Politik
Kraftvolles Grün verblasst
Bundespolitische Weichenstellung hinterlassen Spuren in NRW
Zwischen der SPD und den Grünen gab es in NRW abgesteckte Claims, No-Go-Areas, die nach dem Abschluss der Koalitionsvereinbarung nicht mehr betreten werden durften: Sie wurden zu politischen Tabu-Zonen. Der Koalitionsausschuss wurde am 18. Juni 2012 im Rahmen eines »feierlichen Aktes« im K 21-Museum in Düsseldorf unterschrieben. An der Spitze: Hannelore Kraft (SPD) und Sylvia Löhrmann (Bündnis 90/Die Grünen«. Feierlich geht inzwischen anders.
Altes Beispiel: In eigenen alten Oppositionszeiten argumentierten die Grünen vehement gegen die hochgiftige CO-Pipeline von Bayer, nachdem sie dem Projekt anfangs im Landtag ohne Aussprache zugestimmt hatten. Dann ging’s in die Regierung. Und dann kam nichts mehr von ihnen.
Die SPD war und ist noch geschmeidiger: Die Mehrheit ihrer Abgeordneten im Landesparlament ist in enger Verbundenheit mit Bayer für die Pipeline. Die Minderheit der Abgeordneten, die, die ihre Wahlkreise an der Pipeline-Trasse haben, sind dagegen. Das gilt auch für die CDU.
Der inzwischen zweite Wirtschaftsminister in der Kraft-Regierung – Garrelt Duin folgte am 21. Juni 2012 auf Harry Voigtsberger – kickte jüngst gezielt eine Tretmine über die rote Linie ins Feld der Grünen: Es ging ihm um Kohle. Duin forderte nur noch den »gedrosselten Ausbau« bei den alternativen Energien. Die Wirtschaft sollte, so Duin gegenüber der »Wirtschaftswoche«, von Abgaben weiter entlastet werden. Grüner Fraktionsvorsitzender Reiner Priggen forderte die Einhaltung des Koalitionsvertrages, an dem Duin noch nicht mitgebastelt hatte: Beschleunigung bei den erneuerbaren Energien.
Hinter der Kohle stecken die Energiekonzerne, die den Strom aus der Kohle ziehen. Das lohnt sich für sie nur mit Subventionen. Und dafür ist Duin zuständig. Der Weiterbau des Kohlekraftwerkes Datteln musste gestoppt werden. Duin ist für Weiterbau. Folge: Remmel, Umweltminister und Grüner, ist sauer. Der Energiekonzern RWE sieht sich gar in die Enge getrieben. Da kann die Landesregierung nicht länger hinter der Fichte bleiben. Der Berliner »Tagesspiegel« orakelte schon: Koalitionsbruch in Düsseldorf...
In ihrer Selbstdarstellung zu diesem Konflikt setzt die Landesmutti, Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, auf die Methode der Bundesmutti: Scheinhaft alternativlos auf die Sicherung von Arbeitsplätzen setzen. Dabei kann sie sich auf den Energiekonzern RWE berufen: Der deutet an, dass 5.000 Arbeitsplätze wackeln könnten.
Das Gemeinsame von Merkel, Kraft, Duin, Priggen und Remmel: Sie greifen nicht die antagonistischen Widersprüche auf, die durch die Interessen der Energie- oder Chemiekonzerne verkörpert werden. Sie kleben an den kleinen Widersprüchen, die durch etwas sauberere Luft und veränderte CO2-Quoten zum Ausdruck kommen.
Das will gut eingestielt sein: Kraft lud deshalb die SPD-Unterhändler, die die SPD in der Energiepolitik mit der CDU zur Übereinstimmung bringen sollen, nach Düsseldorf zur Vorbesprechung ein. Unsichtbare Gesprächspartner in der Runde: Industriegewerkschaft Bergbau und Energie (IGBCE), IG Metall, Bundesverband der Arbeitgeber und Bundesverband der Industrie. Die hatten gemeinsam erklärt, dass das bisherige »System der Einspeisevergütung« schuld sei an den »deutlichen Strompreiserhöhungen«.
Eigentlich aber wollten SPD und Grüne einen »Masterplan Energiewende« (Zeile 2044 ff. des Koalitionsvertrages). Ihre Kritik: »Schwarz-gelb ist nicht in der Lage, die Energiewende zu einem Gemeinschaftsprojekt zu machen.« Ihre Herausforderung: »Das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) muss verlässliche Investitionsanreize für den Ausbau der Erneuerbaren Energien, insgesamt mindestens in der bisherigen Geschwindigkeit bieten…«
Der Navi der NRW-SPD ist Richtung Große Koalition in Berlin programmiert. Wenn Duin weiterhin mit voller Kraft als Bremskraftverstärker agiert, könnte es den Koalitionswagen in NRW allerdings nach rechts aus der Kurve tragen. Es bleibt die Frage, ob die Grünen als Beifahrer vorher abspringen oder weiterhin nachhaltige Koalitionsdisziplin in Düsseldorf üben. Die Probefahrt haben sie bei der Bundestagswahl gemacht. Das ging für sie schlecht aus.
Uwe Koopmann
Foto: Herbert Schedlbauer