Politik
»Kongress der Solidarität« am 13. Juni in Brüssel
Bericht vom Abschlusstreffen der Kongressmitglieder der PTB
Zweitausend Mitglieder der PTB und Dutzende Gäste versammelten sich in Brüssels Expo 2000 am Heysel-Stadion zum ersten Parteitag, seit die Partei ins nationale Parlament gewählt wurde. Dabei wurden die neuen Leitlinien der Partei vorgestellt und Peter Mertens für eine zweite Amtszeit als Präsident der PTB in seinem Amt bestätigt.
Wir waren als Freunde und Sympathisanten der PTB eingeladen. Auf dem zweisprachigen (fr./nl.) Abschlusskongress präsentierte die Partei unter dem Titel »Verbreitern – Verbinden – Vertiefen« ihre neuen Leitlinien, die über ein Jahr in insgesamt 37 Kommissionen mit 415 Delegierten der Basisorganisationen diskutiert und erarbeitet sowie auf zwei vorausgegangenen Kongressen beschlossen wurden. Mit diesem Kongress fanden sie ihren krönenden Abschluss.
Schon zu Beginn des Kongresses um 13:00 Uhr herrschte eine Atmosphäre des Aufwinds und der Zuversicht. Kein Wunder: Die Partei hat ihre Mitgliedschaft seit ihrer Erneuerung im Jahre 2008 verdreifacht – von 2.885 auf nahezu 10.000 Mitglieder und ihren landesweiten Stimmenanteil vervierfacht – von 50.000 Stimmen auf 250.000 Stimmen bei den Wahlen 2014. Dieser Erfolg fand auch in den Begrüßungsworten Raoul Hedebouws, dem Nationalen Sprecher der PTB, seinen Ausdruck: »Seit der Wiederbelebung der Partei im Jahre 2008 haben wir es geschafft, den sozialen Widerstand bis ins Parlament zu tragen!«
Im europäischen Teil »Athen – Barcelona – Brüssel« konnten zwei besondere Gäste begrüßt werden: Aus Griechenland kam Dikaios Psikakos vom Solidarity4All-Bündnis. Die Arbeit dieser NGO umfasst unter anderem Aktionen rund um die Gesundheitsversorgung und um den Zugang zu Elektrizität in Griechenland. Die griechische Frage steht mehr denn je im Zentrum der politischen Auseinandersetzungen Europas.
Aus Spanien kam José Enrique Alonso Velasco. Er ist einer der Führer des »Bündnisses der Opfer der Hypotheken / Plataforma de Afectados por la Hipoteca« (PAH), die durch den vor kurzem zum Bürgermeister der katalanischen Hauptstadt gewählten Bürgermeisterin Ada Colau gegründet wurde. José Enrique selbst erhielt mit der Liste ImaginaBurgos 20 % der Stimmen in Burgos. Die Opfer der Hypotheken wurden massenhaft aus ihren Wohnungen und Häusern vertrieben, da sie aufgrund der Krise in Spanien die Zinsen für ihre Hypotheken nicht mehr bedienen konnten.
Die Beiträge der beiden Sprecher waren von dem neuen Gegenwind und der wachsenden Opposition gegen die europäische Sparpolitik gekennzeichnet. Beide Sprecher erhielten Standing Ovations. Die europäische Solidarität lebt, dies war deutlich auf dem Kongress zu spüren.
Auch aus Belgien sprachen verschiedene Referenten aus der belgischen Zivilgesellschaft, den Gewerkschaften und den sozialen Bewegungen: So ergriffen Werner Van Heetvelde (AC-FGTB), Ferre Wyckmans (LBC-ACV), Ilse De Vooght (Femma), Natalie Eggermont (Climate Express) und Sprecher der Bewegung »Stand Up Diversity« ( Vielfalt macht uns stärker) das Wort, um über die neuen Leitlinien der Partei zu reflektieren und ihre Standpunkte zu verdeutlichen. Die einzelnen Beitrage wurden vom Publikum vielfach mit begeistertem Beifall bedacht.
Peter Mertens wurde mit 93,9 Prozent für eine zweite Amtszeit als Vorsitzender der Partei wiedergewählt. Mertens versteht das Ergebnis als Zeichen der großen Solidarität und vor allem des Vertrauens der Parteimitglieder in die neuen Leitlinien, die die PTB seit ihrer Erneuerung entwickelt hat: »Unsere Partei wird nicht in feindliche Lager geteilt. Es besteht ein breiter Konsens darüber, die Erneuerung der Partei fortzusetzen«, freut sich der Präsident. Die PTB hat ihre neuen Leitlinien unter den Titel »Verbreitern, Verbinden, Vertiefen« gestellt. »Wir sind eine Partei der Arbeiterklasse und wollen dies offensichtlich bleiben«, sagte Peter Mertens. Aber die Arbeiterklasse ist vielfältiger als in der Vergangenheit. Zusätzlich zu den Fabrikarbeitern, wollen wir auch die Krankenschwestern, Lehrer und Zeitarbeiter organisieren...«
Noch überraschender: Die PTB will ausdrücklich auch andere gesellschaftliche Gruppen, wie kleine Gewerbetreibende und Kleinbauern ansprechen. »Es sind nicht die Bäcker, Bio-Bauern und Floristen, die ihre dürftige Gewinne auf einem geheimen Konto in der Schweiz parken. Immer mehr Gewerbetreibende und Kleinunternehmer unterstützen die Forderungen unserer Partei. Die Klasse der ArbeiterInnen muss notwendigerweise mit den Jugendlichen, Bauern und Gewerbetreibenden eine progressive Allianz eingehen, um stärker gegen den selben Feind zu sein«, sagte Mertens in seiner Rede.
»Verbreiterung bedeutet: Vergrößerung unserer Vision, Verbreiterung ist, unseren Horizont zu erweitern«, sagte der Präsident der PTB. »Verbleiben wir also nicht nur bei den Themen, die uns bekannt gemacht haben: der immer noch zentralen Forderung der ›Millionärssteuer‹, der Steuergerechtigkeit, Pensionen, Energie, Löhne, Gesundheit. Diese Themen sind und bleiben natürlich unsere Stärken. Aber wir müssen uns auch viel mehr mit den Themen Demokratie, Frieden, Kultur, Vielfalt, Antirassismus, Umweltverschmutzung und globale Erwärmung beschäftigen. All dies hat auch ein Teil unserer DNA zu sein! «
Darüber hinaus wird die PTB ihre besondere Priorität auf ökologische Fragen legen.
»Es ist nicht der Markt, der den Klimawandel lösen kann. Wir werden für das Recht auf die biologische Vielfalt und das Recht auf eine lebenswerte Welt zu kämpfen haben. Diese Konferenz«, so Peter Mertens, »hat festgestellt, dass die sozialen und ökologischen Kämpfe zusammen Hand in Hand durchgeführt werden müssen.«
Eine weitere wichtige Debatte auf der Konferenz war die Diskussion über die Stellung der Frau in der Partei. Schließlich beschloss der Kongress, die Quote für Frauen in der nationalen Führung einzuführen. »Ich freue mich, dass wir dieser Maßnahme zugestimmt haben, um eine Menge von jungen, talentierten Frauen in unserer Führung zu wählen«, sagte Mertens. »Zwei Drittel der Mitglieder der neuen Verwaltung sind neu. Wir können auf ein engagiertes Team von 45 Menschen aus dem ganzen Land zählen, um die Arbeit unserer Partei weiter zu verbreitern, zu verbinden und zu vertiefen.«
»Es ist dringend notwendig, dass wir diese Welt des »Jeder für sich« in eine Welt von »Uns« verändern. Höchste Zeit, dass wir diese Welt in eine »Wir«-Welt transformieren! In diesen Zeiten der Unsicherheit, des Stresses und der Überlastung sind immer mehr Menschen auf der Suche nach ihrem Platz in der Gesellschaft, nach ihrer Identität und nach einer Weltsicht, die zur Aufhellung in einem Meer von Oberflächlichkeit und Verwirrung führen kann«, sagte der Präsident der PTB. »Wir brauchen eine andere Sichtweise auf die Welt und den Planeten Erde, einen Paradigmenwechsel. Die Menschen streben nach anderen Möglichkeiten der Organisation der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse um gemeinsam an einem Leben zu bauen, das Sinn macht. Eine Gesellschaft muss sich an dem Rhythmus der Menschen orientieren und mit die Ressourcen seiner Umwelt schonend umgehen. Das ist unsere Vision eines neuen Sozialismus, des Sozialismus 2.0. Das ist die gesellschaftliche Debatte, die wir führen. Denn es ist dringend notwendig, diese Welt des »Jeder für sich« in eine Welt des »Wir« zu transformieren. In der Welt des »Jeder für sich« ist jeder Einzelne verwundbar. In der Welt des »Wir«, sind wir zusammen, um gemeinsam stark zu sein.«
Nach dem gemeinsamen Singen der »Internationale« trafen sich anschließend die Teilnehmer des Kongresses bei einem Imbiss. Dort hatten wir die Gelegenheit, mit dem Genossen Peter Mertens einige Worte zu wechseln. Insgesamt war dies eine eindrucksvolle Veranstaltung – mit erwähnenswerten künstlerischen Darbietungen zwischen den Wortbeiträgen – auf der deutlich wurde, wie eng diese Partei mit den europäischen sozialen Bewegungen verbunden ist.
Wir freuen uns daher ganz besonders auf unser erstes Treffen des Kölner Kreisvorstandes mit den Lütticher Genossen, um unsere Zusammenarbeit auch auf kommunaler Ebene zu intensivieren.
Wolfgang Reinicke-Abel