CO-Pipeline

CO-Leitung zwischen den Bayer-Werken Dormagen und Krefeld

Interview mit Dipl. Ing. Bernhard Wening

(Sachverständiger für Gasanlagen)

Zahlreiche Menschen protestieren gegen die CO-Leitung.

Sehr ge­ehr­ter Herr We­ning, noch im­mer ist das Ge­neh­mi­gungs­ver­fah­ren für die CO-Pipe­line zwi­schen den Bay­er-Wer­ken Dor­ma­gen und Kre­feld nicht ab­ge­schlos­sen. Was hal­ten Sie prin­zi­pi­ell von der Idee, Koh­len­mon­oxid per Rohr­lei­tung zu trans­por­tie­ren?

Prin­zi­pi­ell ste­he ich die­ser Idee sehr kri­tisch ge­gen­über. Es ist tech­nisch si­cher­lich mög­lich. Soll dies aber auf ei­nem Si­cher­heits­ni­veau ge­sche­hen, wel­ches den mög­li­chen Ri­si­ken ge­recht wird, wird der tech­ni­sche und ad­mi­nis­tra­ti­ve Auf­wand sehr hoch wer­den. Ma­ß­geb­li­che Grund­la­ge die­ser Ein­schät­zung sind die phy­si­ka­li­schen und to­xi­ko­lo­gi­schen Ei­gen­schaf­ten von Koh­len­mon­oxid – im Un­ter­schied zum Erd­gas­trans­port, wo wir seit vie­len Jahr­zehn­ten welt­wei­te Er­fah­run­gen ha­ben, auch im Um­gang und der Be­geg­nung mög­li­cher Ri­si­ken.

Wo sehen Sie die größten Gefahren?

Das pri­mä­re Ri­si­ko ist nun mal der un­kon­trol­lier­te Gas­aus­tritt. Die­ser be­ruht bei Gas­lei­tun­gen in der Re­gel auf Lecks auf­grund von Ma­te­ri­al­ver­hal­ten oder auf­grund äu­ße­rer Ein­wir­kung – sel­ten auch auf­grund mensch­li­chen Fehl­ver­hal­tens. Die­ses Ri­si­ko kann durch tech­ni­sche und or­ga­ni­sa­to­ri­sche Maß­nah­men zwar ver­rin­gert, aber nie gänz­lich eli­mi­niert wer­den. Auf ei­ner der­art lan­gen Tras­se kann die hun­dert­pro­zen­ti­ge In­te­gri­tät wohl an­ge­strebt, aber nun mal nicht ge­währ­leis­tet wer­den.

Beim Erd­gas ist der grö­ß­te ri­si­ko-min­dern­de Fak­tor die Un­gif­tig­keit und die we­sent­lich ge­rin­ge­re Dich­te. Beim Trans­port von CO er­hö­hen die­se bei­den Fak­to­ren das Ri­si­ko be­trächt­lich. Es ist da­her zwin­gend er­for­der­lich, der ge­rin­gen Wahr­schein­lich­keit ei­nes Gas-Aus­tritts das ho­he Maß mög­li­cher Aus­wir­kun­gen ge­gen­über­zu­stel­len. Zur Ver­an­schau­li­chung: wür­de die glei­che Lei­tung nicht in ei­nem dicht be­leb­ten Wohn­ge­biet, son­dern in ei­nem un­be­wohn­ten Wüs­ten­ge­biet ver­legt, wä­re die Ri­si­ko­aus­wir­kung an­ders zu be­ur­tei­len sein

Wer­den die Ge­fah­ren nicht durch die TÜV-Gut­ach­ten zur Leck­erken­nung ent­kräf­tet?

In dem Gut­ach­ten zu den Leckerken­nungs­sys­te­men wird nur die Funk­ti­ons­wei­se der Tech­ni­schen An­la­ge ana­ly­siert und be­wer­tet, nicht aber die be­trieb­li­che Aus­wir­kung ei­nes Lecks – hier der Gas­aus­tritt, ins­be­son­de­re die Men­ge und die Zeit­dau­er in Ab­hän­gig­keit von der Grö­ße des Lecks.

­Was nützt es den di­rek­ten An­woh­ner der CO-Pipe­line, wenn zwar die Le­ck­ent­ste­hung zeit­nah er­kannt und vom Sys­tem ge­mel­det wird, das Gas aber bis zum druck­lo­sen Leer­lau­fen des Lei­tungs­ab­schnit­tes in gro­ßen Men­gen aus­tritt. Bei 12 bar Über­druck könn­ten das bei zehn Ki­lo­me­tern Ab­stand zwi­schen den Ab­sperrein­rich­tun­gen ca. 6000 m³ sein – und auch nur, wenn die­se sehr schnell schlie­ßen.

Wel­che zu­sätz­li­chen Si­cher­heits-Maß­nah­men für Pipe­lines gibt es, die von Bay­er nicht ein­ge­setzt wer­den?

Es gibt zum Bei­spiel Ein­zäu­nun­gen von Schutz­strei­fen von Erd­gas­pipe­lines. Nä­he­res hier­zu in Er­fah­rung zu brin­gen ist nicht auf­wen­dig.

Warum hat die Firma Bayer diese Maß­nah­men nicht er­grif­fen?

Das kann ich nicht sa­gen, mög­lich wä­ren wirt­schaft­li­che Grün­de. Es kann aber auch sein, dass sei­tens Bay­er die Un­ver­letz­bar­keit ei­ner sol­chen Gas­lei­tung über­schätzt wird.

Tei­len Sie den Stand­punkt der Co­or­di­na­ti­on ge­gen Bay­er-Ge­fah­ren, dass Ge­fahr­stof­fe wie CO al­len­falls im La­bor­maß­stab trans­por­tiert und an­sons­ten am Ort ih­res Ver­brauchs pro­du­ziert wer­den soll­ten?

Die­sen Stand­punkt der CBG tei­le ich, so­lan­ge nicht nach­hal­tig er­wie­sen ist, dass ei­ne hin­rei­chen­de Si­cher­heit ge­gen AL­LE denk­ba­ren Ge­fah­ren ge­währ­leis­tet wird.

Zwi­schen Le­ver­ku­sen und Dor­ma­gen be­treibt Bay­er be­reits seit 2002 ei­ne CO-Lei­tung. Die­se hat­te 1967 ei­ne Zu­las­sung für den Trans­port von CO2 er­hal­ten. Im Jahr 2001 er­teil­te die Be­zirks­re­gie­rung die Ge­neh­mi­gung für den Ein­satz von Koh­len­mon­oxid. Ein Ver­fah­ren mit Öf­fent­lich­keits­be­tei­li­gung wur­de nicht durch­lau­fen. Wie be­wer­ten Sie die­sen Vor­gang?

Soll­te tat­säch­lich ei­ne Koh­len­di­oxid-Lei­tung oh­ne wei­te­re um­fang­reichs­te Ana­ly­sen und Än­de­rungs­vor­schlä­ge für tech­ni­sche Aus­rich­tung und be­trieb­li­che Ver­fah­ren für Koh­len­mon­oxid zu­ge­las­sen wor­den sein, hiel­te ich das für ei­nen äu­ßerst un­sach­ge­mä­ßen Vor­gang. Mir ist auch kein wei­te­rer Fall ei­ner sol­chen Um­wid­mung be­kannt.

Auch wenn der Vor­gang for­mal recht­mä­ßig ab­lief, so ist da­mit nicht si­cher­ge­stellt, dass ei­ne hin­rei­chen­de Si­cher­heit für den Be­trieb der Lei­tung ge­währ­leis­tet ist. Es ist zu ver­mu­ten, dass es für CO kei­ne de­tail­lier­ten tech­ni­schen Re­geln, die den Stand der Tech­nik für den Trans­port au­ßer­halb ge­schlos­se­ner Be­trie­be be­schrei­ben, vor­ge­le­gen ha­ben. Die da­mals gül­ti­ge Gas­hoch­druck­lei­tungs-Ver­ord­nung be­fasst sich im We­sent­li­chen mit der tech­ni­schen Si­cher­heit der Pipe­line – nicht aber de­tail­liert mit der Ge­fah­ren­ab­wehr und den Fol­gen ei­nes mög­li­chen Gas­aus­tritts. Dies müss­te m. E. sorg­fäl­tig ge­prüft – und bei der Ge­neh­mi­gungs­be­hör­de de­tail­liert nach­ge­fragt – wer­den.

Un­se­res Wis­sens exis­tier­te in Deutsch­land zu­vor nur ei­ne CO-Lei­tung (im Bay­ri­schen Che­mie­drei­eck zwi­schen Trost­berg und Hart). Die­se wur­de ab 1956 be­trie­ben. Im Jahr 2002 trat dort Koh­len­mon­oxid aus, wor­auf­hin die Lei­tung au­ßer Be­trieb ge­nom­men wur­de. Sind Ih­nen in Deutsch­land wei­te­re CO-Pipe­lines be­kannt?

Nein, mir sind kei­ne wei­te­ren CO-Pipe­lines be­kannt. Ich bit­te je­doch zu be­ach­ten, dass ich seit mehr als 30 Jah­ren in der Erd­gas­bran­che tä­tig bin, mich aber im In­dus­trie­be­reich nicht aus­ken­ne.

Gibt es Be­stre­bun­gen in Deutsch­land, wei­te­re Ge­fahr­stof­fe per Pipe­line zu trans­por­tie­ren?

Das ist mir nicht bekannt.

Der von Bay­er ur­sprüng­lich be­haup­te­te CO-Über­schuss in Dor­ma­gen exis­tiert schon lan­ge nicht mehr. We­gen des Baus der TDI-An­la­ge ist ge­gen­wär­tig in Dor­ma­gen ein wei­te­rer steam-re­for­mer zur Er­zeu­gung von Koh­len­mon­oxid in Pla­nung. Wie be­wer­ten Sie vor die­sem Hin­ter­grund die Fort­set­zung des Pipe­line-Pro­jekts?

Ich ver­su­che be­wusst, die­ses CO-Pipe­line­pro­jekt NICHT vor dem Hin­ter­grund wirt­schaft­li­cher oder pro­zess­ori­en­tier­ter Ar­gu­men­te zu be­wer­ten. Ei­ne sol­che Ab­wä­gung wür­de mög­li­cher­wei­se zu Ab­stri­chen an der Si­cher­heits­phi­lo­so­phie für ein der­ar­tig sen­si­bles Pro­jekt be­deu­ten. Dies war und ist im­mer ei­ne Grund­re­gel für mei­ne lang­jäh­ri­ge Tä­tig­keit als öf­fent­lich an­er­kann­ter Sach­ver­stän­di­ger im Be­reich der Gas­hoch­druck­lei­tungs­ver­ord­nung.

Im lau­fen­den Ge­neh­mi­gungs­ver­fah­ren hat die Be­zirks­re­gie­rung ei­nen Sach­ver­stän­di­gen be­auf­tragt, der zu­vor drei Gut­ach­ten für Bay­er er­stellt hat­te und der in Pres­se­mit­tei­lun­gen des Kon­zerns die an­geb­li­che Si­cher­heit der CO-Lei­tung be­stä­tig­te. Wie be­wer­ten Sie die Wahl des Gut­ach­ters?

Ich kann die Wahl des Gut­ach­ters oh­ne ge­naue Kennt­nis­se des ge­sam­ten Vor­gan­ges nicht se­ri­ös be­wer­ten. Ei­nem in­ten­si­ven Aus­tausch so­wohl mit dem Gut­ach­ter als auch mit den ver­ant­wort­li­chen Ver­tre­tern der Be­zirks­re­gie­rung stel­le ich mich mit In­ter­es­se zur Ver­fü­gung.

Am 25. Sep­tem­ber kam es im Bruns­büt­te­ler Bay­er-Werk zu ei­ner Frei­set­zung von Koh­len­mon­oxid. Nach An­ga­ben der Po­li­zei schweb­ten zwei Mit­ar­bei­ter in Le­bens­ge­fahr, ein Ar­bei­ter muss­te re­ani­miert wer­den. Zu den Ur­sa­chen des Un­falls macht die Fir­ma bis­lang kei­ne An­ga­ben. Ist der Vor­fall auch für die Ge­neh­mi­gung der Pipe­line von In­ter­es­se?

Ich bin kein aus­ge­wie­se­ner Fach­mann im Um­gang mit CO. Be­schrän­ken wir uns al­so dar­auf, was wir wis­sen: Dau­er­haft hun­dert Pro­zent dich­te Gas­lei­tungs­sys­te­me sind in der Pra­xis nicht be­kannt. Gas­aus­trit­te sind selbst­ver­ständ­lich nach al­len Re­gel der Tech­nik zu ver­min­dern, aber sie kön­nen eben nie ganz aus­ge­schlos­sen wer­den. Aus die­sem Grun­de exis­tie­ren seit vie­len Jahr­zehn­ten in al­len Bran­chen stoff­ab­hän­gi­ge Re­geln für den Um­gang mit Gas­aus­trit­ten ins­be­son­de­re zur Ver­mei­dung oder zur Ver­min­de­rung von Ge­fah­ren für Mensch und Um­welt. Auch Un­glü­cke wie die­ses oben be­schrie­be­ne kom­men im­mer wie­der vor – in un­se­ren von Ar­beits­si­cher­heits­re­geln gut be­glei­te­ten Ar­beits­pro­zes­sen sind sie gott­sei­dank sel­ten und eher mit mensch­li­chem Ver­sa­gen ein­her­ge­hend.

Es soll­te in je­dem Fal­le un­ter­sucht wer­den, wel­che der Ge­fähr­dun­gen für die Mit­ar­bei­ter auf dem Be­triebs­ge­län­de in glei­cher Wei­se zu Ge­fähr­dung für die Be­völ­ke­rung füh­ren könn­te. Die Ge­fahr von Koh­len­mon­oxid wird m. E. un­ter­schätzt.

  • Dipl.-Ing. Bernhard Wening, seit 1979 in der Erdgasversorgung tätig.
  • Sachverständiger seit 1991 für Gasanlagen (Transport / Verteilung)
  • Bis Dez. 2012 Leiter Qualität und Regelsetzung in der RWE Deutschland AG, Essen


Die Fragen stellte Philipp Mimkes
Coordination gegen BAYER-Gefahren
8. Januar 2014


Informationen zur Kampagne der CBG