Politik

Das Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP)

Referat auf der Mitgliederversammlung der Kölner Innenstadtgruppe

Thema TTIP

Grafik: Politische Landkarten der beteiligten Länder.

Legende zur Grafik.

Lasst mich mit ei­nem Zi­tat aus dem Ko­ali­ti­ons­ver­trag be­gin­nen: »Ge­nau­so wie den Er­folg der Ver­hand­lun­gen der Eu­ro­päi­schen Uni­on über ein Frei­han­dels­ab­kom­men mit den USA (TTIP) stre­ben wir auch den zü­gi­gen Ab­schluss wei­te­rer Han­dels­ab­kom­men mit dy­na­misch wach­sen­den Schwel­len­län­dern an. Un­ser Ziel ist ei­ne Ver­tie­fung der Wirt­schafts- und Han­dels­be­zie­hun­gen. Da­bei set­zen wir auf mul­ti­la­te­ra­le Han­dels­re­geln. Bei EU-Han­dels­ab­kom­men soll die Ein­hal­tung der Ker­nar­beits­nor­men der in­ter­na­tio­na­len Ar­beits­or­ga­ni­sa­ti­on (ILO)-be­rück­sich­tigt wer­den, da­mit der Frei­han­del nicht zum Ein­falls­tor für Lohn- und So­zi­al­dum­ping wird.« (S. 16)

­Der letz­te Satz ist ganz of­fen­kun­dig ein ver­ba­les Zu­ge­ständ­nis an das Kli­en­tel der SPD, ei­ne Be­ru­hi­gungs­pil­le für Ge­werk­schaf­ter und So­zi­al­de­mo­kra­ten an der Ba­sis. Es wird sich er­wei­sen, was von ihm zu hal­ten ist, wenn die ge­gen­wär­tig schon hef­ti­ge Dis­kus­si­on über das TTIP um sich greift.

­Wir sind ein­ge­la­den zu ei­nem Bünd­nis­tref­fen ge­gen das TTIP am 6. März im Al­ler­welts­haus. Ich hof­fe, dass ich da nicht al­lei­ne hin­ge­he.

Ein wei­te­res Zi­tat aus dem Ko­ali­ti­ons­ver­trag:

»Wir wer­den auf ei­ne star­ke Roh­stoff­stra­te­gie auf eu­ro­päi­scher Ebe­ne und die ak­ti­ve Ver­tre­tung deut­scher und eu­ro­päi­scher Roh­stoff­in­ter­es­sen in der WTO und G20-Run­de hin­wir­ken. Es gilt, ta­ri­fä­re und nicht-ta­ri­fä­re Han­dels­hemm­nis­sen bei Roh­stof­fen ab­zu­bau­en und im Rah­men der Ent­wick­lungs­po­li­tik Um­welt- und So­zi­al­stan­dards im aus­län­di­schen Roh­stoff­abbau zu ver­bes­sern.« (S. 18)

Man be­ach­te a) den Zu­sam­men­hang mit der von Gauck auf der Si­cher­heits­kon­fe­renz pos­tu­lier­ten neu­en Ver­ant­wor­tung Deutsch­lands in der Welt und der fa­mi­li­en­freund­li­chen mi­li­tä­ri­schen In­ter­ven­ti­ons­po­li­tik von Frau von der Ley­en, aber auch b) das wie­der­keh­ren­de so­zi­al­de­mo­kra­ti­sche Schwänz­chen.

­Was ist TTIP?

Es ist die Ab­kür­zung für Trans­at­lan­tic Tra­de and In­vest­ment Part­nership. TTIP wird auch Trans­at­lan­ti­sches Frei­han­dels­ab­kom­men (TAFTA) ge­nannt.

Das TTIP hat ei­nen Vor­läu­fer, das so­ge­nann­te Mul­ti­la­te­ra­le Ab­kom­men über In­ves­ti­tio­nen (MAI). Die­ses in­ter­na­tio­na­les Ver­trags­werk zwi­schen trans­na­tio­na­len Kon­zer­nen, den OECD-Staa­ten und der Eu­ro­päi­schen Uni­on hät­te in den Un­ter­zeich­ner­staa­ten di­rek­te Aus­lands­in­ves­ti­tio­nen för­dern und da­zu die Rech­te in­ter­na­tio­na­ler In­ves­to­ren zu Las­ten von De­mo­kra­tie, na­tio­na­ler Sou­ve­rä­ni­tät und Recht­spre­chung so­wie so­zia­ler und öko­lo­gi­scher Stan­dards um­fas­send stär­ken sol­len, ist aber 1998 ge­schei­tert.

Es be­gann 1995 un­ter Aus­schluss der Öf­fent­lich­keit. Zwei Jah­re spä­ter wur­den die Ver­hand­lun­gen be­kannt und welt­weit, zu­nächst in Ka­na­da, den USA und spä­ter in Eu­ro­pa öf­fent­lich dis­ku­tiert. Wi­ki­pe­dia sagt leicht un­ter­trei­bend, »un­ter zu­rück­hal­ten­der Be­richt­er­stat­tung der Mas­sen­me­di­en«. Hier in Deutsch­land war es vor al­lem Ma­ria Mies aus Köln, die mit ih­ren Ana­ly­sen die kri­ti­sche Öf­fent­lich­keit zu mo­bi­li­sie­ren ver­stand. Es for­mier­te sich zi­vil­ge­sell­schaft­li­cher Wi­der­stand. Noch im Sep­tem­ber 1998 sa­hen sich 450 Ver­tre­ter mul­ti­na­tio­na­ler Kon­zer­ne zur fol­gen­den Er­klä­rung ver­an­lasst:

»Die Ent­ste­hung von Ak­ti­vis­ten­grup­pen droht die öf­fent­li­che Ord­nung, die recht­mä­ßi­gen In­sti­tu­tio­nen und den de­mo­kra­ti­schen Pro­zess zu un­ter­gra­ben. […] Es müss­ten Re­geln auf­ge­stellt wer­den, um die Le­gi­ti­mi­tät die­ser ak­ti­vis­ti­schen re­gie­rungs­un­ab­hän­gi­gen Or­ga­ni­sa­tio­nen zu klä­ren, die vor­ge­ben, die In­ter­es­sen gro­ßer Tei­le der Zi­vil­ge­sell­schaft zu ver­tre­ten.«

­Den­noch wur­den die Ver­hand­lun­gen zu­nächst aus­ge­setzt. Im De­zem­ber 1998 schei­ter­te das MAI. Frank­reich mach­te nicht mehr mit. Aber die Grund­idee von MAI ge­riet un­ter­des­sen in ei­ni­ge Re­gel­wer­ke gro­ßer Wirt­schafts­ge­mein­schaf­ten.

Ver­di hat im De­zem­ber 2013 ei­ne auf­schluss­rei­che Bro­schü­re her­aus­ge­bracht: Ti­tel: »An­griff auf Löh­ne, So­zia­les und Um­welt. Was steckt hin­ter dem trans­at­lan­ti­schen Frei­han­dels­ab­kom­men TTIP?« Olaf Harms hat sich in sei­nem Re­fe­rat auf der 6. PV-Ta­gung dar­aus wort­wört­lich und reich­lich be­dient, aber die Quel­le zu er­wäh­nen ver­ges­sen. Der Bro­schü­re ist zu ent­neh­men:

2007 wur­de der trans­at­lan­ti­sche Wirt­schafts­rat (Trans­at­lan­tic Eco­no­mic Coun­cil) von Ge­or­ge W. Bush, An­ge­la Mer­kel und Jo­sé Ma­nu­el Bar­ro­so ge­grün­det. Der wur­de von der EU und den USA mit der Or­ga­ni­sa­ti­on ei­ner Ar­beits­grup­pe be­auf­tragt. Sie hör­te auf den schö­nen Na­men »Hoch­ran­gi­ge Ar­beits­grup­pe für Ar­beits­plät­ze und Wachs­tum« (High Le­vel Working Group) Mit­glie­der wa­ren u.a. die Ber­tels­mann Stif­tung, Busi­ness Eu­ro­pe, der Eu­ropean Ame­ri­can Busi­ness Coun­cil und der Trans­at­lan­tic Busi­ness Dia­lo­gue (TABD). Im Mai 2013 bil­lig­te das Eu­ro­päi­sche Par­la­ment und der US-Kon­gress die Ver­hand­lungs­man­da­te. Am 8. Ju­li 2013 be­gann in Wa­shing­ton die ers­te Ver­hand­lungs­run­de.

D­a­nach wur­den die Ver­tre­ter der Wirt­schaft, der Ge­werk­schaf­ten und NGOs, Um­welt- und Ver­brau­cher­schüt­zer als so­ge­nann­te Sta­ke­hol­der an­ge­hört, eben­so ein Aus­schuss des EU-Par­la­ments. Be­tei­ligt wur­den sie aber laut Ver­di nicht. Hin­ter den Ku­lis­sen ha­be je­doch vor al­lem die Wirt­schaft die Mög­lich­keit, Ein­fluss zu neh­men. Laut Be­richt der Süd­deut­schen Zei­tung vom 11.12.2013 durf­ten mehr als 600 Ver­tre­ter der Wirt­schafts­lob­by ih­re Po­si­tio­nen und Vor­schlä­ge ein­brin­gen. Sie hät­ten auch Zu­gang zu wich­ti­gen Do­ku­men­ten, die noch nicht ein­mal den Re­gie­run­gen der ein­zel­nen EU-Län­der vor­lie­gen.

­Mitt­ler­wei­le läuft die drit­te Ver­hand­lungs­run­de. Ver­hand­lungs­part­ner sind der EU-Kom­mis­sar für Han­del und der US-Han­dels­mi­nis­ter. Ge­bil­det wur­den 32 Ar­beits­grup­pen zu den ein­zel­nen Fra­ge­kom­ple­xen. Wei­ter­hin al­les ge­heim.

Es ist auch völ­lig un­durch­sich­tig, wel­che Kon­zer­ne und ih­re Lob­by Zu­gang ha­ben und Ein­fluss aus­üben. Fest steht in­des, dass die Ver­trags­in­hal­te des TTIP auf al­len Ebe­nen voll­stän­dig bin­dend sein sol­len. Und es fällt auf, dass die­se In­hal­te der Öf­fent­lich­keit aber vor­ent­hal­ten wer­den. Ver­tre­ter von Na­tio­nal­staa­ten ha­ben kei­nen Ein­fluss auf die Ver­hand­lungs­er­geb­nis­se, ob­wohl es ein gro­ßes In­ter­es­se an den kon­kre­ten In­hal­ten gibt. Die EU-Kom­mis­si­on nennt es auf ih­rer Web­site das »grö­ß­te Han­dels­ab­kom­men der Welt«.

Es ist da­von aus­zu­ge­hen, dass im Rah­men des TTIP Ei­ni­gun­gen ge­trof­fen wer­den sol­len, die da­zu die­nen, die na­tio­na­le Ge­setz­ge­bung aus­zu­he­beln. Erst am En­de des Ver­hand­lungs­pro­zes­ses, wenn es nur noch ja oder nein sa­gen kann, darf das Eu­ro­päi­sche Par­la­ment das TTIP ra­ti­fi­zie­ren. Ein­mal ab­ge­schlos­sen, wä­re es prak­tisch nie wie­der zu ver­än­dern. Weil da­für al­le Ver­trags­part­ner zu­stim­men müs­sen, kön­nen die USA oder schon ein ein­zi­ges EU-Land je­de Än­de­rung blo­ckie­ren.

Von den Ver­hand­lungs­füh­rern ver­lau­tet, dass das TTIP po­si­ti­ve Wir­kun­gen auf Wachs­tum, Prei­se und Ar­beits­plät­ze er­war­ten las­se. Ver­di da­ge­gen be­fürch­tet weit­rei­chen­de Ein­schrän­kun­gen der na­tio­na­len Sou­ve­rä­ni­tät und ins­be­son­de­re ei­ne er­heb­li­che Be­ein­träch­ti­gung der or­dent­li­chen Ge­richts­bar­keit durch ei­nen um­fas­sen­den »In­ves­to­ren­schutz«. Denn In­ves­to­ren sol­len vor ei­ge­nen Schieds­ge­rich­ten kla­gen kön­nen, wenn sie sich durch na­tio­na­le Re­gu­lie­run­gen in ih­ren Pro­fi­ter­war­tun­gen ge­schä­digt se­hen.

­Die Vor­stel­lung ei­nes un­be­grenz­ten welt­wei­ten Han­dels ist ein Kind des Zu­sam­men­bruchs des Sys­tems der so­zia­lis­ti­schen Län­der. Aber die WTO (World Tra­de Or­ga­ni­sa­ti­on) konn­te sich lan­ge nicht durch­set­zen. Erst En­de 2013 wur­de nach der seit 2001 lau­fen­den Do­ha-Run­de ein Ab­kom­men zur Li­be­ra­li­sie­rung des Han­dels mit Gü­tern und Dienst­leis­tun­gen in Ba­li er­zielt, das von 159 Staa­ten an­ge­nom­men wur­de. Das so­ge­nann­te Ba­li-Pa­ket be­inhal­tet Han­dels­er­leich­te­run­gen, den Ab­bau von Agrar­sub­ven­tio­nen so­wie Hil­fen für Ent­wick­lungs­län­der. At­tac hat es als »ein De­sas­ter für ei­ne ge­rech­te Welt­han­dels­ord­nung« be­ur­teilt. Denn die WTO will Agrar­sub­ven­tio­nen be­sei­ti­gen, die als »han­dels­ver­zer­rend« be­zeich­net wer­den. Vie­le Ent­wick­lungs­län­der sub­ven­tio­nie­ren Grund­nah­rungs­mit­tel, um die Er­näh­rung ih­rer Be­völ­ke­rung si­cher­stel­len.

­Die FAZ be­rich­te­te von den Ver­hand­lun­gen auf Ba­li am 5. De­zem­ber ver­gan­ge­nen Jah­res. Zi­tat: »Im Kern geht es dar­um, ob In­di­en und ei­ne Grup­pe von 46 Ent­wick­lungs­län­dern staat­lich auf­ge­kauf­tes Ge­trei­de stark ver­bil­ligt an die Ar­men in ih­ren Län­dern ab­ge­ben dür­fen.«

­Der in­di­sche Han­dels­mi­nis­ter Anand Shar­ma lehn­te ei­nen Kom­pro­miss beim Grund­recht auf Nah­rung ab. Auch von ei­ner vier­jäh­ri­gen Über­gangs­frist woll­te er nichts wis­sen. »Die Sturm­wol­ken ei­nes Schei­terns hän­gen di­rekt über uns«, for­mu­lier­te für die EU de­ren Han­dels­kom­mis­sar Ka­rel De Gucht. Der ame­ri­ka­ni­sche Han­dels­be­auf­trag­te Mi­cha­el Fro­man sag­te, kein WTO-Mit­glied kön­ne al­les be­kom­men, was es wol­le. WTO-Ge­ne­ral­di­rek­tor Ro­ber­to Aze­vêdo be­schwor die Mi­nis­ter, sich in letz­ter Mi­nu­te zu ei­ner Ei­ni­gung durch­zu­rin­gen. In Deutsch­land äu­ßer­te sich der Bun­des­ver­band der Deut­schen In­dus­trie be­sorgt. »Auch die letz­ten Blo­ckie­rer soll­ten das Ge­samt­in­ter­es­se ih­rer Län­der im Au­ge be­hal­ten und sich ei­nen Ruck ge­ben«, for­der­te für die Ver­bands­spit­ze de­ren Mit­glied Ste­fan Mair.

­Die FAZ wört­lich: »Die Vor­schlä­ge für die Mi­nis­ter­kon­fe­renz, das so­ge­nann­te Ba­li-Pa­ket, um­fas­sen ne­ben dem Ab­bau von Agrar­sub­ven­tio­nen noch die Ver­ein­fa­chung von Zoll­for­ma­li­tä­ten so­wie er­leich­ter­te Ex­port­mög­lich­kei­ten für be­son­ders ar­me Ent­wick­lungs­län­der. Der Wi­der­stand ge­gen In­di­en rührt auch aus der Be­fürch­tung, dass an­de­re Län­der aus dem Sub­kon­ti­nent her­aus mit bil­li­gen Le­bens­mit­teln über­schwemmt wer­den könn­ten.«

Das ist an­ge­sichts von fast ei­ner Mil­li­ar­de hun­gern­der Men­schen auf dem Glo­bus ein sel­ten of­fe­ner Zy­nis­mus. Nur not­dürf­tig im Wirt­schafts­teil die­ser groß­bür­ger­li­chen Zei­tung hin­ter der an­geb­li­chen Sor­ge für die Ex­port­mög­lich­kei­ten ar­mer Ent­wick­lungs­län­der ver­steckt.

­Ver­di schätzt, dass vor al­lem die wirt­schaft­lich star­ken Län­der und Wirt­schafts­ge­bie­te (USA, EU, Ja­pan) von die­sem Ab­kom­men pro­fi­tie­ren wer­den, wäh­rend die In­ter­es­sen der auf­stre­ben­den Län­der La­tein­ame­ri­kas, Afri­kas und Asi­ens kaum Ge­hör fin­den und ih­re Po­li­tik im­mer wie­der als »han­dels­ver­zer­rend« in Fra­ge ge­stellt wird. So­zia­le Rech­te, wie sie in den Nor­men der In­ter­na­tio­na­len Ar­beits­or­ga­ni­sa­ti­on (ILO) fest­ge­legt sind, sind bis heu­te nicht im WTO-Ab­kom­men ver­an­kert und wer­den eben­so wie Um­welt­stan­dards den Han­dels­in­ter­es­sen un­ter­ge­ord­net. Da­zu ge­hö­ren u.a. das Ver­bot der Kin­der­ar­beit, von Zwangs­ar­beit und das Recht auf freie ge­werk­schaft­li­che Be­tä­ti­gung. Die WTO ist ein­sei­tig auf frei­en Han­del aus­ge­rich­tet, Rech­te der Men­schen, Men­schen­rech­te spie­len kei­ne Rol­le. Das TTIP wä­re ein wei­te­res Ver­trags­werk zur bra­chia­len Durch­set­zung von der­ar­ti­gen Li­be­ra­li­sie­run­gen im Welt­han­del.

Olaf hat üb­ri­gens ein Ar­gu­ment in sei­nem PV-Re­fe­rat aus­ge­spart. Denn selbst gel­ten­de EU-Nor­men wer­den nach Ein­schät­zung von Ver­di als Han­dels­hin­der­nis ge­se­hen. Ein sol­ches Ar­gu­ment pass­te viel­leicht nicht in die De­bat­te um das EU-Wahl­pro­gramm, des­sen Be­schluss­fas­sung am sel­ben Ta­ge an­stand.

Z­war ha­be die EU-Kom­mis­si­on ver­si­chert, meint Ver­di, in den Ver­hand­lun­gen ei­nen ehr­gei­zi­gen Kurs zu ver­fol­gen und vor­han­de­ne Stan­dards nicht zu un­ter­lau­fen. Ame­ri­ka­ni­schen und eu­ro­päi­schen Lob­by­is­ten sei­en je­doch die eu­ro­päi­schen Vor­schrif­ten zum Um­welt-, Ver­brau­cher- und Kli­ma­schutz ein Dorn im Au­ge. Nicht nur die eu­ro­päi­schen Nach­hal­tig­keits­stan­dards bei Bio­kraft­stof­fen, auch die an­geb­lich zu lang­sa­me Zu­las­sung und Kenn­zeich­nung von Gen­tech­nik-Le­bens­mit­teln, die Wei­ter­ent­wick­lung der EU-Che­mi­ka­li­en­richt­li­nie REACH und der EU­RO­Norm für Au­to-Emis­si­ons­wer­te wür­den den US-Ex­port­in­ter­es­sen zu­wi­der lau­fen. Un­ter­neh­men und In­ter­es­sen­ver­tre­ter der Wirt­schaft üb­ten so­mit Druck auf das in den EU-Ver­trä­gen fest­ge­leg­te Vor­sor­ge­prin­zip aus. Ei­ne ent­schei­den­de Rol­le könn­te hier auch das In­ves­to­ren/Staat-Streit­schlich­tungs­ver­fah­ren spie­len, in­dem es Fir­men die Mög­lich­keit bie­tet, ge­gen Um­welt- und Kli­ma­schutz­vor­schrif­ten zu kla­gen.

Auch die fol­gen­den Sät­ze fin­den sich in dem Ver­di-Pa­pier: »Die weit­ge­hen­de Li­be­ra­li­sie­rung und Pri­va­ti­sie­rung von ge­sell­schaft­lich not­wen­di­gen Gü­tern wie Was­ser, Bil­dung und Ge­sund­heit stellt schon lan­ge ein be­son­de­res In­ter­es­se vie­ler pri­vat­wirt­schaft­li­cher Dienst­leis­tungs­an­bie­ter dar. Im Zu­ge des TTIP könn­te es da­her auf Druck sol­cher Un­ter­neh­men zu Re­ge­lun­gen kom­men, die Pri­va­ti­sie­run­gen for­cie­ren. Die pro­fit­ori­en­tier­te Ver­mark­tung z.B. von Bil­dung und Ge­sund­heit birgt die Ge­fahr von Qua­li­täts­ein­bu­ßen, Preis­stei­ge­run­gen und ei­ner Aus­gren­zung ein­kom­mens­schwa­cher Be­völ­ke­rungs­grup­pen.«

­Für At­tac ist das TTIP Schwer­punkt. Die Zeit drängt. Es muss mo­bi­li­siert wer­den: Zu­sam­men­ge­fasst: mit TTIP wird der »grö­ß­te bi­la­te­ra­le Han­dels­de­al« al­ler Zei­ten ver­han­delt. Be­reits jetzt er­wirt­schaf­ten die EU und die USA ge­mein­sam fast die Hälf­te des glo­ba­len BIP (47 %). Es geht al­so um nicht we­ni­ger als die grö­ß­te Frei­han­dels­zo­ne der Welt. Al­les steht zur Dis­po­si­ti­on: Fi­nanz­markt­re­geln, Ar­beit­neh­mer­rech­te, Um­welt­stan­dards und Vie­les mehr.

  • Zöl­le im trans­at­lan­ti­schen Han­del mit in­dus­tri­el­len und land­wirt­schaft­li­chen Er­zeug­nis­sen sol­len mög­lichst voll­stän­dig ab­ge­baut wer­den.
  • Dienst­leis­tungs­sek­to­ren sol­len mög­lichst weit ge­öff­net wer­den. U.a. steht der wei­te­re Ab­bau von Fi­nanz­markt­re­geln auf der Agen­da.
  • Für In­ves­ti­tio­nen soll »das höchs­te Li­be­ra­li­sie­rungs- und In­ves­ti­ti­ons­schutz­ni­veau« er­reicht wer­den. Kon­zer­ne sol­len ge­gen Staa­ten kla­gen kön­nen, wenn sie durch po­li­ti­sche Maß­nah­men ih­re Ge­winn­aus­sich­ten be­droht se­hen.
  • Das öf­fent­li­che Be­schaf­fungs­we­sen soll auf al­len Ebe­nen ge­öff­net wer­den. So­zia­le und öko­lo­gi­sche As­pek­te könn­ten dann nur noch sehr ein­ge­schränkt bei der Auf­trags­ver­ga­be be­rück­sich­tigt wer­den.
  • Der schwa­che Ar­beit­neh­me­rIn­nen-Schutz in den USA, der sich bspw. in der Nicht-Un­ter­zeich­nung zen­tra­ler glo­ba­ler Stan­dards (ILO-Nor­men) wi­der­spie­gelt, könn­te zu ei­ner Aus­höh­lung ge­werk­schaft­li­cher Ein­fluss­mög­lich­kei­ten in der EU füh­ren.
  • Ein um­fas­sen­der Schutz geis­ti­gen Ei­gen­tums könn­te den Zu­gang zu Wis­sen ex­klu­si­ver ma­chen und den Ein­fluss von Ban­ken und Kon­zer­nen auf Bil­dung und Wis­sen­schaft er­hö­hen.
  • Im Be­reich der öf­fent­li­chen Da­seins­vor­sor­ge (Was­ser, Bil­dung, Ge­sund­heit etc.) könn­te es zu ei­ner Pri­va­ti­sie­rungs­wel­le kom­men – zu er­war­ten wä­ren stei­gen­de Prei­se und sin­ken­de Qua­li­tät.

Klaus Stein, 18. Februar 2014
Grafik: Datastat | Wikipedia 16. Oktober 2011
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