Politik

Bergwerksunglück in der Türkei

»Wütend auf die Hintermänner aus Kapital und Regierung«

Internationaler Protest gegen »Massaker« und »Mord« in der Grube in Soma

Im Dunkel: Trauernde Bergarbeiter mit Grubenlampen an den Helmen.

15. Mai 2014 | Hef­ti­ge Pro­tes­te rich­te­ten sich ge­gen die Berg­werks­lei­tung der Soma Kö­mür­le­ri A.$ und – mehr noch – ge­gen Mi­nis­ter­prä­si­dent Re­cep Tay­yip Er­do­gan und sei­ne von der Ada­let ve Kalknma Par­ti­si (AKP) ge­tra­ge­nen Re­gie­rung nach der Gru­ben­ka­ta­stro­phe von So­ma in der West­tür­kei. Pa­trik Kö­be­le, Vor­sit­zen­der der DKP, kon­do­lier­te: »Wir trau­ern mit den Fa­mi­li­en und Freun­den der Berg­leu­te. Wir sind wü­tend auf die Hin­ter­män­ner aus Ka­pi­tal und Re­gie­rung, die die Ver­ant­wor­tung für die­ses grau­en­vol­le Un­glück tra­gen.«

Den Tod von mehr als 280 Kum­peln be­zeich­ne­ten wü­ten­de De­mons­tran­ten in Is­tan­bul als »Mord«. Die Kon­fö­de­ra­ti­on der Re­vo­lu­tio­nä­ren Ar­bei­ter­ge­werk­schaf­ten der Tür­kei (DISK) sprach von ei­nem »Mas­sa­ker«. Die För­de­ra­ti­on De­mo­kra­ti­scher Ar­bei­ter­ver­ei­ne (DIDF) sieht die Ver­ant­wor­tung eben­falls bei der AKP-Re­gie­rung und dem Ka­pi­tal: »Die Aus­ru­fung ei­nes drei­tä­ti­gen Staats­trau­er­ta­ges, die Ab­sa­ge der Al­ba­ni­en­rei­se des Mi­nis­ter­prä­si­den­ten, die Bei­leids­be­kun­dun­gen, die An­we­sen­heit des En­er­gie­mi­nis­ters, Ta­ner Yil­diz, vor Ort; das al­les dient nur zur Ver­ber­gung der Ge­scheh­nis­se. Die Trä­nen, die sei­tens der Re­gie­rung ver­gos­sen wer­den, sind in Wahr­heit nichts an­de­res als Kro­ko­dils­trä­nen!«

Er­do­gan hat­te die Em­pö­rung mit sei­nen be­schwich­ti­gen­den Er­klä­run­gen für die Ur­sa­chen der bis­lang grö­ß­ten Berg­werks­ka­ta­stro­phe pro­vo­ziert: »Sol­che Un­fäl­le pas­sie­ren stän­dig.« Er ver­glich So­ma mit ei­nem Un­glück in Eng­land von 1862. Noch sar­kas­ti­scher wur­de er mit der Aus­sa­ge »Ster­ben ge­hört zum Schick­sal von Berg­ar­bei­tern.« Prof. Dr. Or­han Ku­ral, ein So­ma-»Spe­zia­list«: »Der Tod durch Kar­bon­mon­oxid ist ein sü­ßer Tod. Sie wür­den kei­nen Schmerz spü­ren. Zu ver­bren­nen ist ein qual­vol­ler Tod. Ich wür­de mir, für mich, auch ei­nen schmerz­lo­sen Tod wün­schen«.

Ein von den Op­po­si­ti­ons­par­tei­en ge­for­der­ter Un­ter­su­chungs­aus­schuss wur­de von der AKP mit ih­rer Par­la­ments­mehr­heit ab­ge­lehnt. Das staat­li­che Berg­werk war von der Re­gie­rung pri­va­ti­siert, von En­er­gie­mi­nis­ter Ta­ner Yil­diz (AKP) ein­ge­weiht und als »die si­chers­te Mi­ne Eu­ro­pas« be­zeich­net wor­den.

­Die Aus­beu­tung der So­ma Hol­ding AG gilt nicht nur den Flö­zen, son­dern auch den Berg­leu­ten: Die lau­fen­den Kos­ten sol­len um 60 Pro­zent ge­senkt wer­den: Leih­ar­bei­ter er­set­zen Berg­leu­te. DIDF zieht Bi­lanz: »In der 12-jäh­ri­gen Re­gie­rungs­zeit der AKP wur­den über 14 000 Ar­bei­ter bei Ar­beits­un­fäl­len er­mor­det. Wir ha­ben kei­nen un­se­rer ar­bei­ten­den Brü­der oder Schwes­tern ver­ges­sen und wer­den sie nie ver­ges­sen!« In der Tür­kei gibt es So­li­da­ri­täts­streiks. Die Re­gie­rung setzt Was­ser­wer­fer ge­gen den Pro­test ein.

In Deutsch­land wird die So­li­da­ri­tät bei Mahn­wa­chen, et­wa vor dem DGB-Haus in Düs­sel­dorf, ge­zeigt. Ne­ben der DKP und dem Tür­kei­zen­trum zeig­te sich auch der Deut­sche Ge­werk­schafts­bund (DGB) so­li­da­risch.

Uwe Koopmann