Die Kapitalfraktion geht da schon rabiater vor. Laut DIHK-Präsident Driftmann setzt die Wirtschaft ab 2011 auf die Öffnung des Arbeitsmarktes für Jugendliche aus den EU-Beitrittsstaaten. Sie spekulieren mit mehreren Vorteilen: billigere Azubis mit zugleich besserer Vorbildung, die auch am Ausbildungsende niedriger eingestuft werden können als einheimische Azubis – falls sie überhaupt übernommen werden. Kurzum weniger Aufwand, mehr Profit, die EU-Integration als Dumpingkeule. Da bleiben natürlich Fragen. Ist die etablierte Politikerkaste nicht mehr in der Lage, eine offensichtlich falsche Schul- und Bildungspolitik zu korrigieren? Selbst die CDU-lastige »Rheinische Post« lamentiert in einem Leitartikel, »Die Bildungslotsen sind ein Offenbarungseid der Schulpolitiker«, und fordert »mehr Lehrer«. Beides ist zwar richtig, aber viel zu kurz gedacht.
Von der DDR lernen?
Ja, bisse jeck? Oder doch nicht? Als es vor Jahren die erste Pisa-Studie zur Bildungspolitik gab, rangierte die Bundesrepublik ziemlich weit unten im europäischen Vergleich, Finnland aber stand an der Spitze. Warum? Finnland hatte sich ein Beispiel an dem integrierten Schulsystem der DDR genommen. West-Deutschland aber hatte dieses »geschreddert« und auf das altbackene, überholte dreigliedrige System mit u.a. Gymnasium als »Spitzenbildung« und Hauptschule als »Massenbildung« gesetzt. Das rächt sich heute. Über all die Jahre legten sich Unionspolitiker und FDP quer, wenn ein modernes integriertes Schulsystem eingefordert wurde. Aber auch SPD und Grüne sind da inkonsequent, wie die Minderheitsregierung in NRW zeigt. Dabei könnten sie ohne weiteres mutiger sein, denn dann hätten sie auch die nötige Unterstützung der Linkspartei im Landtag! Wir von der DKP jedenfalls fordern: Gleiche Bildungschancen für alle!
Quelle: tatsachen
Zeitung der DKP Düsseldorf-Mitte
September 2010
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Foto: SDAJ Rheinland-Westfalen