Soziales
Gerecht. Sozial. Bezahlbar.
Wien oder Düsseldorf?
«Gerecht. Sozial. Bezahlbar.»
So lautete das Thema eines Symposions, das die Düsseldorfer Gruppe des Bundes Deutscher Architekten (BDA) am 5. Juni im Stadtmuseum veranstaltete. Es ging um «Lösungen, innovative Konzepte und Denkanstöße rund um das fundamentale Menschenrecht auf die eigene, bezahlbare Wohnung».
In Düsseldorf geht die Planung von Stadt und Investoren allerdings vornehmlich dahin, optimale Bedingungen für maximale Profite zu gestalten. Als Beispiele gelten das neue mondäne Viertel Grafental auf dem Gelände des ehemaligen KZ-Außenlagers Berta I und das französische Viertel «Le Flair» zwischen der Toulouser Allee und dem Derendorfer KZ-Deportationsbahnhof. Zu einem historischen Sprung aus der grausamen Vergangenheit in die Gegenwart passt die Beschreibung: Viertel volles Leben, hochwertiges Wohnen, anspruchsvolles Ambiente. Objekt-Nummer 8032: 2-Zimmer-Wohnung (60 m2), möbliert, Miete: 1.950 Euro pro Monat. Aus der Beschreibung: «Der Balkon lädt zum Sonnenbaden und Entspannen ein».
Ein anderes Viertel, das Glasmacher-Viertel auf der Brache der Gerresheimer Glashütte, steht seit 2005 mit wechselnden Besitzern in den Startlöchern. Hier wird noch nicht gebaut, sondern der Preis durch Nichtstun in die Höhe katapultiert. Die Reihenfolge: Owens Illinois, Inc (Ohio, USA) verkauft an die Patrizia Immobilien AG (Augsburg), Patrizia verkauft an Brack Capital Properties NV (Niederlande): Aus der Brack Properties NV wird die Glasmacherviertel GmbH & Co. KG, Neumannstraße 6, 40235 Düsseldorf ausgegliedert.
Erstes von etwa 30 Angeboten an Patrizia: 60 Millionen Euro, letztes Angebot: mindestens 120 Millionen Euro. 15 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter werden erwartet. Gemäß dem «Handlungskonzept Wohnen» werden 40 Prozent der 1500 Wohnungen öffentlich gefördert. So bleibt eine Miete von 9,60 Euro pro Quadratmeter. So subventioniert die Stadt Düsseldorf durch die Hintertür den Investor, ohne dass die Miete – gemessen am Düsseldorfer Mietspiegel – wirklich billiger wird. Neben den 1.500 Wohnungen werden auch die Zahlen 1.600 (Ulrich Tappe, Geschäftsführer der neuen Glasmacherviertel GmbH) und 1.800 (Planungsamtsleiterin Ruth Orzessek-Kruppa) genannt...
Es geht auch ganz anders. Prof. Niklaus Fritschi, Düsseldorf, stellte dazu das Quartier Heinrich-Könn-Straße als sozialverträgliches Baugruppenprojekt vor. Die DKP hatte in der Vergangenheit diese Planung begrüßt, da sie zur Minderung der Wohnungsnot und der Forderung nach bezahlbarem Wohnen wenigstes in Teilen gerecht wurde – ohne allerdings den gesamtstädtischen Investitionsverlauf umzukehren.
Wie es in noch größerem Stil nach sozialen Gesichtspunkten noch besser laufen kann, demonstrierte Fritschi erfrischend am Beispiel von Stadtplanung und Wohnungsbaupolitik in Wien, das eine nachhaltige, nachahmenswerte Wohnbaupolitik betreibe. Zwei Drittel der Bevölkerung lebe in Gemeinde- und Sozialwohnungen. Die durchschnittliche Miete bezifferte Fritschi mit 6 bis 7 €/m2. In Wien ist an der Wohnadresse nicht zu erkennen, wieviel der Bewohner verdient, es gibt keine Ghettos.
Wien besitzt 2.800.000 m2 Bauland. Das sei ein äußerst wirksames Instrument gegen «grassierende Bodenspekulation». Fritschis mit viel Beifall aufgenommene Schlussfolgerung lautete: «Den Wohnungsbau dem freien Markt zu überlassen hat, wie wir derzeit erfahren, fatale Folgen.» Sein Fazit: «Wohnen ist ein Grundrecht – Das wird in der Millionenstadt seit 100 Jahren respektiert und gelebt.» Mit einer Darstellung des «Karl-Marx-Hofes» schloss der Vortrag über Wien. – Am Rhein ist viel von der Wohnungsbaupolitik in der Donau-Metropole zu lernen.
Text: Uwe Koopmann
Foto: Bettina Ohnesorge