Partei

Reaktorunfall in Tschernobyl

Von der Elbe aus gesehen.

Tschernobyl

Am 26. April 1986 geschah in der UdSSR in Tschernobyl ein Reaktorunfall, dessen katastrophale Auswirkungen uns bis heute  beschäftigen und uns noch tausende von Jahren belasten.

Am 2. Mai 1986 begann der 8. Parteitag der DKP in Hamburg, also nur ein paar Tage danach. Kurt Steinhaus beschrieb unsere Situation mit folgenden Worten: «Es ist in diesen Tagen für einen bundesdeutschen Kommunisten nicht leicht, über Kernenergie zu sprechen. Denn diese Frage steht jetzt im Schatten eines tragischen Unglückfalls, der uns Kommunisten in besonderem Masse betroffen macht.

Wir sind menschlich betroffen. Wir empfinden tiefes Mitgefühl mit jenen sowjetischen Menschen und ihren Angehörigen, die bei dem Reaktorunfall zu Schaden gekommen sind. Wir fühlen uns gerade in einer so schwierigen Situation tief mit dem sowjetischen Volk, mit unserer sowjetischen Bruderpartei verbunden, die jetzt erneut mit einer schändlichen Hetzkampagne konfrontiert sind. Und ich halte es für außerordentlich wichtig, gerade wenn wir über solche Dinge wie Tschernobyl sprechen, das keinen Augenblick aus dem Auge zu verlieren.

Titel der Broschüre der DKP: «KKW. Gefahr oder Fortschritt?»

Wir sind zugleich politisch betroffen. Und zwar mehr als irgendeine politische Kraft dieses Landes. Der Reaktorunfall ist in einem sozialistischen Land passiert, in jenem sozialistischen Land, das vor mehr als 30 Jahren mit der Inbetriebnahme des ersten Kernkraftwerkes der Welt als erstes Land eine friedliche Alternative zu jenem militärischen Missbrauch der Kernenergie aufgezeigt hat, die der USA-Imperialismus bereits im August 1945 mit der Auslöschung von Hiroshima und Nagasaki praktisch demonstrierte. Der Reaktorunfall hat jene Sowjetunion getroffen, die sich als Bahnbrecherin einer ausschließlich friedlichen Nutzung der Kernenergie, als Vorkämpferin einer vollständigen atomaren Abrüstung unvergleichliche Verdienste vor der ganzen Menschheit erworben hat. Auch das halte ich für eine so wichtige Sache, dass man sie jeden Augenblick im Gedächtnis haben muss. Es wurde schließlich ein Land getroffen, in dem mit der Überwindung des kapitalistischen Privateigentums und des Profitprinzips gesellschaftliche Bedingungen herrschen, die für die Nutzung gerade komplizierter und risikobehafteter Technologie günstiger sind als irgendwo in der Welt des Kapitals. Das ist seit jeher unsere grundsätzliche Position. Wir sollten an dieser Position festhalten, weil sie nach wie vor richtig ist.»

Wir Kommunist*innen engagierten uns bereits Anfang der 70er Jahre in der Anti-AKW-Bewegung (AKW=Atomkraftwerk): Brokdorf, Wyhl und Kaiseraugst 1974/ 1975. Wir sind überzeugt, dass die Kapitalisten nicht Willens sind alle  Sicherheitsmaßnahmen zu ergreifen, die bei AKWs nötig sind, um die Menschen zu schützen, da das ihren Profit schmälert.

Aber in einem Gespräch des Moskauer Korrespondenten der UZ, Egon Traxler, mit sowjetischen Energiewissenschaftlern und Experten ein Jahr später zeigte, dass auch in der Sowjetunion ein neues Denken beim Umgang mit Kernenergie stattgefunden hat.  Sie  sagten, dass Tschernobyl gezeigt hat, welche Gefahr auch in der friedlichen  Nutzung von Atom steckt. Aber es gäbe noch keine wirtschaftliche Alternative dazu: Strom aus Wasser wäre ein größerer Eingriff in die Ökologie und die Kohle liegt für die westlichen Industriegebiete zu weit weg im Osten.

Die Hauptlehre aus Tschernobyl besteht in der Erkenntnis, welche Folgen ein militärisch atomarer Einsatz hätte oder ein konventioneller Angriff auf ein Atomkraftwerk und wie wichtig bei der Technik der «Faktor Mensch» sei.

Daraus wurden Schlussfolgerungen gezogen und eine sofortige Information der Öffentlichkeit hätte weitere Opfer und Schäden vermeiden können.

Es muss sparsamer mit Energie umgegangen werden und es müssen alle Möglichkeiten der Energiegewinnung unter Rücksichtnahme auf Mensch und Natur jeweils geprüft werden. Das kapitalistische Profitprinzip ist da der schlechteste Ratgeber, aber auch die Schaffung oder der Erhalt von Arbeitsplätzen um jeden Preis ist nicht mehr opportun.

Text: I.Lang
Broschüre der DKP, 1977
Foto: Alois Staudacher, wikipedia
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Quellen: Protokoll des 8. Parteitages 1986 und des 9. Parteitages der DKP 1989, «KKW – Gefahr oder Fortschritt?», Broschüre der DKP Rheinland-Westfalen 1977, Broschüre UdSSR: Energiepolitik nach Tschernobyl «Neues Denken auch im Umgang mit der Atomenergie» (Das digitale Archiv der DKP bis einschliesslich des 19. Parteitages wurde gelöscht war nicht zu erreichen.)