Politik
Das Thema »Berufsverbot« kommt in Berlin wieder in den Bundestag
Breite Solidarität für die Betroffenen – Antrag an den Petitionsausschuss
Kanzleramtschef Ronald Pofalla machte deutlich, dass sich seine Hausherrin nicht mit dem Thema »Berufsverbot« befassen möchte. Das muss sie denn wohl doch, denn die Betroffenen dieser Politik und Justiz fanden passende Zugänge in den Bundestag, zum Kanzleramt und über die Ministerpräsidenten der Bundesländer. Das Ziel: erneute Behandlung der Angelegenheit mit der Perspektive einer akzeptablen Lösung.
Anlässlich des 40. Jahrestages des »Radikalenerlasses« hatte sich eine Gruppe von Betroffenen in Berlin eingefunden, um auf den anhaltenden Demokratieabbau aufmerksam zu machen und Rehabilitierung einzufordern. Gelegenheit gab es dazu, weil die Ministerpräsidenten und die Kanzlerin zu ihrer turnusmäßigen Konferenz in der Landesvertretung von Schleswig-Holstein zusammengekommen waren.
Vor dem Haus In den Ministergärten 8 wurden die Forderungen an Dr. Andreas Timmermann, stellvertretender Leiter der Landesvertretung, überreicht. Er sicherte zu, dass die Dokumentation an seinen neuen Ministerpräsidenten Torsten Albig (SPD), an die anderen Länderchefs und an die Bundeskanzlerin gehen wird.
Viel Aufmerksamkeit – aber weniger Glück hatte die Delegation vor dem Kanzleramt. Herr Pofalla ließ sie nicht durch den Zaun und auch nicht durch den Hintereingang blicken. Dennoch gelang es, den Brief an die Kanzlerin auch hier abzugeben, wenn auch nur an den stellvertretenden Leiter der Poststelle. Mehr Aufmerksamkeit brachte da das große Transparent, mit dem die Aufhebung der Berufsverbote und die Abschaffung des schnüffelnden Verfassungsschutzes gefordert wurde. Es dürfte wohl die erste Aktion dieser Art seit 40 Jahren vor dem Kanzleramt gewesen sein. Willy Brandt residierte noch in Bonn.
Solidarischer waren die Begegnungen mit den Bundestagsabgeordneten der Partei Die Linke (Karin Binder, Wolfgang Gehrcke, Gregor Gysi, Ulla Jelpke, Paul Schäfer, Kersten Steinke) und von Bündnis 90/Grüne (Ingrid Hönlinger, Konstantin von Notz, Katja Dörner) im Bundestag. Von beiden Gruppen wurde unterstrichen, dass weitere Aktivitäten angegangen werden können, zumal die Absprachen in der Vergangenheit nicht als optimal angesehen wurden. Von den Grünen wurde ein neuer Antrag ins Gespräch gebracht, den ihre Fraktion einbringen kann und dem vielleicht schon deshalb mehr Erfolg beschieden sein könnte, weil er nicht von der Linkspartei komme. Eine Aktivität für den Petitionsausschuss regte die Linkspartei ergänzend an. Auf verfassungsrechtliche Aspekte hatte zuvor bereits Professor Dr. Martin Kutscha, Berlin, bei einer Pressekonferenz hingewiesen.
Kersten Steinke, Vorsitzende des Petitionsausschusses, erläuterte das Verfahren. Karin Binder versicherte, dass ihre Fraktion das Anliegen der Betroffenen »in vollem Umfang unterstützen« wolle, um »wenigstens irgendeine Art der Wiedergutmachung« zu erreichen. Ulla Jelpke erinnerte daran, dass bei den Themen »Entschädigung« und Rehabilitierung immer noch wie im Kalten Krieg argumentiert werde. Gregor Gysi brachte seinen »hohen Respekt« für die Betroffenen zum Ausdruck und forderte sie auf, entschlossen weiter zu kämpfen, über das Unrecht zu sprechen und sich dem Zeitgeist entgegenzustellen. Wolfgang Gehrcke und Paul Schäfer regten internationale Solidarität und Aktivitäten aus den Gewerkschaften an.
Alle Anregungen aus der Fraktion von Bündnis 90/Grüne und aus der Linkspartei wurden von den Betroffenen begrüßt. Vor dem Hintergrund, dass bisher mehr als 250 Unterzeichner unterschiedlicher Couleur sich hinter die Erklärung gegen die Berufsverbote gestellt haben, gab es viele konstruktive Anstöße für die weitere Arbeit – zumal der Eindruck aufgekommen war, dass dem Thema über viele Jahre zu wenig Aufmerksamkeit und Engagement gewidmet worden sei.
In der Galerie der »Jungen Welt« gab es dagegen die volle Aufmerksamkeit für eine »Revue«, die von den Berufsverbotsbetroffenen gestaltet wurde. Fast 20 Teilnehmer beleuchteten das Thema aus sehr unterschiedlichen Blickwinkeln – nachdenklich, humorvoll, zornig. In einem »Schlusswort« verdeutlichte Professor Heinrich Fink, dass es historisch, politisch, geografisch noch viel aufzudecken gelte, um der Solidarität eine angemessene Tiefe und Breite zu geben.
Uwe Koopmann
Fotos: Bettina Ohnesorge