Betrieb & Gewerkschaft
Kürzer arbeiten!
Schwerpunktthema der neuen Marxistischen Blätter
Wer heute beim Kürzel »AZV« an Arbeitszeitverkürzung denkt und sich dafür einsetzt, befindet sich auch unter Gewerkschaftern und bewegten Linken in einer qualifizierten Minderheit. Im bundesdeutschen Arbeitsalltag geht der Trend eher in die andere Richtung, in Richtung Arbeitszeitverlängerung, – bei gleichzeitiger dauerhafter »Arbeitszeit Null« und wachsender Teilzeitarbeit, Leiharbeit etc. für Millionen.
»Wir brauchen längere Arbeitszeiten… Wir brauchen einen Mentalitätswandel, der endgültig wegführt von den alten Strategien der Arbeitszeitverkürzung«, gibt Hans Carsten Hansen die Linie der Chemiekonzerne in der jüngsten Tarifrunde vor, um tariflich erkämpfte Sonderregelungen für ältere Beschäftigte wieder einzukassieren. (Handelsblatt 26.1.2012)
Die Folgen dieser – seit Marx’ Kritik – weitgehend unveränderten Unternehmermentalität für die Lebens-und Arbeitsbedingungen Arbeitender wie Arbeitsloser sind hinlänglich bekannt.
Hier gegenzusteuern und einen neuen Anlauf für »kurze Vollzeit für alle« zu unterstützen, haben sich die Marxistischen Blätter im Schwerpunktthema ihrer jüngsten Aufgabe zum Ziel gesetzt, mit aktuellen Fakten und Analysen, geschichtlichen Hintergründen und grundlegenden Positionen zur Arbeitszeitfrage.
In guter Tradition – das sei vorab angemerkt- wird der Blick auch hier über den nationalen Tellerrand gerichtet. Jacques Rigaudiat, Wirtschaftswissenschaftler in Paris, konzentriert sich in seinem Beitrag auf die Frage, welche Lehren zu ziehen sind aus der französischen Erfolgsgeschichte im Kampf um die gesetzliche 35-Stunden-Woche und den aktuellen Erfahrungen bei deren Verteidigung gegen Rechtsregierung und Unternehmer.
Was »kapitaldominierte Arbeitszeitverkürzung« bedeutet, schildert Udo Paulus am Beispiel Griechenlands. Der Widerstand von KKE, PAME und anderen richte sich im Kern gegen den – auch von der EU forcierten- »Generalangriff auf den Wert der Ware Arbeitskraft«. Für diesen Widerstand habe der seit Monaten anhaltende, von den Medien verschwiegene Streik der Stahlarbeiter in Aspropyrgos Pilotcharakter.
Bezogen auf die Bundesrepublik argumentiert Jörg Miehe, Sozialwissenschaftler aus Göttingen, in seinem Beitrag u.a., warum es bei »kurzer Vollzeit für alle« als »politischem Projekt« um weit mehr geht, als um Arbeitszeitverkürzung und Bekämpfung von Arbeitslosigkeit. Dieses »mehr« nannte Karl Marx »Kontrolle sozialer Produktion durch soziale Ein- und Vorsicht, welche die politische Ökonomie der Arbeiterklasse bildet«. Tarifvertraglich sei das Projekt, so Miehe, nicht durchzusetzen. Den »richtigen und notwendigen Weg« (für den angesichts der realen Macht- und Kräfteverhältnisse ein langer Atem nötig sei) sieht er in einer breit angelegten politischen Kampagne für ein entsprechendes Gesetz – eine Arbeitszeit-Charta.
Volker Metzroth, W & S-Sekretär des DKP-Parteivorstandes, erläutert im Interview einen Parteivorstandsbeschluss, mit dem die DKP-Mitglieder auf mehr Engagement für spürbare Arbeitszeitverkürzung mit einem neu definierten Normalarbeitsverhältnis orientiert werden sollen, um das Insider-Thema wieder zu einem Massen-Thema zu machen.
Achim Bigus, IG-Metall Vertrauensmann, greift weit zurück in den langen Kampf der Arbeiterklasse um ein ihren Interessen entsprechendes »Normalarbeitsverhältnis«. Vor dem Hintergrund der Erfahrungen auch in jüngster Vergangenheit sieht er Marx bestätigt, der in seinem berühmten Vortrag über »Lohn, Preis und Profit« die Bedeutung »legislativer Einmischung« und die »Notwendigkeit allgemeiner politischer Aktion« für den Normalarbeitstag betont hatte.
Wera Richter, verantwortlich für Jugendpolitik im Parteivorstand der DKP, argumentiert vor dem Hintergrund von Jugendarbeitslosigkeit, Ausbildungssituation und Übernahme warum spürbare Arbeitszeitverkürzung besonders auch die Situation Jugendlicher verbessern würde.
Gleich zwei Beiträge befassen sich mit der Arbeits- und Lebenssituation von Frauen bzw. »frauenspezifischen« Zugängen zum Schwerpunktthema. Ursel Möllenberg hat den ersten – sehr ernüchternden – Gleichstellungsbericht der Bundesregierung insbesondere bezüglich Bildung und Beschäftigung kritisch unter die Lupe genommen und fordert mehr Mobilisierung gegen die darin dokumentierten gesellschaftlichen Zumutungen für Frauen statt »wutgetränkter politischer Apathie« und Rückzug ins Private. Raja Bernard beendet ihren Beitrag zur Frage »Warum sollten Frauen für eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung kämpfen?« mit einem provokativen Zitat von Ingrid Kurz-Scherf: »Wer behauptet, ihm oder ihr läge die Verwirklichung von Geschlechterdemokratie am Herzen und nicht über Möglichkeiten einer allgemeinen Arbeitszeitverkürzung zumindest ernsthaft nachdenkt, der lügt oder irrt.«
Lothar Geisler
Weitere Themen und AutorInnen in Marxistische Blätter 2-2012:
Militärausgaben werden nicht gekürzt – Griechenland vor der Pleite (Franz Kersjes); Es riecht nach Krieg (Gerd Deumlich), Woran die Währungsunion scheitert (Lucas Zeise), Deutsches Europa und Verhärtung der Fronten (Jürgen Wagner), Logik der Geschichte und aktuelle Ereignisse (Gudrun Havemann im Gespräch mit A. Charlamenko), Aufarbeitung und Wiederaufbereitung – 40 Jahre »Extremistenerlass« (Eva Petermann), Wir brauchen eine Antifaschismusklausel (Silvia Gingold), Die Aktualisierung des kubanischen Sozialismus (Gespräch mit Noel Carillo, KP Kuba), Erinnerung an Viktor A. Vazjulin (A.Charlamenko),
Positionen und Diskussion:
Über bedingungslose Solidarität und »Einheit in Vielfalt« (Lothar Geisler), Formation – Stadium- Regime. Zur Periodisierung des Kapitalismus (Beate Landefeld), Unsinniger Antikommunismus (Seta Radin), Das vertrackte Geld (Alexander B. Voegele), Manfred Sohns »Dritter Anlauf« (Hermann Jacobs; Robert Steigerwald), Offen Fragen unter MarxistInnen (Rolf Jüngermann)
Das Heft »Kürzer Arbeiten« wird Anfang April ausgeliefert und kostet 9,50 €.
(50 % Info-Tisch-Rabatt für DKP-Gliederungen)
Erhältlich beim Neue Impulse Verlag, Hoffnungstr. 18, 45127 Essen
e-mail: info@neue-impulse-verlag.de