Betrieb & Gewerkschaft

Bildung ist keine Ware

27. Gewerkschaftstag der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft

 

Kollegin und Kollege halten Transparent: »Blockade beim Tarifvertrag – Wortbruch bei Besoldung! GEW«, dahinter Rednerin am Mikrofon.

Unter dem Motto »Alles beginnt mit guter Bildung« berieten rund 430 Delegierte vom 12. bis zum 16. Juni in Düsseldorf. Sie vertreten aktuell  267.000  Mitglieder der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) aus Kitas, Schulen und Hochschulen. Die GEW gehört zu den wenigen Einzelgewerkschaften, die ihre Mitgliederzahlen kontinuierlich erhöhen konnte. Die Bildungsgewerkschaft fordert neben einer Verbesserung der beruflicher Bildung und Weiterbildung, einen allgemeinen Zugang zum Bildungswesen. Sie will eine qualitativ hochwertige und öffentlich finanzierte Bildung, die allen Menschen, unabhängig vom sozialen Status, zugutekommt. Dafür müssten 40 Milliarden Euro jährlich zusätzlich in die Bildung fließen.

 

Bildung ist ein Menschenrecht

Nach Auffassung der GEW geht es um grundlegende Menschenrechte, die in der Bundesrepublik noch immer nicht verwirklicht sind. Zum Auftakt des Gewerkschaftstages sagte der scheidende GEW-Vorsitzende Ulrich Thöne in der Ergänzung zum Geschäftsbericht »für die Finanzierung sei in diesem Lande genügend Geld vorhanden«. Wer seit Jahren die Krise der Finanzmärkte finanziere, Banken mit Steuergeldern rette, werde auch den Druck der GEW spüren. »Das kaputt sparen der öffentlichen Haushalte werde nicht weiter hingenommen«. Die Gewerkschaft will eine Wiedereinführung der Vermögensteuer sowie eine Reform der Erbschaftsteuer. Mehrere Anträge beschäftigten sich mit dem Nein zu ESM und dem Fiskalpakt. So betont der Landesverband Bayern seine Solidarität mit den im Kampf stehenden europäischen Menschen gegen das Diktat der EU und deren Finanzmärkte. Gegen die Abwälzung der Schuldenlasten auf die jeweils abhängig Beschäftigten.

 

Antrag zum Politischen Streik beschlossen

Um die Kampfkraft zu erhöhen, wurde auf dem Gewerkschaftstag  ein Antrag zur Durchsetzung von »Politischen Streiks« mit großer Mehrheit angenommen. Der Landesverband Bremen hält es darin für notwendig, sich zu diesem Streikrecht einschließlich des Generalstreiks, als gewerkschaftliches Kampfmittel zu bekennen. Eberhard Brandt, Delegierter aus Niedersachsen, wies darauf hin, dass ein »aufsatteln« beim Streikrecht notwendig sei. Starken Applaus bekam er, als er den Delegierten zurief: »Auch in der BRD ist das Streikrecht gefährdet. Deshalb muss diskutiert werden, wie wir unseren Widerstand vergrößern können.« Jochen Bauer aus NRW: »Es zeigt sich in Europa, dass die Troika zu allen Schweinereien berät ist. Zu Lohndumping und Sozialabbau. Deshalb brauchen wir ein politisches Streikrecht«.

 

Neben einem allgemeinen Streikrecht in Deutschland, will die GEW auch Beamte in Tarif- und Besoldungsfragen in Arbeitskämpfe führen. Wegen des Streikverbots für Beamte, wurde eine entsprechende Klage beim Bundesverfassungsgericht eingereicht.

 

Solidarität mit Blockupy

Mit einem Initiativantrag verurteilt die GEW den brutalen Polizeieinsatz gegen Demonstranten am 1. Juni in Frankfurt. Unter den Teilnehmern hätten sich auch viele Gewerkschafter befunden. Verlangt wird, dass die politisch Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Ausdrücklich wird in den Antrag aufgefordert, sich auch zukünftig an solchen Blockaden und Demonstrationen zu beteiligen.

 

Schaulaufen der Politiker

Im Jahr der Bundestagswahl fand unter den Politikern ein regelrechtes Schaulaufen statt. Eröffnet wurde es durch die nordrhein-westfälische Bildungsministerin Silvia Löhrmann (Bündnis90/Grüne). Sie verteidigte die Entscheidung der Landesregierung, die Angestelltengehälter des öffentlichen Dienstes der Länder nicht auf die Beamten zu übertragen. Löhrmann begründete dies unter Pfiffen und Aktionen im Saal mit dem »Haushaltsdefizit« des Landes. Auf Transparenten wurden ihr und der rotgrünen Landesregierung in NRW eine Blockadehaltung und Wortbruch bei der Eingruppierung der Lehrer vorgeworfen. Proteste auch beim Auftritt von Dietmar Gabriel (SPD).«1863 für Arbeiterrechte –2013 gegen Tarifverträge« konnte der Vertreter der Agenda 2010 lesen.

 

Ver.di Alleingang beim Tarifvertrag der Länder kritisiert

Auf Kritik stieß die uneinheitliche Tarifpolitik zwischen der Gewerkschaft ver.di und der GEW. Erst im Frühjahr hatte die ver.di Tarifkommission zum zweiten Mal einem Tarifergebnis für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst der Länder zugestimmt. Ohne die Belange der GEW Eingruppierungsforderungen für die Lehrer verbindlich zu regeln. In der Erziehungsgewerkschaft stimmten aus diesem Grunde nur  78,3 Prozent der Mitglieder für den Abschluss. Wohl wissend, dass auch diesmal wieder die Bezahlung der Lehrkräfte nicht per Tarifvertrag geregelt werde.

Der Zuständigkeitsbereich der GEW leidet, wie bei den anderen Einzelgewerkschaften im DGB,  immer mehr unter prekären Arbeitsverhältnissen. Bei Schulen und Weiterbildung wird fast nur noch befristet eingestellt. Oft muss selbständig auf Honorarbasis gearbeitet werden.

 

Zwischenrufe bei Rede von Sommer wegen Treffen DGB und Bundeswehr

Als Gastredner betonte Michael Sommer, DGB Bundesvorsitzender, scharf die politischen Fehlentwicklungen im Land. Der DGB-Vorsitzende verlangte von der Bundesregierung, das Bildungswesen anständig zu finanzieren, wie das in zivilisierten Staaten geschehe, anstatt sich mit vagen Hoffnungen auf einen demographischen Wandel herauszureden.

 

Sommer  versuchte den Alleingang des DGB-Bundesvorstandes zum Treffen mit der Bundeswehrspitze zu rechtfertigen. Hintergrund war eine Einladung des DGB im März an den Kriegsminister Thomas de Maizière. Der DGB-Chef verstieg sich in seiner Rede vor den Delegierten zu der Aussage »die Bundeswehr sichere den Frieden in der Welt, verteidige  Demokratie und Menschenrechte. Seine Ausführungen wurden immer wieder durch Zwischenrufe »Raus aus Afghanistan«, »Kunduz war Mord« und »Friedensbewegung fördern, statt Bundeswehr«  unterbrochen Neben dem Protest während der Rede von Sommer, reagierten die Delegierten mit einem Initiativantrag auf dem Gewerkschaftstag. Darin heißt es: »Die Kriegs- und Standardpolitik ist zynisch und richtet sich gegen die Mehrheit der Bevölkerung.« Für diese Politik würden bewusst massenhaft Tote in Kauf genommen. Die Handlungsweise der DGB-Spitze stehe im Widerspruch zu Beschlüssen mehrerer Bundeskongresse.

 

Neue GEW-Spitze gewählt

In Düsseldorf wurde die neue Spitze der Gewerkschaft gewählt. Vorsitzende ist Marlis Tepe. Sie bekam 52,4 Prozent. Tepe ist  Hauptschullehrerin aus Schleswig-Holstein. Andreas Keller ist neuer stellvertretenden GEW-Vorsitzender. Der Leiter des Organisationsbereichs Hochschule und Forschung erhielt 84,8 Prozent.

 

Text und Foto: Herbert Schedlbauer