Antifaschismus

Konzert zum 20. Jahrestag des Brand­an­schlages

Die un­glaub­lich kur­ze Weg­stre­cke vom Hit­ler­jun­gen Sa­lo­mon bis Solingen

Danksagende und Künstler auf der Bühne.

Solingen, 24.05.2013 | Menschen auch an leben­di­gem Leibe zu ver­bren­nen, gehört zum Ter­ror­re­gis­ter alter und neuer Ras­sis­ten. Sally Perel, der den Holo­caust als »Hitler­junge Salo­mon« über­lebte, berich­tete bei der Gedenk­veran­stal­tung der VVN-BdA in Solin­gen von dem Mord an dem 17 Jahre alten Hans Mar­bur­ger aus Peine, der 1938 bei der Pogrom­nacht erschos­sen und dann in der Syna­goge verbrannt wurde.

In diese Mord­serie reihte sich am 29. Mai 1993 der Brand­anschlag auf das Haus der Familie Genc ein, bei dem drei Kinder und zwei Erwachse­ne ihr Leben verloren. Mehr als 180 Men­schen wurden seit­dem aus ras­sis­ti­schen Moti­ven in Deutsch­land ermor­det. In den letzten zehn Jahren waren es die zehn Opfer der Nazi­bande NSU, die unter den Augen des Inlands­geheim­diens­tes »Verfas­sungs­schutz« ermor­det wurden.

Die Schlussfolgerung, die Günter Bischoff bei der Begrüßung für die VVN und Bür­ger­meis­terin Friedrike Sino­wenka in ihrem Gruß­wort für die Stadt Solin­gen formu­lier­ten, war ein überein­stim­men­des Bekennt­nis »für eine Welt ohne Nazis und Ras­sisten«. Sally Perel bezeich­nete »Solingen« als Symp­tom, das Alarm auslöse und Respekt und Tole­ranz ein­for­dere. Den fehlen­den Men­schen­rech­ten zwischen 1933 und 1945 stellte er die For­de­rung nach uni­ver­sel­ler Frei­heit und Gleich­heit der Men­schen ent­ge­gen. Um dieses Ziel zu errei­chen, sei ent­schlos­se­ner Wider­stand nötig. Sein Appell: »Vereinigt Euch im Kampf gegen den Faschis­mus!« So könne Solin­gen eine Festung des Frie­dens und der Demo­kra­tie werden.

Sabine Kühn­rich (Gesang, Quer­flöte), Ludwig Streng (Gesang, Piano) und Wolfram Henning-Ruitz (Gesang, Gitarre, Saxophon).

Wie dieser Kampf aus­sehen müsse, skiz­zierte Günter Bischoff, indem er den frem­den­feind­li­chen Mainstream bei CDU-Poli­ti­kern und Neo­na­zis charak­te­ri­sierte. Ihre Paro­len laute­ten »Das Boot ist voll« und »Sozial­schma­rot­zer und Schein­asy­lan­ten aus­wei­sen«. Flan­kie­rend wurde das Asyl­recht beschnit­ten; die Polizei sah weg, griff nicht ein wie bei dem Brand­anschlag in Rostock-Lich­ten­ha­gen. Die V-Leute des Inlands­ge­heim­diens­tes »Verfas­sungs­schutz« liefer­ten Geld und sicher­ten die Logis­tik ab, so dass der NSU-Unter­su­chungs­aus­schuss des Deut­schen Bun­des­ta­ges zu einem eindeu­ti­gen Urteil kam: Tota­les Versa­gen. Den­noch wird auf den »Dienst« nicht verzich­tet. Bun­des­in­nen­mi­nis­ter Hans-Peter Fried­rich (CSU) und die Län­der­in­nen­mi­nis­ter von CDU und SPD wollen ihn »refor­mie­ren«, streiten sich aber jetzt schon darü­ber, wie die Kom­pe­tenz der inkom­pe­ten­ten In­lands­nach­rich­ten­diens­te ge­hand­habt werden soll.

Bischoff unterstrich abschließend die Forde­run­gen der VVN-BdA: Auf­lö­sung des Verfas­sungs­schut­zes, Verbot der NPD, Auf­klä­rung aller Verbin­dun­gen zwischen Geheim­diens­ten und Neo­nazis, Stopp der Hetze gegen Asy­lan­ten und Men­schen mit Migra­tions­hin­ter­grund sowie keine finan­ziel­len Kür­zun­gen bei Anti­ras­sis­mus-Pro­jek­ten. Diet­mar Gaida vom »Solin­ger Ap­pell« warb dafür, sich bei den nächs­ten Aktio­nen gegen Frem­den­feind­lich­keit zu engagieren.

Die Chemnitzer Gruppe »Quijote« griff den poli­ti­schen Faden auf und setzte ihn meister­haft musi­ka­lisch um. Ihr Aus­gangs­punkt: der Schwur der Häft­lin­ge von Buchen­wald. Der musi­ka­li­sche Schwer­punkt: Mikis Theo­do­ra­kis. Ergrei­fend: die Beiträ­ge aus dem Maut­hau­sen-Zyk­lus. Der Höhe­punkt: Aus­züge aus dem »Canto General«. In jeder Weise musi­ka­lisch über­zeu­gend: Sabine Kühn­rich (Gesang, Quer­flöte), Ludwig Streng (Gesang, Piano) und Wolfram Henning-Ruitz (Gesang, Gitarre, Saxophon). Der Beifall – ein Problem: Nach einzel­nen Stücken zurück­haltend, denn auf Traurig­keit mag man nicht recht mit Klatschen reagie­ren. Für die musi­ka­li­sche Leis­tung: heftig und anhaltend.

Der 20. Jahrestag des Mord­anschla­ges in Solin­gen – ein analy­tisch, künst­le­ri­scher Blick zurück. Eine Bestands­auf­nah­me für die Gegen­wart. Eine Heraus­forde­rung für die Zukunft.

Text und Fotos: Uwe Koopmann