Politik
Flucht, Verfolgung und Solidarität
«Den Menschen wird nicht erlaubt, die Lager zu verlassen…»
Selbst das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) hat die Nase voll. Es ist nicht länger bereit, in den Aufnahmelagern («Hotspots») bei der Registrierung mitzuwirken, da diese Lager inzwischen zu «Internierungslagern» verkommen seien. Sprecherin Melissa Fleming erklärte: «Den Menschen wird nicht erlaubt, die Lager zu verlassen, sie sind eingesperrt.» Es bleibe für das UNHCR nur die medizinische Hilfe. Das UNHCR wird sich nicht an der Abschiebung «illegaler» Flüchtlinge – Beginn: 4. April – in die Türkei beteiligen.
«Ärzte ohne Grenzen» beendete auf Lesbos ebenfalls seine Arbeit im Lager «Moria», das die griechische Syriza/ANEL-Regierung in einem ehemaligen Gefängnis einrichtete. Weitere Lager gibt es auf den Inseln Chios, Samos, Leros und Kos. Mehr als 50.000 Flüchtlinge sind in Griechenland eingekesselt, Tausende auf den Inseln, mehr noch auf dem Festland. Wer das griechische Territorium vor dem EU-Türkei-Deal erreicht hat, kann sich weder vorwärts noch rückwärts bewegen. Im Osten ist die Türkei für die Flüchtlinge keine Alternative. Im Norden ist die Balkan-Route versperrt. Die letzten «Stopp-Schilder» und Schusswaffenträger stehen an den Grenzen von Österreich und Bayern. Die «Asylrechtspflege» in Berlin, Wien und an anderer Stelle zeigt Wirkung: Die Zahl der Flüchtlinge ging in den ersten drei Monaten des Jahres um mehrere 10.000 zurück.
Aus Protest übergoss sich ein Flüchtling im Lager Idomeni mit Benzin und zündete sich an. 13.000 Flüchtlinge harren vor dem Stacheldraht an der Grenze von Mazedonien. Wer in Griechenland nachweisen kann, dass er in der Türkei verfolgt würde, wird nicht nach Kleinasien abgeschoben. Da Frau Merkel aber die Türkei offensichtlich für ein sicheres Land hält, dürfte die Beweisführung schwierig werden.
In Griechenland werden die Rechtsverhältnisse auf den Kopf gestellt. Die Flüchtlinge dürfen nur noch «legal» einreisen. Wer die Einreise trotz NATO- und FRONTEX-Abschreckung geschafft hat, soll von griechischen Stellen registriert werden. Aber Griechenland verfügt nicht über das entsprechende Personal. Deutschland ist nicht ganz unerfahren, wenn es um Selektionen und Deportation geht.. Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) in der Westdeutschen Zeitung: «Wir werden uns daran beteiligen. Die ersten deutschen Experten sind bereits in Griechenland im Einsatz, weitere machen sich auf den Weg.» Ministerpräsident Alexis Tsipras (Syriza) forderte von Merkel «Unterstützung». Er denkt an mindestens 2.300 «Experten». Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) will 100 «Asylentscheider» und Sekretariatskräfte schicken. Da, wo Entscheider fehlen, übernehmen Stacheldraht und Maschinenpistolen, das Asylpaket II und das Gesetz zur erleichterten Ausweisung den Abwehrkampf. Dafür wurden die Weichen im CDU/CSU/SPD-Kabinett bereits für 2017 gestellt: Die Bundespolizei bekommt 3.000 neue Stellen. Weitere 630 Millionen Euro fließen bis 2020 in ein Sicherheitspaket für neue »Sachmittel».
Wie anders mit Flüchtlingen und Asylbewerbern umgegangen wird, belegten in letzter Zeit KKE, KNE und PAME mit ihren Solidaritätskampagnen im In- und Ausland. Aktionskomittees in vielen Städten Deutschlands sammelten in den letzten Wochen Hilfsgüter für Flüchtlinge, die Anfang April nach Thessaloniki transportiert werden. Von dort wird die Gewerkschaft PAME die Spenden an die verschiedenen Flüchtlingscamps Nordgriechenlands verteilen. Gesammelt wurden vor allem Sanitärartikel, Rettungsdecken, Artikel für Babys und Kleinkinder, Vitamine und Fertigessen. Die Resonanz in den deutschen Städten war überwältigend – nicht zuletzt durch die Unterstützung von Gewerkschaften und der DKP.
Uwe Koopmann
Foto: Bettina Ohnesorge