Kultur
Jörg Ratgeb und der Bauernkrieg
Der Herrenberger Altar
«Der großartigste Revolutionsversuch des deutschen Volks» (Friedrich Engels) in Gestalt des Bauernkriegs jährt sich bald zum 500. Mal.
Die Bauern scheiterten. Schon wenige Jahrzehnte später, im Jahr 1568, beginnt der achtzigjährige Befreiungskrieg der Niederlande (Schillers «Abfall der Niederlande»), der mit dem Frieden von Münster und Osnabrück 1648 den historischen Sieg des niederländischen Bürgertums besiegelt.
Diese Revolutionen hatten in der Regel die Gestalt von Religionskriegen. Die tiefgreifende Zeitenwende, der Wechsel vom Mittelalter zur Neuzeit erfasste die Ökonomie, die Politik und den gesamten geistigen Überbau.
Die Brüche sind der bildenden Kunst abzulesen.
Der Kunsthistoriker Wilhelm Fraenger (1890-1964) schreibt über Jörg Ratgeb, den Maler des Herrenberger Altars: Bei keinem Maler jener Zeit lasse sich der Zwiespalt der Epoche so mit Händen greifen wie bei Jörg Ratgeb, der sich im Zusammenprall der alten und der neuen Weltanschauung zu behaupten suchte, bis er im Jahr 1526 als Kriegsrat und Kanzler auf der Seite der Bauern unterging. Wir würden seiner tragischen Erscheinung kaum gerecht, wenn wir ihn ausschließlich als Künstler fassen wollten. Erst wenn wir die Ideenwelt, für die er sich geopfert hat, unserer Würdigung zugrunde legen, wird sich die Bruchstückhafte seiner Existenz zusammenfügen und deren revolutionäre Stoßkraft in Erscheinung treten.
Die Marx-Engels-Stiftung hatte am 24. März zu einer Tagung zu «Jörg Ratgebs Herrenberger Altar und der Bauernkrieg» nach Böblingen eingeladen. In dieser Stadt sind am 12. Mai 1525 die Bauern entscheidend geschlagen worden. Im Böblinger Bauernkriegsmuseum wird die Erinnerung an den Freiheitskampf wach gehalten.
So begann in diesem Haus die MES-Tagung mit einer Führung durch die ständige Ausstellung durch seine Leiterin, Cornelia Wenzel. Hermann Kopp referierte über die Ursachen und den Verlauf des Bauernkriegs und Klaus Stein sprach über den 1518/ 1519 entstandenen Herrenberger Altar.
Ratgebs Spuren sind jahrhundertelang verwischt worden. Erst 1924 wurde der Altar dem Publikum wieder zugemutet. Vergeblich wehrt sich die bürgerliche Kunstgeschichte heute noch gegen eine Deutung des Künstlers als Revolutionär. Da stört Fraengers maßgebliche Ratgeb-Monographie, die 1972 in Dresden erschienen ist.
- Wir dokumentieren den Vortrag von Klaus Stein
- Bildergalerie «Jörg Ratgeb und der Bauernkrieg»
- Armer Konrad, Beitrag aus UZ