Politik

Hungerstreikende kurdische Gefangene kurz vor ihrem Tod

Forderungen müssen erfüllt werden

Personengruppe.

 

24.10.2012 | Aus Protest gegen die Total­isolation von Abdullah Öcalan und den Ein­schrän­kun­gen gegen­über der kur­di­schen Sprache befin­den sich min­des­tens 715 kur­di­sche poli­ti­sche Gefan­gene in der Türkei und in Kur­dis­tan im unbe­fris­te­ten Hunger­streik. Der Hunger­streik wurde am 12. Sep­tem­ber 2012 von 63 inhaf­tier­ten Mit­glie­dern der Arbei­ter­par­tei Kur­dis­tan (PKK) und der Partei der Freien Frauen Kur­dis­tans (PAJK) ini­ti­iert. Die Hunger­strei­ken­den nehmen seit 43 Tagen keine Nah­rung und Vita­min­tablet­ten, sondern aus­schließ­lich Wasser zu sich. Die Gefäng­nis­lei­tun­gen berich­te­ten, dass die ersten von ihnen kurz vor dem Tod stehen.

 

In einem Brief an die Öffentlichkeit betonte der Sprecher der Hungerstreikenden Deniz Kaya, dass sie ihren Hungerstreik bis zur Erfüllung ihrer Forderungen fortsetzen werden. Diese lauten:

  • Die Aufhebung der Isolationshaftbedingungen gegen Abdullah Öcalan,
  • die Gewährleistung seiner Gesundheit, Sicherheit und Freiheit, sowie
  • die umfassende Anerkennung der kurdischen Sprache – einschließlich des Rechtes auf Bildung in der kurdischen Muttersprache sowie
  • die Anerkennung der demokratischen Rechte des kurdischen Volkes.

 

In einer Erklärung an die internationale Öffentlichkeit erklärte die BDP (kurdische Partei für Frieden und Demokratie), dass die AKP-Regierung sich seit mehr als 37 Tagen nicht zu den Aktionen in den Gefängnissen geäußert habe (siehe Anhang). »Seit Montag, dem 15. Oktober, befinden sich alle Gefangenen in einem unbegrenzten und unumkehrbaren Hungerstreik«, so die Partei weiter und ruft zu internationalen Solidarität auf. Mittlerweile ist davon auszugehen, dass sich mehrere tausend Menschen in den Gefängnissen des Landes im unbefristeten Hungerstreik befinden. Aufgrund des schlechten Informationsflusses aus den Gefängnissen ist die genaue Zahl und der Zustand der AktivistInnen allerdings unbekannt.

 

Auch der Verband Studierender aus Kurdistan YXK ruft in einer Erklärung zu Wachsamkeit und Solidarität auf (siehe Anhang).

 

Der Co-Vorsitzende der BDP erklärte auf einer Protestkundgebung vor dem E-Typ Gefängnis in Diyarbakir am gestrigen Dienstag: »Für uns ist jede Sekunde, jede Minute wichtig. Die Menschen müssen sämtliche Tätigkeiten einstellen und den Aufrufen folgen und sich an den Demonstrationen beteiligen. Hunderttausende müssen auf die Strasse gehen. Anders können wir diese Gewissenlosigkeit nicht stoppen. Entweder wir werden sie alle gemeinsam aufhalten oder wir sterben zusammen mit unseren inhaftierten FreundInnen«.

 

Der 20-jährige Kerem Irmak, der seit eineinhalb Jahren im Gefängnis ist und ebenfalls die Nahrungsaufnahme verweigert, schreibt in einem Brief an die Öffentlichkeit: »Der Friedensaufschrei muss endlich gehört werden. Die Öffentlichkeit muss endlich ihre Augen öffnen. Alle die für den Frieden sind, müssen unsere Aktion unterstützen.«

 

Auffallend ist die Teilnahmslosigkeit der türkischen Öffentlichkeit und das Schweigen der nicht-kurdischen Presse. So erklärte Melda Onur (CHP-Parlamentsabgeordnete):»Die Menschen in der Öffentlichkeit entwickeln keine Empathie. ‚Wer nicht zu mir gehört, der kann ruhig sterben; das interessiert mich nicht weiter‘. Dabei sollte die politische Einstellung der Menschen, die in den Tod gehen, nicht Grund für unsere Empfindungslosigkeit sein. Wir dürfen dem Sterben nicht zu sehen. Der Preis dessen wäre für die Türkei sehr hoch.«

 

In den kurdischen Gebieten der Türkei hingegen gingen am vergangenen Wochenende zehntausende Menschen zur Unterstützung der Hungerstreikenden auf die Straßen. Eine Kundgebung am vergangenen Sonntag in Diyarbakir wurde dabei von Polizeikräften angegriffen und aufgelöst.

 

Unterdessen formiert sich die Linke in der Türkei neu. So wurde letzte Woche die Gründung einer Dachpartei namens »Halklarin Demokratik Partisi« (Demokratische Partei der Völker) bekannt gegeben, die aus dem Bündnis »Halklarin Demokratik Kongresi« (Demokratischer Kongress der Völker) hervorgegangen ist. Dieses stellte den Zusammenschluss von mehr als zwei Dutzend linker türkischer und kurdischer Parteien, Organisationen und Einzelpersonen, darunter die BDP und die EMEP (Partei der Arbeit) dar. und hatte schon bei den Parlamentswahlen im Juni 2011 als »Block für Arbeit, Demokratie und Freiheit« mit 36 gewählten unabhängigen KandidatInnen einen großen Erfolg zu verzeichnen.

 

Unter dem Motto »SozialistInnen, KurdInnen, AlevitInnen, GewerkschafterInnen, SchriftstellerInnen, DichterInnen, MusikerInnen, Frauen, Jugendliche und LGBT-AktivistInnen vereinigen sich« ruft sie nun dazu auf, eine gemeinsame linke Opposition aufzubauen und eine Alternative zur herrschende Macht zu werden. Die Türkische Kommunistische Partei TKP unterstützt diese Dachpartei bisher noch nicht.

 

Kerem Schamberger
Foto: firatnews.com

 

Quellen:

 


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