Politik

Nach der Saar-Wahl

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Zwei Tage zuvor winkte die SPD die PKW-Maut durch

Landtagswahlen Saarland, 26. März 2017. Am Montag nach der Wahl feierte die großbürgerliche Frankfurter Allgemeine ein «Fest der Demokratie». Leitartikler Günter Bannas war ganz aus dem Häuschen. In die Mottenkiste des politischen Feuilletons bannen wollte er die Worte der Schwarzmaler: Weder sei die Bundesrepublik unregierbar, noch seien die politischen Eliten korrupt noch die Parteien leblos oder abgehoben.

Man sieht förmlich die schreckgeweiteten Augen, wenn es anders gekommen wäre. Was war geschehen? Und was ist zu erwarten, zumal in NRW, wo am 14. Mai der neue Landtag gewählt wird?

So oder so war es knapp. Offenbar belebte die Möglichkeit einer rot-roten Koalition die öffentliche Phantasie. Über dem kleinen Land schimmerte einige Momente lang Hoffnung auf einen Wechsel, der auf die Bundespolitik durchschlagen könnte.

Zunächst einmal ist die hohe Wahlbeteiligung bemerkenswert: 69,7 Prozent. Bei der Landtagswahl 2012 waren es 61,6%. Die Differenz beträgt in absoluten Zahlen 48.500. Der Zuwachs erklärt den prozentualen SPD-Verlust. Sie kam von 30,6 auf 29,6 Prozentpunkte, obwohl mehr Wähler als 2012 für die SPD votierten. Wenige Tage zuvor hatten die Umfragen der SPD 33 Prozent zugebilligt, der CDU 36. Die CDU kam aber auf 40,7%, fast fünf Prozent mehr als in den Prognosen.


Eine Überraschung

2012 betrug die Zustimmung für die CDU 35,2 Prozent, sie überzeugte 169.617 WählerInnen. Am vergangenen Sonntag konnte sie einen Zuwachs von 47.648 Stimmen registrieren.

Woher kommen die? Wenn man «infratest dimap» vom Wahlabend glauben darf, stammen 28.000 von bisherigen Nichtwählern, während sich die SPD mit 13.000 aus dieser Quelle begnügen muss.

Die Zustimmung zu den Grünen fiel von 24.252 (5%) auf 21.392 (4,0%) Stimmen. Sie scheiden aus dem Landtag aus, ebenso wie die Piraten.

Deren Stimmenanteil war im Jahr 2012 angesichts von Schnüffelei und Netz-Zensur empört von Null auf 7,4 Prozent gesprungen. Am vergangenen Wahlsonntag schrumpften sie auf 3.979 Wählerstimmen = 0,7 Prozent. Wohin die 32.000 piratischen Stimmen wanderten, verschweigt uns infratest dimap.

Die Zustimmung zur Linkspartei geriet in den Bereich westlicher Normalquoten. Noch 2009 lag sie bei 21,3 Prozent (113.664 WählerInnen), 2012 bei 16,1 Prozent (77.612), am vergangenen Sonntag 12,9 Prozent (68.566). Dennoch hätte es rechnerisch fast für eine Linkskoalition gereicht. Denn SPD (17 wie 2012) und Linke (7 statt 9) werden zusammen über 24 Sitze im Landtag verfügen wie die CDU allein (vorher 19). Unter diesen Bedingungen dürfte sich die SPD wieder für die große Koalition entscheiden.

Statt zwei Grünen und vier Piraten sitzen im Landtag nunmehr 3 Abgeordnete der AfD. Noch im Januar lag die AfD in Umfragen bei 10%. Ihre 32.935 Stimmen (6,2%) stammen von 8.000 Nichtwählern und von 11.000 «Anderen», also kleineren Parteien, die in der ARD-Auswertung nicht gesondert ausgewiesen werden.

Die NPD halbierte sich, sie kam auf 0,7 Prozent.

Am 21. Januar, einen Tag nach seiner Amtseinführung, feierten in Koblenz Europas Rechtspopulisten Trumps Wahl zum US-Präsidenten.

Der erhoffte Rückenwind scheint indes auszubleiben. Im Gegenteil, die europäische Öffentlichkeit ist alarmiert. In den USA wird die Machtbalance neu austariert. Die ersten zwei Monate unter Trumps Präsidentschaft deuten auf ein Debakel für die milliardenschweren Kreationisten, Tea-Party-Repblikaner und Rassisten in der neuen US-amerikanischen Regierung. Aber auch für ihre politischen Freunde in Europa. Merkel samt CDU profitieren von der betonten Distanz zu Trump. Das stärkt die Große Koalition, die Ende des Monats die Ergebnisse der Saar-Wahl mit Verfassungsänderungen feiern will.

Ein großes Vorhaben der Großen Koalition mit ihrer grundgesetzändernden Mehrheit war die Neuordnung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern. Die Länder akzeptierten die Zentralisierung der Finanzkompetenzen beim Bund. Nun sind einige Grundgesetzänderungen fällig. Das soll schon am 30. oder 31. März erledigt werden. Wegen aufkommendeer Diskussionen verzögert sich die Beschlussfassung womöglich. Zu ändern sind auf Vorschlag der Bundesregierung die Artikel 90, 91c, 104b, 104c, 107, 108, 109a, 114, 125c, 143d, 143e, 143f und 143g.

Unter anderem wird der Bund künftig für Ausbau und Erhalt des deutschen Fernstraßennetzes zuständig sein. Wir sollen eine «Infrastrukturgesellschaft Verkehr» bekommen. Deren privatrechtliche Fassung eröffnet mit den Autobahnen dem – angesichts der Krise verzweifelt anlagesuchenden – Kapital neue Gelegenheiten der Verwertung. Im künftigen GG-Artikel 90 soll es heißen: «Die Verwaltung der Bundesautobahnen wird in Bundesverwaltung geführt. Der Bund kann sich zur Erledigung seiner Aufgaben einer Gesellschaft privaten Rechts bedienen.» So kommt die Privatisierung der Autobahnen durch die Hintertür und erscheint noch praktisch angesichts der Schuldenbremse. Denn die Kredite für die «Infrastrukturgesellschaft Verkehr» werden nicht dem Bundeshaushalt zugerechnet. Die Autofahrer werden sie mittels Maut bedienen müssen.

Aber die SPD glaubt oder will uns glauben machen, es werde keine Privatisierung geben. Die Beschäftigten müssten auch keine Sorgen um die Arbeitsplätze haben, sagte sie noch vor kurzem. Die SPD-Abgeordneten haben sich etwas geziert, dann aber schon mal der PKW-Maut zugestimmt – am 24. März, zwei Tage vor der Saar-Wahl. Pünktlich.

Text und Foto: Klaus Stein